Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

 

Anhänger

 

9. Mai 2020: Wenn Heimwerker heimwerken

Über die langen Warteschlangen vor Baumärkten wurde bereits viel berichtet und gelacht. Medien berichten darüber, weil sie den Ansturm für ein Phänomen der Coronakrise halten. Vermutlich ein Irrtum:  Viele Menschen sind zuhause, sie haben die Gelegenheit und – im Idealfall – auch die Mittel, schon geplante Vorhaben umzusetzen. Die Kombination aus vorhandener Freizeit und langer Schließzeit der Geschäfte, noch gewürzt mit dem Wunsch, endlich wieder einmal raus zu kommen, hat OBI, Hornbach und Co. jenen großen Zulauf beschert; Señora Corona war sohin der Auslöser, jedoch nicht die Ursache. Gleiches passiert regelmäßig vor Ostern, Weihnachten und im Urlaub – ganz ohne Pandemie.

Wer hingegen darüber lacht, gehört wohl kaum zur verschworenen Gilde der Heimwerker. Mir genügt es zu wissen, wo ein Bild an die Wand gehört; ich bin froh, den Nagel dafür nicht selbst einschlagen zu müssen. Mit endlosen Reihen von extra stabilen und tiefergelegten Einkaufswagen kann ich, dieser Tatsache entsprechend, wenig anfangen. Das kuriose Bild gibt schon Anlass zu Heiterkeit, doch ich vermute, die meisten Leute hatten einen Grund, sich in die Schlage zu stellen.

Aber die angesprochene Gilde ist so groß, dass auch ich eines ihrer Mitglieder kenne. Wobei kennen die Untertreibung des Tages ist: Walter und ich sind seit der Volksschule in Feldbach miteinander befreundet, also nach Adam Riese (der in Wirklichkeit Adam Ries hieß – danke, Wikipedia!) seit über 40 Jahren. Er arbeitet für sein Leben gern im Freien, mit seinen Händen, mit Tieren. Und das schon zu einer Zeit, als er noch in der steirischen Landeshauptstadt Graz auf 60 m² wohnte. Von damals stammt auch die Geschichte, die mir Walter einst auf unnachahmliche Weise erzählte.

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8. Mai 2020: Danke

Heute feiert meine Mutter Margarete Glanz ihren 80. Geburtstag. Mein Vater Johann Glanz wird am 21. Mai 83 Jahre alt. Beiden widme ich mit immerwährender Liebe und großem Dank diesen Tagebucheintrag.

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7. Mai 2020: Wegen Urlaubs geschlossen

"Jo hallo, hier spricht der Kernölbotschafter. Ich bin momentan zum Glück nicht erreichbar, aber wenn Sie dem Band, das in Wirklichkeit eine Speicherkarte ist, einen guten Chuck-Norris-Witz erzählen, könnte ich mich erweichen lassen, Sie irgendwann zurückzurufen. Falls das nicht passiert, sind Sie eindeutig zu humorlos für ein interessantes Gespräch. Beschweren Sie sich nicht bei mir, sondern beim HG - er ist die Kummerkastentante der Redaktion. Wieder anrufen hat auch keinen Zweck, Sie stehen längst auf der schwarzen Liste der unlustigen Leute. Alle anderen erzählen Ihren Witz bitte nach dem Piep."

KB, heb endlich ab! Ich weiß, dass du meine Nummer kennst und mich nur absichtlich warten lässt!

Was machst du so spät noch in der Redaktion, HG?

Die richtige Frage lautet wohl: Warum bist du seit 5 Tagen nicht aufgetaucht?

Weil ich erstens auf Urlaub und zweitens inkognito unterwegs bin.

Und du hast es nicht der Mühe für wert befunden, das mit mir abzusprechen?

Wieso? Wie ich im Tagebuch lese, kommst du sehr gut ohne mich zurecht.

Das fasse ich einmal als Kompliment auf. Einerseits hast du recht, andererseits fragen mich manche Fans schon, wann du wieder schreibst. Aus irgendeinem Grund mögen sie deine grantige Art - frag' mich bitte nicht, warum.

Das ist nicht grantig, lieber HG, das ist Literatur ohne Maulkorb. Das Schöngeistige kannst du viel besser, wie du in den vergangenen Tagen durchaus bewiesen hast.

Noch ein Kompliment! Bist du krank? Oder willst du etwas? Spuck's aus, KB, ich sitze eh schon.

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Tomaselli

 

6. Mai 2020: Kaum zu erwarten

Noch neunmal schlafen. Ich zähle die Tage wie ein Kind, das auf Weihnachten wartet. Für mich wird es sein wie Heiliger Abend, Ostern und Geburtstag zusammen. Den Moment, das weiß ich heute schon, werde ich festlich zelebrieren. Ich werde mich behutsam hinsetzen, jedes Bild um mich herum aufnehmen. Wenn Lisa, Ali oder Anita kommen, werde ich breit lächeln aufsetzen, sie herzlich begrüßen und sagen: „Einen Cappuccino mit Milchschaum, bitte!“ Lisa, Ali oder Anita werden, ebenfalls lächelnd, antworten: „Gerne, Hannes.“ In diesem Moment wird uns bewusst sein, dass wir einen kleinen Teil unserer gemeinsamen, wertvollen, unser aller Leben bereichernden Realität wieder zurückgewonnen haben: einen Besuch im Kaffeehaus.

Die Zeit bis zum 15. Mai, wenn auch Cafés, Restaurants und andere Gaststätten wieder öffnen dürfen, vertreibt sich ein Kaffeehausmensch wie ich mit dem Schwelgen in Erlebnissen an diesen Orten des Genusses, der Kommunikation, des glücklichen Zeitvertreibs. Ein besonders schönes trug sich vor gut drei Jahren im Café Castello am Feldbacher Hauptplatz zu.

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OliverM

 

5. Mai 2020: Musik ist

Von der Kreativität im Internet, die seit Ausbruch der Coronakrise regelrecht explodiert ist, war in diesem Periodikum schon mehrfach die Schreibe. Es bereitet große Freude, die Kulturschaffenden bei ihrer Arbeit auf den vielfältigsten Home-Office-Bühnen zu erleben – wie auch die Dankbarkeit und Anerkennung zu sehen, die sie dafür von ihrem Publikum erhalten.

Ein langjähriger Freund, der schon vor der Ankunft von Señora Corona immer wieder seine Begabung, die er von Kindheit an zum Beruf machen wollte und dies auch tat, mit der digitalen Öffentlichkeit teilte, ist Oliver Majstorovic. Die Geschichte unseres Kennenlernens trage ich als eine meiner wertvollsten Erinnerungen in mir – und das Tagebuch ist genau der richtige Platz, um sie zu erzählen.

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Love and Hate Picasso(Bild: Love and Hate, Pablo Picasso)

 

4. Mai 2020: Liebe und Hass

Vor knapp drei Wochen schickte meine in die USA ausgewanderte Schulfreundin Stefanie, die Sie aus zwei Tagebucheinträgen schon kennen, wieder einen sehr berührenden Text. Darin schreibt sie, wie stark sich die Coronakrise auf den persönlichen, ganz privaten Bereich auswirkt – manche Dinge positiv, andere im negativen Sinne. Und dann gibt es noch jenes große Ganze, das wir gerne aus dem Blick verlieren.

Seit Stefanies Mail bei uns eingetrudelt ist, verspricht mir der Kernölbotschafter immer wieder, dass er sich um eine literarisch wertvolle (das ist ihm ja ach so wichtig!) Übersetzung kümmert. Bis heute blieb es bei der heißluftigen Ankündigung, was mich aber nicht besonders wundert. Diese Gau … äh … Schriftstellerkollegen der leichten Muse sind immer schnell vorn dabei, wenn es um Halli Galli, Ramba Zamba und noch viele andere komödiantische Einlagen geht. Artet aber etwas in echte Arbeit aus, bastelt er lieber stundenlang an einem Video, so wie gestern.

Wäre der KB heute in der Redaktion, hätte er auch keine Zeit. Er würde sagen: Mein lieber HG, ich war gestern bis nach 23 Uhr hier, um die einzigartige, tiefschürfende Kombination aus Text, Video und gruppendynamischer Arbeit für unser Tagebuch fertigzustellen. Weil mir das so außerordentlich erfolgreich gelungen ist, habe ich mir heute einen freien Tag verdient! Und weg wäre er gewesen.

Also habe ich mich nach einem gottergebenen Seufzer und der Erkenntnis, nicht einmal schwierige Kollegen seien unnütz (sie dienen zumindest noch als warnendes Beispiel!) heute selbst hingesetzt und die Übersetzung von Stefanies Essay angefertigt. Nach getaner Arbeit bin ich dankbar dafür. So groß unser aller Hoffnung ist, die Phase der pandemischen Bedrohung durch das Virus möge bald enden, so zeitlos sind die Worte meiner geschätzten Freundin.

Liebe und Hass in Zeiten von Corona

Nun ist es schon über zwei Wochen her, seit der Bundesstaat Michigan den Befehl „Bleib zuhause und bleib gesund!“ ausgegeben hat – und es ist noch immer notwendig, dem Befehl Folge zu leisten. Daraus wurde eine jener Phrasen, die ich vielen meiner Telefonate, eMails, ja sogar Geburtstagsgrüße anfüge. Wie bizarr das ist! Ich hoffe, an meinem Geburtstag (5. Oktober) wird alles vorbei und auch diese Phrase ein Teil der Vergangenheit sein.

In dieser Zeit begann ich, Aktivitäten und Dinge zu lieben, von denen ich zuvor nie geglaubt hätte, sie überhaupt zu mögen. Andererseits begann ich Dinge zu hassen, die mich früher nicht gestört haben.

LIEBE: Ich hätte nie daran gedacht, mir dreiminütige, lustige Videos anzuschauen, die ich früher einfach nicht witzig fand. Das war nie so meins, und ich sagte das auch den Leuten. Aber wenn mir jetzt ein solches Video von Freunden oder Familienmitgliedern zugeschickt wird, gehe ich davon aus, dass sie Sehnsucht nach Kommunikation und Verbundenheit haben.

HASS: Ich habe es immer gemocht, in einer Arbeitspause hin und wieder in die Sozialen Medien reinzuschauen. Diese Art der Verbindung hatte etwas – wie Smalltalk mit Reaktionen und kurzen Kommentaren. Nun machen Computerarbeit und ZOOM-Meetings einen Großteil meiner Zeit aus, und so wurde ZOOM zu meinem neuen Facebook. Ich sehe jemanden, seinen kleinen Ausschnitt, seinen Einzeiler in der Chatbox – das alles macht Facebook bedeutungslos.

HASS: Ich habe mir immer gerne gute Filme angeschaut. Jetzt hasse ich außer dem PC und meinem Mobiltelefon jeden zusätzlichen Bildschirm. Auch haben weder ich noch meine Augen die Geduld dafür.

LIEBE: Alles Dreidimensionale, das ich berühre, verändere und auseinandernehme, oder woraus ich etwas Neues schaffen kann. Zum Beispiel wird ein Stück Papier zu Kunst, sei es durch Origami oder mit verschiedenfärbigen Stiften. Oder nur dadurch, dass ich es ausschneide und auf etwas anderes draufklebe. Und ich liebe Bücher – ihr wisst schon, die altmodische Variante davon, die man durchblättern kann.

HASS: Kühlschrank und Speisekammer sind immer zugänglich. Ich kann jederzeit etwas essen – vorausgesetzt, ich habe meinen Einkauf erledigt.

LIEBE: Zuhause gekochtes Essen. Für mich zählt Kochen zu den kreativen Tätigkeiten. Das Experimentieren mit verschiedenen Geschmacksstoffen und Zutaten ähnelt dem Erschaffen eines Kunstwerks.

HASS: Dass ich meine Freunde nicht daheim empfangen darf, nicht mit ihren Kindern und Hunden spielen darf und vor allem, dass ich keinen geliebten Menschen umarmen darf!

LIEBE: Über Skype, ZOOM, FaceTime etc. wirklich mit Menschen in Verbindung treten.  Früher habe ich nur die übliche Geburtstagskarte geschickt, einen schnellen Geburtstagswunsch oder ein animiertes Bild. Oder ich habe einfach nur gefragt: „Wie geht es dir?“, und darauf die immer gleiche Antwort erhalten. Jetzt habe ich damit begonnen, mit Leuten über Bücher zu reden, die sie und ich lesen; über eine Idee, die wir faszinierend finden; über ein Rätsel, das ich nicht lösen kann; über Themen, mit denen ich mich früher nicht auseinandergesetzt habe.

Zwischen all dem Hass und der Liebe erkenne ich trotzdem, es geht mir gut. Kein Familienmitglied ist COVID-19 zum Opfer gefallen. Ich würde es wirklich hassen, wenn jemand, den ich liebe, daran sterben müsste. Also erkenne ich am Ende, dass nichts, worüber ich geschrieben habe, es wirklich verdient, geliebt oder gehasst zu werden.

Stimmen Sie mir zu?

16. April 2020, Michigan State University, Detroit, USA

 Stefanie
eine ausgewanderte Österreicherin,
Curriculum Development Director und
“Animateurin in Coronazeiten”
an der Graduate School of Michigan State University

Erkenntnis des Tages: Viele Menschen sind von der Coronakrise betroffen, aber nicht alle nehmen die damit einhergehenden Veränderungen bewusst wahr. Die vielleicht entscheidende Aufgabe, der wir uns stellen müssen, liegt im Reflektieren der Auswirkungen – vom Kleinen (dem persönlichen und privaten Bereich) bis zum Großen (in welche Richtung werden sich Gesellschaften, Staaten, Wirtschaftsräume und nicht zuletzt das Klima verändern?). Nur dann besteht eine Chance, die richtigen Schlüsse aus der Pandemie zu ziehen und unser Handeln neu auszurichten.

 Zitat des Tages: „Wollen Sie meinen Friseurtermin, gnädige Frau? Für hundert Euro gehört er Ihnen!“ (Meine Mutter erhielt heute vor dem Haarschneideinstitut ihres Vertrauens dieses geradezu unmoralische Angebot. Sie lehnte dankend ab – so dringend war es dann doch nicht.)

Song des Tages: The Times They Are A-Changin’ (Das einzig Beständige ist die Veränderung – das wusste Bob Dylan schon vor 56 Jahren.)
https://www.youtube.com/watch?v=90WD_ats6eE

Feder

 

Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

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Foto MKH 3 klFotos: Martin, Hannes: Rudi Ferder, Karola: Getty Images

 

3. Mai 2020: Meine "Partners in Crime"

Jo hallo, hier ist der Kernölbotschafter. Neben den Professionen vieler Leute, deren Tun seit der nervenden Anwesenheit von Señora Corona endlich als relevant angesehen wird statt wie bisher nur als selbstverständlich – vom Krankenpfleger bis zur Dame an der Supermarktkasse –, gibt es eine Gruppe, die nicht unbedingt systemerhaltend ist. Sie stellt aber so etwas wie die Seele unserer Gesellschaft dar, denn sie produziert den intellektuellen Treibstoff aus Ideen, Theorien, Utopien und auch Fantasien, der unseren Hunger nach kreativem und konstruktivem Denken stillt. Oder uns, nicht weniger wichtig, alle Probleme und Sorgen für zwei glückselige Stunden vergessen lässt.

Es sind die Künstlerinnen und Künstler aller Sparten und Richtungen, von denen hier die Schreibe ist. Als Satiriker (wenn mich der HG noch ein einziges Mal Gaukler schimpft, kündige ich ihm augenblicklich die Freundschaft!) kenne ich selbstredend eher Kolleginnen und Kollegen im humorigen Bereich, aber vom Stress mit der spanischen Bierverkäuferin sind sämtliche Kulturschaffende betroffen.

Nach dem ersten Schock – keine Veranstaltungen vor Publikum bis weit in den Sommer – haben viele ihre Kreativmotoren (die sitzen gleich neben der Milz, das wissen die wenigsten) angeworfen und ihre Angebote, Auftritte, Kurse ins weltweite Netz verlegt. Nur ein schwacher Ersatz für einen Live-Auftritt, eh schon wissen, von der pekuniären Havarie ganz zu schweigen. Aber was da an Wohnzimmerkonzerten, Balkonarien, Hinterhofsolos und online kombinierten Freundschaftsgigs stattfindet, ist aller Ehren wert. Sogar riesige Chöre singen miteinander, obwohl jeder und jede für sich im stillen Kammerl hockt. Dadurch entsteht eine neue Form von Gemeinschaft, die den fehlenden persönlichen Kontakt zwar nicht aufwiegen kann, wohl aber zeigt, dass wir Menschen in unserer Fähigkeit, alternative Lösungen zu suchen, nahezu unendlich erfinderisch sind.

Vor ein paar Jahren – der HG und ich lebten noch in Salzburg – saßen wir nach vollbrachtem Tagwerk vor dem Fernseher. Das heißt, er war arbeiten, ich habe auf den Kuss irgendeiner Muse gewartet. Uns war ein bisserl fad, also zappten wir durch die Kanäle. Ein Fußballspiel (gibt’s schon fast jeden Tag – gähn), Das Traumschiff (suuuuuper, wie sich alle Dramen auf einem riesigen Touristendampfer in nur 90 Minuten lösen lassen – gääääähhhhhn!) und Armageddon (Bruce Willis und Co. retten wieder einmal die Welt, mit einem einzigen, klassischen Satz: „Ich weiß nicht, was Sie auf der Erde tun, Mr. President, aber wir haben hier ein Loch zu bohren!“ – gääääähhhhhnn!!!). Alles furchtbar langweilig. HGs Finger schwebte schon über dem kleinen roten Knopf auf der Fernbedienung, um alle Dramen auf einen Drücker zu beenden und ins Bett zu gehen.

Aber mit der Muse ist es wie mit der Liebe – sie küsst dich zumeist in einem Moment, wo du es am Allerwenigsten erwartest. Als die betrogene Ehefrau am Oberdeck endgültig mit Scheidung drohte, Bruce Willis alias Harry Stamper den allerallerletzten Bohrkopf verschraubte und der Kick in einem nervenzerfetzenden Elfmeterschießen seiner Entscheidung entgegenstiefelte, schauten der HG und ich uns plötzlich an.

„Denkst du, was ich denke?“ – Daraus könnte man etwas machen! – „Nicht könnte, mein lieber KB. Daraus werden wir etwas machen. Jetzt sofort!“

Nach einer Nanosekunde saßen wir am PC und legten los. Ich diktierte, und HGs Finger flogen schnell wie selten über die Tasten. Keine drei Stunden später – also weit nach Mitternacht, aber wenn die Lokomotive der Kreativität einmal brüllt und stampft, existiert ohnehin keine Zeit mehr – war alles getippt und korrigiert. Mit vor Müdigkeit kleinen Augen schauten wir auf unser Werk.

„Eigentlich muss man das zu dritt vorlesen“, meinte HG sinnierend, und ich stimmte ihm sofort zu.

Aber mit den richtigen Partnern.

„Korrekt. Das müssen Partners in Crime sein, echte Komödianten.“

Irgendwann werden wir sie finden.

Und wir haben sie gefunden. Einige Jahre vergingen, aber gut Ding braucht manchmal Weile. Bei einer Lesung hat HG unser Stück gemeinsam mit der besten Besetzung vorgetragen und wurde dafür tosenden Applaus belohnt. Wieder ein Jahr später kam Señora Corona, und so fand das kongeniale Trio wieder zusammen, um eine Home-Office-Pandemie-Version des Stücks aufzunehmen.

Voilà, hiermit präsentiere ich Martin Kosch (Kabarettist, Zauberer, Wuchtelkaiser von Graz) und Karola Sakotnik (Keynote-Speakerin, Kulturschaffende, Coach etc., Feldbach), mit denen ich das Stück Wer zappt, gewinnt! aufgenommen habe. Es warten zehn Minuten TV-Geschichte auf Sie –so haben Sie Fernsehen noch nie gehört!

Erkenntnis des Tages: Mit Freunden künstlerisch tätig sein – das gehört zu den erfüllendsten Momenten in meinem Leben. Martin kenne ich seit mittlerweile 29 Jahren, zwischen uns passt kein Blatt Papier. Karola wurde nach meiner Rückkehr aus Salzburg zu einer Freundin und geschätzten Kollegin. Die Arbeit mit ihnen trägt mich, lehrt mich und macht ungemein viel Freude. Danke dafür!

Zitat des Tages: „Das wird ein Riesenspaß!“ (Diesen Satz müsste ich dreimal anführen – wir alle haben ihn gesagt. Und so war es dann auch!)

Video des Tages: Wer zappt, gewinnt! (Um es abgewandelt mit dem legendären Karl Farkas zu sagen: Hören Sie sich das an!)
https://www.youtube.com/watch?v=bvxjlHCM-EU&t=134s

Feder

 

Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

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Peanuts Philosophie

 

2. Mai 2020: Der KB hält eine Philosophiestunde

Hey HG, an einem Samstag schon so früh in der Redaktion? Senile Bettflucht?

Schon möglich. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Das Bett hätte ich gar nicht gebraucht, so wenig habe ich geschlafen.

Was treibt dich um?

Gaukler wie du, mein lieber KB, können das vielleicht nicht verstehen, aber manchmal stelle ich mir schon die Was-wird-sein-Frage.

Die da wäre?

Was wird sein, wenn Señora Corona nichts bewirkt? Jetzt reden viele davon, ihr Leben zu ändern, regional zu kaufen, liebevoller mit ihren Nachbarn umzugehen. Andere Leute sind der Meinung, nach ein paar Monaten wird alles wieder so sein wie vorher. Was denkst du?

Erstens: Ich mag es nicht, wenn du so ernst bist. Zweitens: Verschieden, wie die Menschen sind, werden die Reaktionen ausfallen.

Was wird überwiegen? Das Positive oder das Negative?

Kann ich dir nicht sagen. Aus meiner humoristischen Lebenserfahrung neige ich zum Negativen, aber ich kann mich auch täuschen.

Humor und negativ, wie passt das zusammen?

Eigentlich gar nicht, da hast du schon recht. Es ist mehr eine Schlussfolgerung.

Ich verstehe nur Corona. Bitte erklär’ es mir.

Also pass auf: Das Geschäft des Satirikers läuft wie geschmiert, wenn er seine Zuhörer emotional trifft. Da trifft es sich gut, dass die meisten Menschen emotional gesteuert sind. Die lachen sich einen Ast ab, weil ihnen dein Humor direkt in die Magengrube fährt, falls er authentisch ist.

Was hat das mit der Krise zu tun?

Geduld, liebe HG. Die schlimmsten Typen im Publikum sind immer die Skeptiker. Kopfmenschen, die eine Firewall im Hirn installiert haben, an der jeder Witz auf seine Qualität abgeklopft wird. Die fragen sich ständig: „War der gut?“ und haben in der Zwischenzeit längst die drei nächsten Pointen verpasst.

Apropos Point-en. Kommst du irgendwann auf den Punkt, KB?

Ich sage es dir immer wieder gerne: Deine Wortspiele sind grausam.

Besser ein grausames Wortspiel als endloses Geplapper.

Ich plappere nie! Hier ist des Kernes Pudel: Wenn es um ernste Dinge geht, sind Kopfmenschen im Vorteil, weil sie durch ihr Reflektieren schneller zu einer Bewertung von Problemen und sohin – du leihst mir doch dein absolutes Lieblingswort, HG? – zu einer praktikablen Lösung kommen. Daher sind sie auch offener gegenüber Veränderungen.

Und die Emotionalen?

Die ändern nur etwas, wenn sie persönlich betroffen sind. Oder wenn ein naher Verwandter, ein Freund an Corona erkrankt, vielleicht stirbt. Das gilt natürlich für alle Schicksalsschläge. Bei den meisten Leuten bleibt die Krise aber ein reines Medienthema, das wieder verschwindet. Deshalb werden sie nachher relativ schnell wieder zu ihrem von früher gewohnten Leben zurückkehren.

Sohin – meine Lieblingswörter lässt du schön bei mir, verstanden? – ist deine Zukunftserwartung negativ, weil es mehr emotionale als kopflastige Menschen gibt?

Und auch mehr als direkt Betroffene, zum Glück. Du bist wahrlich kein Blitzgneißer, HG, aber jetzt hast auch du es verstanden.

Nun sag mir, o Kernölbotschafter, Philosoph von hoher Erkenntnis: Wenn selbst du als beruflicher Spaßmacher trübe Aussichten befürchtest, wie soll mir als biederem Kopfmenschen, der ich bin, die Zukunft nicht den Schlaf rauben?

Naja, ist alles eine Frage der Haltung.

Auf welcher Seite ich im Bett schlafe, oder wie?

Du schläfst in einem Doppelbett, HG? Seit wann? Wie heißt sie? Woher kennt ihr euch? Wieso hast du mich noch nicht vorgestellt?

Sehr witzig, KB. Ich meinte die Körperseite!

Ach so. Und ich meinte deine Einstellung. Die Leute machen sowieso, was sie wollen. Andere kannst du nicht ändern, nur immer dich selbst. Aber du kannst darüber reden, schreiben, singen, malen, modellieren, was du willst. Mach dir selbst ein Bild, triff deine Entscheidung, steh dazu und handle danach. Aber am Allerwichtigsten: Lass dir deinen Humor nicht nehmen, von niemandem!

Das wird nie passieren, keine Sorge. Falls ich doch irgendwann gefährdet sein sollte, kommst eh du in vollem Karacho mit Blaulicht daher und erzählst mir einen Chuck-Norris-Witz.

Apropos: Chuck Norris hörte, dass nichts ihn töten könne. Also ging er los und tötete das Nichts zuerst. Der passt auch gut zur wichtigsten Grundregel: geschmeidig bleiben!

Du sagst es, KB. Ein perfektes Schlusswort für die heutige Philosophiestunde. Und weil du mich so wunderbar aus meiner Trübnis geholt hast, verrate ich dir ein Geheimnis: Sie heißt …-

Überlass mir die Scherze, HG! Meine glauben die Fans unseres Tagebuchs wenigstens!

Erkenntnis des Tages: Heute Vormittag musste ich einen etwa Zwanzigjährigen erziehen, der auf dem Parkplatz vor der Redaktion seinen Zigarettenstummel mittels „Drop and Stomp“ auf die ganz Schnelle entsorgen wollte. Er klaubte den Abfall nach meinem in Lautstärke und Botschaft ziemlich eindeutigen Hinweis brav wieder auf und verwendete den wenige Meter entfernt dafür aufgestellten Aschenbecher. Dieses Erlebnis trug auch nicht wirklich dazu bei, meine positiven Erwartungen an die Zeit nach Señora Corona zu steigern. Aber ich halte es trotzdem mit dem Kernölbotschafter: Der Humor stirbt zuletzt!

Zitat des Tages: „Ein kleines Geschenk für Sie!“ (Da kein grüner Salat mehr vorrätig war, übergab mit der Filialleiter vom BILLA in Feldbach eine Dose mit frischen, gemischten Melonen. Und schon erklomm mein Positive-Erwartungen-Konto wieder ein paar Sprossen!)

Song des Tages: Better Man (Robbie Williams spricht in diesem Video auf sehr berührende Weise das Erstrebenswerteste auf unserem Lebensweg aus. Wir dürfen uns entwickeln und bessere Menschen werden, für uns selbst und alle anderen. Mehr noch – die besten, die wir sein können.)
https://www.youtube.com/watch?v=oVHkScXobG0

Feder

 

Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

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F01 Kanzler kickt

 

1. Mai 2020: Alles neu macht der Mai - oder auch nicht

Jo hallo, hier ist der Kernölbotschafter. Irgendwie traurig, der 1. Mai in Wien. Kein rotes Fahnenmeer am Heldenplatz. Stattdessen wird Frau Doktor Pamela „Yes we Pam“ Rendi-Wagner immer mehr zum roten Tuch für die Genossinnen und Genossen – da hilft es auch gar nix, dass sie in Spanien überlegen, den Stierkampf abzuschaffen. Wobei: Es ist ja nicht die erste Krise der Sozen in ihrer Geschichte. Die letzten Jahre schauen viel eher aus wie eine Aneinanderreihung von Problemen und Hoppalas der einst so stolzen Partei. Jener Obmann, der echt was drauf hatte, war dem Vorstand nicht fesch genug; in Wahrheit hat Alfred Gusenbauer als Einziger bewiesen, dass er Wahlen gewinnen kann. Das kommt heraus, wenn man nur auf die äußeren Werte achtet. Nachstehend zwei erschütternde Beispiele aus meinem Archiv.

Und morgen, nach dem Tag der Arbeit, machen wir uns alle wieder an dieselbe. Ich freue mich, los geht’s!

Alles neu macht der Mai (1. Mai, anno 2005)

Freundschaft, Fritzl! – Grüß dich, Gusi!
Na, wie spielt heuer die Musi?

Ich sag’ es ganz ohne Zynismus:
Heuschreckenkapitalismus!
Wenn der Schüssel dabei mit muss
Stärkt er meinen Optimismus
Dass die Partei mit voller Kraft
Im nächsten Jahr die Wende schafft

Auf uns kannst du dich verlassen!
Der ÖGB hat volle Kassen
Der Konsum war nicht das Ende
Die BAWAG zahlt brav Dividende
Und in meiner Penthousewohnung
Genieß’ ich volle Mietpreisschonung
Zur Not hab’ ich ein Taschenfeitl
Wenn’s eng wird mit dem Christoph Leitl

Alles neu macht der Mai (1. Mai, anno 2006)

Servus, Alfred, ich bin’s, Fritz ...
Wer? Das ist doch wohl ein Witz!
Du traust dich, mich anzusprechen?
Das Genick sollt’ ich dir brechen
Nach Haftung, Refco und Karibik
Die G’werkschaft is’ nur noch beliebig!
Wie soll ich die Wahlen g’winnen
Wenn bei euch die Würmer drinnen?

Glaub es mir, roter Genosse:
Schuld dran sind die BAWAG-Bosse!
Ich versteh’ nix von Geschäften
Doch es tät’ mich sehr entkräften
Müsst’ ich raus aus meiner Wohnung
Krieg’ ich weiter Mietpreisschonung ... ?

Als Pensionist im Penthouse aalen?
Darüber red’ ma nach den Wahlen!

 

Was Christian Kern (nie) war

Ein Manager, von Zweifeln frei
Kam als Retter einst herbei
Die Partei rief: "Du bist fesch!
Und ab sofort Regierungschef!"

Was er vorher nicht alles war!
Verbund und ÖBB sogar
Führte er in schwarze Zahlen
Damit ließ sich ganz schön prahlen

Seine Kleidung passgenau
Sein Gang ufrecht, sein Blick schlau
Ein echter Staatsmann für ein Land
Das sich tief beeindruckt fand

Als kurz darauf ein junger Spund
Seinen türkisen Plan tat kund
Fühlte er sich gut geeicht
Dich grünes Bubi schnupf' ich leicht!

Er präsentierte den Plan A
Wie ein Hollywood-Filmstar
Doch Lesen ist für viele Qual
Sehr wohl verstehen sie: "Neuwahl!"

Er nahm den Fehdehandschuh an
Doch dachte nicht im Traum daran
Dass nur, wer führt, entkommt dem Scheine
Ich bin doch Chef, und nicht der Kleine!

Beraten ließ er sich von Leuten
Die ihn zum Pizza fahren scheuchten
Einer saß recht bald im Knast
Trotzdem hat er es nicht erfasst

Und eines Abends, ach du Schreck!
Sein Sonnenplatz war plötzlich weg!
Der Schock darüber saß sehr tief
Sind das die Geister, die ich rief?

Zweiter nur? Das kann doch nicht
Die Wahrheit sein!
, stand im Gesicht
Was für ein Wort - Opposition!
Da ernte ich nur Spott und Hohn!

Er hat es eine Zeit probiert
Damit sein Unglück prolongiert
Doch jetzt ist endlich damit Schluss
Im Business komm' ich neu in Schuss!

Heute zahlt ihn Putins Bahn
Und auch in China schafft Kern an
War Österreich ein Schuss ins Knie?
Nein – Bundeskanzler war er nie ...

Erkenntnis des Tages: Eine starke Sozialdemokratie wäre wichtig für Österreich und ganz Europa. Leider haben sich die Forderungen und Ansprüche der Parteien und der mit ihr verbundenen Organisationen immer weiter von der Lebensrealität der Menschen entfernt. In Kombination mit unglücklichen Personalentscheidungen (das gilt vor allem für Deutschland und Österreich) sowie anderen Fehlern waren die Wahlniederlagen beinahe logische Folgen. Aber Werte bestehen weiter – die Coronakrise kann eine Chance sein, sie mit der Partei und den dafür einstehenden Persönlichkeiten ins 21. Jahrhundert und so den Menschen nahe zu bringen.

Zitat des Tages: „Die Ideologie der Neoliberalen und Konservativen wurde durch die Corona-Krise in die Mottenkiste befördert.“ (SPÖ-Vorsitzende Dr. Pamela Rendi-Wagner heute bei ihrer Rede zum Tag der Arbeit in Wien. Wo sich die Ideologie ihrer eigenen Partei derzeit aufhält, sagte sie leider nicht.)

Song des Tages: Freindschoft (Als Parteigruß klingt das Wort in meinen Ohren bisweilen unpassend und falsch. Die Wiener Band Edmund  singt davon, was Freundschaft sein kann – im besten Sinne!) https://www.youtube.com/watch?v=xd0uIDdrAWE

Feder

 

Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

 

Postfahrrad

 

29. April 2020: Gegen wen Señora Corona keine Chance hat

Jo hallo, hier ist der Kernölbotschafter. Der HG ist nicht da – er weilt schon wieder bei zwei Auswärtsterminen in Studenzen, dieses Dorf scheint es ihm aus irgendeinem Grund angetan zu haben –, also hat er mich dazu verdonnert, die Redaktion zu hüten. Der Weg von meiner Wohnung ist ja nicht weit, und weil die Luft nach dem Regen so schön frisch ist, habe ich mich an den Spruch des Turnvaters Jahn erinnert und beschlossen, frisch, frei, fröhlich, fromm herzuspazieren.

Kennen Sie die alte Bauernregel Je fröhlicher du selber bist, umso mehr zwiderne Leut’ du triffst? Es war unglaublich! Kaum jemand auf der Straße, dem die Mundwinkel nicht auf der Kniescheibe hingen. Okay, das Wetter in der Früh war nicht erste Sahne, aber gerade den Wassernachschub von oben brauchen wir eh so dringend, der ist auch ein Grund zur Freude. Keine Spur davon – nach dem heutigen Tag glaube ich sowieso, dieses Vokabel kommt im Wortschatz der meisten Leute gar nicht vor. Und denen vorzubeten, wie gut sie es in Wirklichkeit haben, dass es anderen viel schlechter geht und sie das auch checken, wenn sie nur zwei Sekunden in die Zeitung schauen, ist verlorene Mühe; von Liebe spreche ich da erst gar nicht.

Nein, Freunde, der alte KB weiß etwas viel Besseres: Wir lassen die Suderanten, Trübsalbläser und Dunkelgrauschwarzmaler genau so links liegen wie die neuerdings komisch links anmutenden Ideen des Herbert Kickl. Sein Gieskannentausender für alle (wohin sind bloß die kleinen Leute der FPÖ verschwunden?) macht gleich wenig Sinn, wie der AUA (endlich stimmt der Name!) ohne Gegenleistung fast 800 Mille in die kalten Kerosintanks zu blasen.

Was aber sehr wohl Sinn macht: Sich daran zu erinnern, dass es auch andere Menschen gibt. Menschen, die weitermachen und sich nicht unterkriegen lassen. Die trotz Señora Corona derart fröhlich und aufgeräumt durchs Leben rauschen, als hätte ihnen Bill Gates persönlich bei der Geburt ein unzerstörbares positives Betriebssystem eingebaut. Sie denken, ich fantasiere? Weit gefehlt – diese Erdlinge gibt es. Deshalb stelle ich Ihnen zwei davon vor.

Gelbschwarz wie die Biene Maja (jetzt nur nicht an Karel Gott denken!), nur größer und dank Elektrolieferfahrrad auch viel schneller – das ist Conny, die täglich dem HG seine Firmenpost bringt. Er schwärmt in höchsten Tönen von ihr, und nachdem ich sie kürzlich selbst kennenlernte, muss ich zugeben: Er hat recht. Schlechte Laune scheint dieses quirlige Springinkerl nicht zu kennen. Mit einem kernigen „Geht’s euch gut?“ erscheint Conny in der Redaktion, schäkert ein bisschen mit unserer Sekretärin (HG darf sie nicht so nennen, aber ich schon; weil sie mich lieber mag, ätsch!) und zischt schon wieder weiter, um dem nächsten Postempfänger einen kräftigen Energieschub zu verpassen. Menschen von Connys Typ sind viel zu selten. Sie sorgen dafür, dass der Luftdruck steigt, die Sonne aufgeht und so richtig Leben in die Bude kommt. Ihre Fröhlichkeit verbreitet sich in jeder Ecke, und man lächelt weiter, wenn sie schon lange fort sind. In solchen Momenten fragen wir uns, warum sich die Suderanten oft viel tiefer in unsere Festplatten brennen als Leute wie Conny. Das läuft falsch, und wenn die spanische Bierverkäuferin irgendwas Gutes hat, dann gibt sie uns Anlass, diese dämliche Programmierung zu ändern.

Von seinem Physiotherapeuten Markus hat der HG schon kurz erzählt. Irgendwie wundert es mich selber, dass er heute hier auftaucht, denn dem Temperament nach ist er so ziemlich das Gegenteil von Conny. Absolut ruhig und zurückhaltend, aber wer ihn länger kennt, erkennt das stille Wasser in dem kleinen, drahtigen Kerl. (Irgendwie geht das Sprichwort anders, aber Sie wissen schon, was ich meine.) Apropos klein und drahtig: Markus schaut nicht unbedingt danach aus, aber der hat einen Griff, kann ich Ihnen sagen! Einmal hatte der HG keine Zeit für (oder keine Lust auf) die Therapie, da hat er mich geschickt. Diese halbe Stunde Dehnen wird schon nicht so schlimm sein, habe ich mir gedacht, aber danach sangen meine Oberschenkelsehnen das Hohe C sauberer als  eine Königin der Nacht es je geschafft hat – und einige von denen waren echt gut! Markus lächelt dazu, erzählt Geschichten von seinen Kindern, schaut kein bisschen angestrengt drein. Er findet immer Lösungen für HGs Wehwehchen und jammert auch während der Krise nicht, obwohl er viel weniger Arbeit hat. „Was soll’s, es geht immer weiter“, lautet sein Wahlspruch, und schon packt er bei der nächsten Übung zu.

Mehr Markusse, mehr Connys – das würde mehr Lachen und mehr Zupacken bedeuten. Und am Wichtigsten: endlich Schluss mit dem Gesudere in unserem Land, das bei genauem Hinschauen gerade jetzt noch immer eine Insel der Seligen ist. Gegen diese Überzeugung hätte Señora Corona nicht den geringsten Hauch einer Chance. Aber solange der Ö3-Wecker es nicht sagt und die KronenZeitung es nicht schreibt, glauben es die gelernten ÖsterreicherInnen nicht und verstecken sich lieber in ihrer winzigen, dunkelgrauschwarzen Hätti-Wari-Täti-Welt.

Da fällt mir noch was ein – und ich muss es gleich mit einem Geständnis verbinden: Meine Fans wissen, dass ich gerne über den Radiosender lästere, der sich selbst Hitradio schimpft. Oft tue ich das angesichts der zumeist gespielten Musik mit voller Berechtigung. Zum Beispiel dreht sich seit dem groß beworbenen, rotweißroten Musikwochenende in meinem Kopf ein schräger Ohrwurm, kombiniert aus Motorboot und Der Märchenprinz. Der irre Satz In diesem Disco-Bunker bin ich der Märchenprinz, und ruadan tua i nua zua Not rennt seither in Heavy Rotation durch mein inneres Gehör. Meine Sticheleien sind also viel eher Selbstschutz als Boshaftigkeit.

Heute lief aber, als ich wieder einmal auf dem Weg zu einer Tour de BILLA war, ein neuer Song – so gut, dass ich sofort beim Sender um den Titel angerufen habe. Meine eigene Nummer muss ich nachschauen, aber die von Ö3 habe ich im Kopf; brauchen Sie noch mehr Beweise, wie sehr wir von den Medien gebrainwashed werden??? Na jedenfalls, eine nette Dame nannte mir den Titel und die Band. Nach dem Einkaufen wusste ich nur noch, dass in einem von beiden ein Gebirge vorkam; seither suche ich im weltweiten Netz danach.

Mein Gehirn gleicht manchmal einem Nudelsieb. Das macht aber nichts, weil es mir die gute Laune nicht verdirbt. Ich bin wie Conny und Markus – es gibt immer einen Grund zum Lachen und immer eine Lösung. Wenn ich den Song nicht finde, höre ich halt Karel Gott.

Erkenntnis des Tages: „Sag mir, wer deine fünf besten Freunde sind, und ich sage dir, wer du bist.“ Achten Sie sehr genau auf Ihr persönliches Umfeld. Es entscheidet darüber, wie viel Energie Sie haben, ob Sie persönliche Ziele erreichen können, und wie gut Sie schwierige Situationen meistern. Energieräuber kann man nicht immer vermeiden, wohl aber die Zeit mit ihnen verkürzen.

Zitat des Tages: „Heute hab ’ich mich ärgern müssen. Aber wenn ich es rausgelassen habe, ist alles wieder gut. Ihr kennt mich eh schon!“ (Jeder Besuch von Conny in unserem Büro hat mit einem Lächeln geendet. Und ich betone: jeder.)

Song des Tages: Hat der Kernölbotschafter den Ö3-Song doch noch gefunden? Was meinen die Leserinnen und Leser des Tagebuchs? Ob Sie recht haben oder nicht, verrät Ihnen gleich der Link: https://www.youtube.com/watch?v=o-mCm7V7Jxo

Feder

 

Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

 

Mr.Chen

 

28. April 2020: Ansichten zu Señora Corona aus dem Reich der Mitte

Interview mit Johnny Chen, in Feldbach lebender Austro-Chinese, geführt am 28.4.

Hallo Johnny. Bitte stell dich selbst vor.

Ich bin 45, von Beruf Gastronom und führe ein Lokal in Feldbach.

Wie hast du auf die Corona-Krise reagiert?

Ich bin zuhause geblieben, wie es die Regierung vorgeschrieben hat.

Du bist in China geboren und mit 12 Jahren nach Österreich gekommen. Was war dein erster Gedanke, als du erfahren hast, es wird schlimm?

Mein erster Gedanke war, dass es meiner Familie und meinen Freunden gut geht, und dass sie sich nicht anstecken, dass niemand stirbt.

Dein Restaurant in Feldbach ist noch zugesperrt bis 4. Mai. Wann hast du es geschlossen?

Am 14. März. Ich habe gesehen, dass die Infektionszahlen rasch steigen. Anfang der Woche gab es damals 108 bestätigte Infektionen, vier Tage später schon über 460. Da habe ich entschieden: Bevor ich meine Familie und meine Kunden in Gefahr bringe, sperre ich zu – noch bevor die Regierung es angeordnet hat.

Du hast neben Feldbach auch einen Wohnsitz in einem Dorf in Niederösterreich.

In einer kleinen Stadt mit 1800 Einwohnern.

Ist das Leben dort anders als früher seit Corona?

Es ist ruhiger, weil sich alle an die Vorgaben halten.

Also gibt es nur wenige Infektionen?

Es gibt gar keine!

Glaubst du, dass die Menschen dort Angst haben?

Sie haben Respekt. Das ist der Menschenverstand. Die Leute wissen, dass sie sich anstecken und ihre Familien gefährden können. Und deshalb halten sie sich im gesamten öffentlichen Bereich an die vorgeschriebenen Regeln.

Du stammst aus China und bekommst Informationen aus erster Quelle. Jetzt muss ich dich natürlich fragen: Stimmt die Theorie, wie das Virus entstanden ist? Auf diesem Markt in Wuhan?

Nein, die stimmt nicht.

Was stimmt dann?

Die Theorie ist noch nicht von der ganzen Welt anerkannt, aber es gibt dieses Chemiewaffen-Labor  in Wuhan, an dem auch Bill Gates und Barack Obama beteiligt sind. Ein Mitarbeiter hat sich angesteckt und das Virus dann verbreitet.

Du glaubst du an diese Theorie?

An der Theorie mit den Fledermäusen kann schon auch was dran sein, aber nicht für so viele Leute. In Wuhan leben 12 Millionen, es müssten über eine Millionen davon Fledermäuse essen, und das stimmt ja nicht. Fledermäuse sind kein alltägliches Lebensmittel. Die werden für Voodoo oder anderen Zauber verwendet.

Also reicht die Fledermaustheorie für eine Massenverbreitung nicht aus?

Nein. Auch für die Übertragung von einem anderen Tier passt das nicht.

Aber es war keine absichtliche Verbreitung?

Nein. Eine Ansteckung innerhalb des Labors, die dann nach draußen gelangt ist.

Darf man das in China laut sagen?

Doch, doch. Das ist eine der verschiedenen Theorien, die untersucht werden. Angeblich kam das Virus aus einem Labor in den USA zur Untersuchung nach China, und dort …-

Also sind die Amerikaner schuld?

Schau: In den USA gab es im Herbst eine starke Grippewelle mit vielen Infizierten. (Siehe dazu https://www.pharmazeutische-zeitung.de/grippewelle-in-den-usa-hat-frueh-begonnen/). Kranke wurden nicht auf das Corona-Virus getestet. Es könnte sein, dass schon Corona-Viren dabei waren. Das weiß man aber nicht.

Ist es derzeit gefährlich, nach China zu reisen?

Nein. Was Corona betrifft, ist es das sicherste Land der Welt. Die Behörden haben es sehr gut unter Kontrolle. Nur in China kannst du ganze Städte abriegeln. Das geht nirgends sonst auf der Welt. In Harbin, wo meine Frau herstammt, haben sie die Beschränkungen gelockert, und jetzt haben sie neue Infektionen durch aus dem Ausland zurückkehrende Chinesen.

Wie wird es langfristig mit dem Virus weitergeben? Wird er verschwinden oder wird er bleiben, was glaubst du?

Der Virus wird für immer bleiben, und er wird jährlich wie die Grippe auftreten. Wir hoffen alle, dass es bis zum nächsten Mal einen Impfstoff gibt, aber dieser Virus wird bleiben.

Würdest du dich impfen lassen, wenn es einen Impfstoff gibt?

Nein.

Warum nicht?

Auch bei der Grippe hilft der Impfstoff nur für einen Stamm, aber es wird immer mutierte Viren geben. Eine Impfung könnte auch den Körper schädigen.

Deine Familie gefährdest du nicht, wenn du dich nicht impfen lässt?

Der Punkt ist: Wenn du einmal diese Krankheit gehabt hast, dann bist du immun.

Dann bist du länger immun?

Für immer. Deshalb ist es viel wichtiger, Medikamente für die Behandlung zu haben, wenn man sich ansteckt. Damit zum Beispiel der Verlauf der Krankheit nicht so schlimm ist.

Wir haben früher die USA angesprochen, und wie Präsident Donald Trump mit der Pandemie umgeht. Glaubst du, dass er wiedergewählt wird?

Nein, er wird sicher nicht wiedergewählt. Er hat in seiner Regierungszeit so viel wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Das Volk tut mir echt leid. Die armen Leute haben nicht einmal medizinische Versorgung, weil sie sich die Behandlung beim Arzt nicht leisten können. Deshalb ist die Todesrate auch so hoch. Nein, Trump wird nicht wiedergewählt.

Was willst du als Erstes machen, wenn die Krise vorbei ist und alles wieder erlaubt sein wird?

Ich werde mit der Familie ans Meer fahren und Urlaub machen, wenn ich wieder alle Freiheiten genießen kann, überall hingehen und Kontakte haben darf. Das hat mir sehr gefehlt: Mit Freunden auf ein Bier gehen. Ich hole mir meinen Alltag zurück.

Glaubst du, dass aus der Krise allgemein etwas Positives entstehen wird?

Die Natur wird sich erholen, das ist schön! Die Natur kämpft sich immer zurück. Durch weniger Flieger haben wir jetzt eine bessere Luft.

Die Menschen werden sich nicht ändern?

Nein, die Menschen werden die gleichen Dinge machen wie vor der Krise.

Ich danke dir für das Gespräch.

Erkenntnis des Tages: Es ist wichtig, verschiedene Meinungen zu einem Thema einzuholen. Eine Unterhaltung mit Leuten, die viel herumkommen, bringt mehr als die immer gleiche Internetseite.

 Zitat des Tages: „Mr. Chen sperrt am 4. Mai wieder auf.“ – „Schade, ich hätte so gerne eine Suppe gehabt!“ (Mein Dialog mit einem Mann, nachdem dieser an der Tür zum Lokal gerüttelt hatte.)

 Song des Tages: A Love Before Time (Aus China kommen nicht nur feine Speisen, auch sehr märchenhaft anmutende Filme über fernöstliche Kampfkunst. Einer der schönsten ist „Tiger And Dragon“, Gewinner von vier Oscars. Hier singt CoCo Lee das Titellied.)
https://www.youtube.com/watch?v=uWJsEUhpqkA

Feder

 

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