Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

20. Mai 2020: Blödeln mit dem KB

Jo hallo, hier ist der Kernölbotschafter. Also wie der HG gestern in die Zukunft nach Señora Corona geschaut hat, war schon aller Ehren wert. Da kann sich Matthias Horx für sein nächstes Buch ganz schön was einfallen lassen, um dieser glasklaren, zwischen wunderbar wertvoll und waschweibertratschend wertlos changierenden Analyse auch nur irgendwie das Kernöl zu reichen. Der profunde Schöngeist HG hat wieder einmal gezeigt, was er draufhat.

Aber auch um die Leute, die von der spanischen Bierverkäuferin langsam die Nase voll haben, muss sich jemand kümmern. Sonst gehen die alle irgendwann bei Anti-Corona-Demos mit, umringt von Alt- und Neu-Nazis, übriggebliebenen Hippies und Verschwörungstheoretikern, die sowieso an allen Ecken und Enden aus dem Boden wachsen. Also habe ich im WWW nach Meldungen gesucht, die offensichtlich nur zur Ablenkung von Corona verbreitet werden.

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19. Mai 2020: Was sich ändern könnte - und was nicht

 Immer wieder taucht bei allen Corona-Gesprächen die Frage auf, wie sich die Gesellschaft, die Wirtschaft und überhaupt eh alles durch die Krise verändern werden. Meine vorsichtige erste Schätzung nach über zwei Monaten Leben in der neuen Realität: Viele Dinge werden sich ändern. Und die meisten Menschen werden gleich bleiben. Als Beispiel für diese vielleicht gewagte These möge eine kleine Episode aus meinem Erwerbsleben dienen.

Kürzlich habe ich ein neues Projekt gestartet, das dem Trend zu mehr Regionalität folgt. Die weit herumgekommene Señora Corona hat vielen Leuten eine bedeutende Tatsache vor Augen geführt: Immer mehr Menschen reisen nicht nur um die ganze Welt;  dabei haben sie auch alle bekannten und unbekannten Viren, Bakterien und sonstige ungustiösen blinden Passagiere im Gepäck. Wer weiß denn, ob diese mikroskopisch kleinen Wesen, die samt und sonders zur Achse des Bösen gehören (das behauptet zumindest ein stabiles Genie namens Donald Trump, seines Zeichens Präsident der Uneinigen Staaten von Amerika), nicht im ebenfalls von einem Kontinent zum anderen springenden Obst und Gemüse mitfahren? Die sehr reale Angst hinter dieser These treibt viele Menschen in die Hofläden und Bauernstadl der Direktvermarkter unserer Gegend.

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18. Mai 2020: Brief an die Herzlichkeit

Ich danke Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, für die Reaktionen zu meinem gestrigen inneren Monolog über den traurigen Gottesdienstbesuch. Es besteht indes keinerlei Grund zur Sorge, ich könnte in eine Depression fallen oder einen anderen psycho-hygienischen Schaden nehmen. Weil ich meine Zeit gegenwärtig zu verbringen trachte, fahren mir Erlebnisse wie die Messe in Feldbach manchmal tiefer ein als anderen Menschen. Genau aus dem gleichen Grund kehre ich aber auch schnell wieder an die Oberfläche des Lichts und der Freude zurück. Gestern reichte dafür ein feiner Illy-Cappuccino und das herzliche Lächeln von Lisa, die ihn mir serviert hat.

Um meinem schlechten Gewissen, Sie mit meinen Betrachtungen möglicherweise runtergezogen zu haben, entschieden entgegenzuwirken, erzähle ich Ihnen heute von zwei speziellen Begegnungen. Beiden ist große Herzlichkeit gemein, die wir alle in uns tragen. Leider meinen viele Menschen, nicht die Zeit, die Gelegenheit oder die Kraft zu besitzen, damit sie sichtbar wird. Diesen Genossen und Genossinnen (manchmal darf man auch den Herren den Vortritt lassen, und sei es nur um des Zeilenumbruchs willen) meiner Art verrate ich jetzt ein Geheimnis: Sie müssen gar nichts besitzen. Augen auf, Herz auf, und die Herzlichkeit bahnt sich ganz von selbst ihren Weg von unseren Seelen hinaus in die Welt, ins Leben.

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17. Mai 2020: Bedrückende Stunde

Die erste Sonntagsmesse in der Feldbacher Pfarrkirche seit zwei Monaten. Die Vorgaben für den Besuch wurden – hier ist Platz für ein ganz schlechtes Wortspiel – in allen Medien hinauf- und hinuntergebetet: Mund-Nasen-Schutz, Abstand in den Bänken, kein Weihwasser beim Eingang, kein Friedensgruß per Handschlag. Wird schon nicht so schlimm werden, alles Gewohnheitssache, dachte ich frohen Mutes und machte mich, weil ich seit Señora Coronas Anwesenheit an seniler Bettflucht leide, direkt vom Büro auf dem Weg zur Frühmesse um halb neun – bei strömendem, hoch willkommenem Regen.

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16. Mai 2020: „Hauptsoch’ Kaffeehaus!“

(Ort: Das Café Pace am Hauptplatz zu Fehring in der Südoststeiermark)

(Ein Mann Ende 40 – das Alter sieht man ihm überhaupt nicht an – betritt das Kaffeehaus, das um 9 Uhr noch spärlich besucht ist. Er setzt sich zu einem schon anwesenden Gast, der soeben einen mit Milchschaum beladenen Keks in den Mund steckt und beim Kauen genießerisch die Augen schließt. Dann löffelt er den übrigen Schaum aus der Tasse und seufzt zufrieden.)

Hey, KB! Es überrascht mich kaum, dass du mit dem Bestellen nicht auf mich wartest. Wie ich sehe, mundet dir der Cappuccino.

Das tut er außerordentlich, mein lieber HG. Mich meinerseits wundert es nicht, dass du wieder einmal zu spät dran bist.

Wie kommst du drauf? Ich war Punkt 9 da.

„Fünf Minuten vor der Zeit ist die wahre Pünktlichkeit!“

Untersteh’ dich, mir die Weisheiten meiner Mutter um die Ohren zu hauen! Das hat sie zur Genüge getan, als ich klein war. Willst du ihren Lieblingsspruch hören, mit dem sie mich immer aufgeweckt hat, wenn in der Nacht Schnee gefallen ist?

Im Mai verzichte ich darauf, danke ergebenst. Willst du nicht endlich bestellen?

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15. Mai 2020: Zwischen tiefer Angst und großer Hoffnung

Chat-Interview mit Ursula, Bozen, Italien, geführt am 15.5.

Hallo Ursula! Wie geht es dir?

Hallo Hannes, danke, gut!

Erzähl bitte kurz, wo du lebst, und was du beruflich machst.

Ich lebe seit meiner Geburt, also seit 55 Jahren, in Südtirol. Ich bin in der Immobilienbranche tätig, d. h. ich verwalte Immobilien aller Arten: Büros, Geschäfte und Wohnungen. Und zwar sowohl in buchhalterischen als auch in juridischen Belangen.

Deine Heimat ist also Italien, jenes Land, das als erstes und am schwersten in Europa von der Corona-Krise betroffen war. Was löst der Gedanke an die Pandemie in dir aus?

Also erstmal das Gefühl von Unwirklichkeit. Wenn ich mir die Menschen in meiner Stadt heute zum Beispiel ansehe, an einem Samstag Morgen; die vielleicht einen Aperitif trinken, aber dann wieder die Mundmasken überziehen; die versuchen, wieder in das gewohnte und normale Leben zurückzukehren; mit der Gewissheit, dass es aber nicht mehr so sein wird wie "davor".

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14. Mai 2020: "Herr lehrer! Bitte, der Basti hat was ang'stellt!"

Morgen öffnet also die Gastronomie landesweit ihre Pforten. Besorgte Bürgerinnen und Bürger, für die der Untergang unserer österreichischen Kaffee- und Wirtshauskultur bereits beschlossene Sache war, werden ihre Lieblingsbeisl genauso stürmen wie Leute, deren Einstellung von „wird schon wieder“ bis „passt eh“ reichte. Gemeinsam werden sie alle ihrer liebsten Nebenbeschäftigung frönen: dem geselligen Seidl, dem genüsslich geschlürften Cappuccino, dem mit abgespreiztem kleinen Finger elegant gehaltenen Aperol-Spritzer, dem allerletzten Fluchtachterl. Eine Nation, in der beinahe jeder und jede regelmäßig irgendwo zu Gast ist, wird kollektiv aufatmen.

Dieser wichtige Schritt in die Normalität birgt aber auch Gefahren. Ich fürchte weniger eine zweite Welle von Erkrankungen und Infektionen, weil die Gastronomen wie Haftelmacher auf die Einhaltung der Regeln achten werden. Für viele hängt das wirtschaftliche (Über-)Leben davon ab, dass morgen nicht nur geöffnet wird, sondern ihre Stätten der öffentlichen Zusammenkunft auch offen bleiben. Wer die Vorgaben nachlässig handhabt, der könnte recht bald einem weiteren rotweißroten Lieblingssport zum Opfer fallen: dem gegenseitigen Vernadern.

Wie so etwas geht, war nach dem Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz im Kleinwalsertal zu beobachten. Eine gedankenlose Nachlässigkeit wurde mit geifernder, oppositionellerer Erregung derart aufgeblasen, dass selbst ein um Neutralität bemühter Zuschauer den Eindruck gewinnen musste, die Parteizentralen von NEOS, SPÖ und FPÖ hätten sich samt und sonders in erste Volksschulklassen nach der großen Pause verwandelt.

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13. Mai 2020: Auf einen Tee mit dem KB

Jo hallo, hier ist der Kernölbotschafter. Haben Sie mich vermisst? Ich mich auch. Ich meine, hier im Tagebuch habe ich mich vermisst. Aber es war schlicht und einfach Zeit für eine Auszeit. Hat mich der HG würdig vertreten? Ich fürchte, er stand auf jeder einzelnen Seite fest auf der Spaßbremse, dieser Schöngeist. Wobei ich zugeben muss, ganz so schlecht waren seine Beiträge ja nicht. Meinen konnten sie zwar eindeutig nicht das Kernöl reichen, aber im Rahmen seiner bescheidenen literarischen Möglichkeiten hat er so ziemlich das Beste rausgeholt.

In Kognito war es wirklich schön, danke der Nachfrage. Ich verrate Ihnen auch heute nicht, wo das genau liegt (wer ist schon wild darauf, von zahllosen feschen Mädels gestalkt zu werden?), kann aber so viel sagen: Einen illegalen Grenzübertritt musste ich für die Fahrt dorthin nicht riskieren. Ich habe viel geschlafen, gelesen und lange Wanderungen gemacht. Am Abend habe ich im Internet nach Verschwörungstheorien über die spanische Bierverkäuferin gesucht – das bringt mich noch mehr zum Lachen als Brust oder Keule, mein Lieblingsfilm mit Louis de Funes.

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12. Mai 2020: Señora Corona im Spiegel

Noch drei Tage. In Cafés werden Tische geputzt, Sitzpläne erstellt, Abstände gemessen. Das Leben außerhalb unseres privaten Bereichs erwacht langsam wieder aus dem Corona-Schlaf, der für viele mehr Stress, für andere bislang unbekannte Ängste, für wieder andere über das gewohnte Maß frei verfügbare Zeit gebracht hat. Ein Großteil der Menschen steht nun vor der Tür, die ihre Rückkehr in das alte, bekannte, gewohnte Leben bedeutet. Vielleicht mit Maske in der Öffentlichkeit, aber in den Herzen bebt die Hoffnung, dies möge die einzige gravierende Veränderung zu früher sein.

Halten wir vor dieser Tür ein paar Minuten inne. Nicht um das Vergangene zu überdenken; und schon gar nicht, was davon richtig und was falsch gelaufen ist. Jene immense Herausforderung, die wir in unserem Land gut gemeistert haben, bleibt bestehen – und keiner weiß, wie lange.

Richten wir stattdessen unseren Blick in die Zukunft, genauer, in die Zukunft unseres kleinen, im Weltzusammenhang vollkommen unbedeutenden Seins. Der vom Schicksal erzwungene Stillstand gibt uns die vielleicht einmalige Gelegenheit, über zwei Fragen nachzudenken, die für die Richtung dieses Lebens nach Durchschreiten der Tür von entscheidender Bedeutung sein können. Wer bin ich? Und was will ich?

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Die Grazer Band "Coinflip Cutie" bei ihrem Konzert im TOP-Zentrum Feldbach

11. Mai 2020: Musik ist (II)

Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle erzählt, wie ich den Grazer  Pianisten und Freund Oliver Majstorovic kennenlernen durfte. Irgendwie scheint mir, dass künstlerische Seelen einander anziehen wie Magneten – gut ein Jahr ist es her, dass mir etwas Ähnliches wieder passierte. Und doch war es ganz anders.

Das Familienunternehmen, von meinem Vater aufgebaut und mir vor vier Jahren vertrauensvoll überlassen, stand vor seinem 30jährigen Jubiläum. Zu anderen runden Geburtstagen hatte es keine Feier gegeben, sohin planten wir diesmal ein großes Fest. Selbstredend sollte dabei eine Band für den passenden Sound sorgen.

Unglücklicherweise bin ich ein komplettes Nackerpatzerl (das Wort borge ich mir ganz frech vom KB aus!), was das Organisieren von Kulturevents betrifft – mit einer Ausnahme: Wenn ich selbst das Event bin, ziehe ich alle Register. Aber die Bedürfnisse, Kosten, Erwartungen anderer Künstlerinnen und Künstler waren mir bislang völlig fremd. Ich ging die Sache ähnlich an wie jedes Projekt, von dem ich überzeugt bin: mit Fragen, Zuhören und wieder Fragen.

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Salzburg

10. Mai 2020: Ein perfekter Tag

Wie sieht Ihr perfekter Sonntag aus? Gibt es diesen in Zeiten von Señora Corona überhaupt? Welches Bild steht vor Ihren Augen, wenn Sie von einem solchen Tag träumen? Wandern Ihre Gedanken in die Zukunft der in die Vergangenheit?

Ich bin dankbar, schon viele perfekte Sonntage erlebt zu haben. Und voller Hoffnung, dass eine große Zahl davon noch vor mir liegt.

Als ich den Herrgott allein ließ

Ein Sonntag im August, 9 Uhr morgens. Bei strahlendem Sonnenschein betrete ich einen der schönsten Orte Salzburgs, darauf vertrauend, dass mir mein Glück so hold ist wie das herrliche Wetter. Ja, er wartet auf mich: ein Tisch auf dem Balkon des Café Tomaselli; erste Reihe fußfrei, sprichwörtlich.

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