Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

 

23. Mai 2020: Männer, die auf Regale starren (II)

 Sie erinnern sich an mein eher planloses Herumirren in diversen Supermärkten, auf der Suche nach Germ, Weißkraut und Co.? Ich denke noch heute mit Schrecken daran; besonders meine letzte Tour de MERKUR glich einer Saharadurchquerung – mit dem Unterschied, dass ein Wüstenforscher nichts am Anfang vergessen hätte, was er am Ende braucht. Ich aber schlurfte zweimal durch den kompletten Laden und retour, zuerst wegen einer schnöden Packung Zwieback aus Slowenien, was mich schon nervte. Warum gibt es im Feldbacher MERKUR-Markt, dieser riesigen Hütte, keinen Feldbacher Zwieback? Die zweite Strafrunde drehte ich für eine Flasche Fruchtsirup, die offensichtlich einzig und allein für mich auf Vorrat gehalten wird, gemessen am hintersten Eck ganz oben im Regal, wo ich sie schließlich doch noch fand.

Mittlerweile hat meine Mutter den Einkauf wieder selbst in die Hand genommen. Ich bin nur noch dabei, wenn ich als Chauffeur gebraucht werde, hin und wieder auch als Wagerlschieber. Dann darf ich eine Packung Milch holen – weil diese zu den wenigen Gütern des täglichen Bedarfs gehört, die ich fast sicher anfinde.

Sohin machte sich in mir große Erleichterung breit; meine Streifzüge durch überdimensionierte Konsumtempel würden – zumindest für die aktuelle Pandemie – der Vergangenheit angehören. Was ich bis vor wenigen Tagen nicht ahnte: Jenseits der Tour den MERKUR gibt’s noch eine Steigerungsstufe. Genauer gesagt, es sind deren drei. 1. Für eine Person außerhalb des eigenen Haushalts einkaufen gehen. 2. Für eine Person außerhalb des eigenen Haushalts, die besondere Wünsche hat, einkaufen gehen. 3. Für eine Person außerhalb des eigenen Haushalts, die besondere Wünsche hat und überdies auch noch vegan lebt, einkaufen gehen.

Meine Mutter verfiel auf die gloriose Idee, für ihren Enkel Jakob, der in diesem Periodikum schon mehrmals zu Gast war, einmal zwecks zeitlicher und vor allem pekuniärer („der arme Student!“) Unterstützung den Einkauf zu übernehmen. Für den nächsten Tag war ein Treffen vereinbart, also bat ich ihn – modern, wie ich nun einmal bin – um elektronische Übermittlung seiner Wunschliste. Was wenig später per WhatsApp eintrudelte, sorgte sowohl bei Mama als auch bei mir für teils erstauntes, teils ungläubiges Kopfschütteln. Alles beim BILLA erhältlich!, stand am Ende von Jakobs Botschaft, wohl um uns zu beruhigen und in Sicherheit zu wiegen. Beim Lesen seiner Bestellung hätte ich es bereits wissen müssen: Diese Sicherheit war trügerisch!

Die erste Etappe ging uns beiden anderntags noch leicht von der Hand. Jede denkbare Art von Obst und Gemüse landete im Einkaufswagen, inklusive einer Sellerieknolle und einer Avocado. (Witzeinschub Jürgen von der Lippe: „Wenn ich meine Gäste ärgern will, mache ich eine Schüssel Wasabi-Paste und biete sie als Avocadocreme zum Dippen an.“) Nur bei den Süßkartoffeln mussten wir passen, die gab es nicht – wobei ich seither weiß, dass dieses Gewächs nichts mit der Kartoffel aus der Chipspackung gemein hat. Für den primitiven Fleischfresser setzt der Lerneffekt durch veganen Einkauf schon wenige Meter hinter der elektrischen Schiebetür ein!

Beim nächsten Punkt auf der Liste, die Mama fein säuberlich von meinem Tablet-PC abgeschrieben hatte, wurde es schon bedeutend kniffliger.

„Wo finden wir jetzt Mandelmilch und Humus?“, fragte sie und schaute sich suchend um. Wenig überraschend, war ich keine große Hilfe zur Lokalisierung. Mandelmilch kannte ich irgendwie vom Hörensagen, aber Humus war doch den Pflanzen beim Wachsen behilflich, oder? Von einer Pflanze dieses Namens war noch nichts in meiner zentralen Datenverarbeitung (vulgo Gehirn) vermerkt.

Wir wanderten die gesamte Länge der Milchprodukte nach vor, dann wieder zurück. Milch fand sich in jeder Verpackungsform und Größe, zwischen 0% und 101% Fett (an die schlauen Rechner und -innen: Das eine Prozent wandert beim Kauf direkt auf die Hüften!), auch lactosefrei, kuhfrei oder geschmacksfrei – aber nirgendwo gab es Mandelmilch. Und schon gar keinen Humus.

Bevor unsere zweimal doppelte Verzweiflung (zwei Leute suchen nach zwei Produkten) von anderen EinkäuferInnen bemerkt und damit peinlich wurde, ergriffen wir den allerletzten Strohhalm in Form einer BILLA-Mitarbeiterin, die wie ein Geschenk des Himmels den Regalgang entlang kam.

„Wo verstecken sich die Mandelmilch und der Humus?“, fragte ich die hilfsbereit lächelnde junge Dame betont locker, als würde ich die genannten Spezialitäten in jedem BILLA im Handumdrehen finden, nur in diesem blöderweise nicht. Coolness war das Gebot der Minute; planlose Hektik führt eher zu Mitleid als zu sinnvoller Aktion, auch beim Einkaufen.

„Mandelmilch ist da vorne“, antwortete der Engel im Firmenoutfit, war mit drei schnellen Schritten an der richtigen Stelle im Regal und überreichte uns sodann eine weiße Packung. „Wir haben eh nur eine Sorte da.“

Fehlt nur noch, dass sie „Ist gar nicht zu verfehlen!“ sagt – dann habe ich bis an mein Lebensende ein kombiniertes BILLA-MERKUR-Trauma!

„Dürften wir Sie auch noch um den Humus bitten?“, setzte meine Mutter – klug, wie sie ist – gleich nach, ehe uns diese Prototypin der Dienstbeflissenheit allzu früh wieder entschwand.

„Hummus meinen Sie. Auf der anderen Seite.“ Den Rechtschreibfehler hat sie gehört? Unglaublich!

Wieder rauschte die Dame wie auf Schienen das Kühlregal entlang, tat einen sicheren Griff und drückte mir eine kreisrunde Dose in die Hand. Diese sah aus wie das Behältnis für feinen Aufstrich von der Leberwurst, enthielt jedoch (eine rein veganische Vermutung meinerseits) etwas anderes.

„Was brauchen Sie sonst noch?“

„Wraps, wenn wie Sie noch einmal bemühen dürfen.“ Die Erleichterung über so viel Fünf-Sterne-Bedienung war meiner Mutter anzusehen – und wohl auch mir. Wir mussten für den Eindrehteig also doch nicht zum nächstgelegenen McDonald’s nach Weiz tingeln. Nach der letzten Übergabe bedankten wir uns herzlich beim Engel, der lächelnd davonrauschte. Die Schlussetappe, gefrorene Beeren, schafften wir selbstständig bei den gefrorenen Mehlspeisen, wobei uns das gleiche Adjektiv eine wesentliche Unterstützung war. Sohin hatten wir diese urschwere Sonderprüfung der Tour de BILLA namens Orientierungslauf Vegan de luxe erfolgreich absolviert!

Jakob freute sich angesichts des gefüllten Kühlschranks und lachte laut über unseren Tourbericht. Etwas irritierend fanden Mutter und ich jedoch seine Worte, als er die Sellerieknolle aus dem Gemüsefach zog und frage: „Was ist das?“

Erkenntnis des Tages: “Hummus ist eine orientalische Paste aus pürierten Kichererbsen, einigen Gewürzen und Tahini, ein Mus aus Sesam.“ Eh wie Leberwurstaufstrich – danke, gesundheit.de!

 Zitat des Tages: „Den Sellerie müssen Sie abwiegen, der ist nicht stückweise.“ (Auch der Engel an der Kasse rauschte für uns los. Dieses Missgeschick wird mir nie wieder passieren – weil ich nie wieder für Veganer (und auch nicht für -innen) einkaufen werde!)

Song des Tages: Bat Out Of Hell (Dieser Klassiker von Meat Loaf ist ein doppelter Insiderwitz, bezogen auf Señora Corona und auf Jakob. Wer von Ihnen entdeckt beide Pointen?)
https://www.youtube.com/watch?v=3QGMCSCFoKA

Feder

 

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