Satiren des Tages - März 2018

 

30. März 2018: Lachend lange leben

Bregenz beheimatet nicht nur eine der besten Physiotherapeutinnen, eine Reihe feiner Hotels und ein Seeufer, an dem es sich wunderbar träumend sitzen oder auch trainierend schwitzen lässt. In der Hauptstadt Vorarlbergs und im Ländle rundum erscheinen außerdem die Vorarlberger Nachrichten, die mir bei meinem letzten Aufenthalt vor ein paar Wochen eine sprichwörtlich lebenslange Erkenntnis schenkten.

Die VN sind eine durchaus den Erwartungen entsprechende Bundesländerzeitung mit einem großen Herz für die Heimat, ob es um die Schülerlandesliga-Ergebnisse der Turnerinnen geht oder um Bürgerproteste gegen eine Baubewilligung, wie wir sie auch aus allen anderen Ecken Österreichs kennen. Auf einigen Seiten unterscheiden sie sich jedoch grundlegend von vergleichbaren Blättern, etwa von der steirischen Kleinen Zeitung: Hier werden (aus Gründen, die wir innerhalb der Kernölbotschafter-Redaktion bisher nicht erforschen konnten) jeden Tag viel mehr Traueranzeigen abgedruckt als sonst wo.

Jetzt ist das per se noch keine Erkenntnis. Als ich jedoch zuletzt in Ermangelung anderen Lesestoffs genau diese Anzeigen genauer studierte, fiel mir bei jenen, die mit einem Bild des/der Verblichenen behübscht waren, eine erstaunliche Verbindung zwischen Gesichtsausdruck und Lebensdauer auf. Ob Sie dieser bahnbrechenden Theorie des Kernölbotschafters Glauben schenken oder nicht: Wer mit freundlichem Lächeln oder einer anderen Art Heiterkeit das schwarz umrandete Kastl veredelte, war zuvor meist deutlich länger auf der Erde gewandelt als jene bereits über den Styx Gegangenen, die selbst auf dem bestmöglichen Bild dreinschauen, als wäre der griechische Höllenhund Kerberos noch immer hinter ihnen her.

Die Moral liegt auf der Hand: Humorvoll lebt es sich nicht nur besser, sondern auch länger. Und irgendwie würde es mich selbst nach Abholung durch den Sensenmann wurmen, wenn mein letztes öffentliches Antlitz eines mit bis zu den altersbedingten Hautfalten am Hals hängenden Mundwinkeln wäre. Bei meiner Beerdigung soll jemand Don’t worry, be happy singen – meinetwegen auch Bobby McFerrin vom Band. Das passt dann auch hervorragend zum Foto in der Zeitung, das ich vorab persönlich aussuchen werde, unter der Androhung, alle Erbinnen und Erben posthum aus meinem Testament zu schmeißen, sollten sie es wagen, ein anderes drucken zu lassen.

Bis dahin wird aber noch eine lange, heitere Zeit vergehen. Eine schöne Erkenntnis für den Karfreitag, wie ich finde. Frohe Ostern!

Feder

 

27. März 2018: Eine Viertelstunde mit Ö3

Weil ich auf der gestrigen Fahrt zur Physiotherapie nach Gnas mein Hörbuch nicht dabei hatte, verfiel mein manchmal unberechenbarer Optimismus der Hoffnung anheim, jener sich selbst gerne als Hitradio bezeichnende Sender könnte zur Abwechslung und nur für mich etwas Hörbares aus den 80ern spielen. Falls mein Glück beinahe grenzenlos wäre, ginge sich auch noch ein Verzicht auf platte Witzchen der Marke Kommt ein Ritter in die Apotheke aus. Bitte – danke.

Doch erstens kam es anders, zweitens schlimmer als ich befürchtet hatte. Erst quälte ein unsägliches DJ-Mix aus der Dose meine Ohren, das noch nie ein mit zwei Händen zu spielendes Musikinstrument auch nur aus der Ferne gesehen hatte. Und danach ließ Philipp Hansa nicht etwa einen humorbefreiten Gag vom Stapel. Nein, er packte gleich den großen Hammer aus: eine Umfrage zum Thema Beziehungen.

Ich griff das Lenkrad fester, wappnete mich so für die erste der beiden Haarnadelkurven ins Gnaser Tal und zugleich für den Blödsinn, der unvermeidbar aus der akustischen Beschallungsmaschine kommen würde. Und ich wurde nicht enttäuscht: Die Meinungsforscher verlauten Bahnbrechendes!

Bub und Mädchen schätzen beinahe das Gleiche am jeweils anderen Geschlecht. Lesen und staunen Sie: Beide sollen humorvoll, gebildet und reisefreudig sein. Aber geh! Er findet Sie perfekt, wenn Sie auch noch ein bisserl Sportlichkeit mitbringt. Sie mag Ihn am liebsten, wenn Er mit Ihr auch noch ins Theater und Museum geht.

Irgendwie gelang es mir, den Lachanfall bis nach der zweiten Haarnadel zu unterdrücken. Dabei half mir die Erinnerung an die politische Zeit eines Jörg Haider, als niemand öffentlich zugeben wollte, FPÖ zu wählen, die Blauen aber trotzdem bei 27 % landeten. Hier ist es ähnlich. Auf die Frage, was man in Beziehungen gut findet, verlassen nicht eigene Gedanken und Überzeugungen den Mund, sondern halt irgendetwas Nettes, das sich gut anhört.

Woher ich das weiß? Aus gut zwanzig Jahren intensiver Feldforschung. Ich bin quasi mein eigenes Forschungsobjekt und fasse hier und jetzt für meine Leserschaft das Ergebnis dieses rigorosen Selbstversuches zusammen. Meine Bildung liegt über dem Durchschnitt, ich bin gerne unterwegs und versorge die Nation als Kernölbotschafter seit mehr als zwei Jahrzehnten mit gediegenem Humor. Zahl der Anträge, die ich in dieser Zeit bekommen habe? 0.

Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen. Wenn derartige Umfragen auch nur einen Gramm Wahrheit enthalten sollen, müssen sie künftig geheim und unter Eid erstellt werden. Oder man verzichtet ganz darauf und gibt sich stattdessen mit den Witzen auf Ö3-Niveau zufrieden. Kommt ein Ritter in die Apotheke und fragt: Hast du ein Mittel, Alter?

Über die Umfrage habe ich mehr gelacht.

Feder

 

26. März 2018: Nur a bisserl Hirn

Letzten Freitag Abend an der Bar des von mir frequentierten Grazer Pokerklubs, kurz vor dem Turnier. Beim Warten auf mein Standardgetränk (warum es ausgerechnet hier Ananassaft gibt, im Gegensatz zu den meisten besser sortierten Lokalen, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben) werde ich Ohrenzeuge eines bemerkenswerten Kurzmonologes.

„Bei mir is jo olles dahin. Kreuz, Leber, Lunge, Knia, olles in irgendana Oart defekt. Nur a bisserl Hirn is ma no bliebn, des reicht grod fias Pokern.“

Der Mann, nach vorsichtiger Schätzung zwischen fünfzig und sechzig, nimmt einen kräftigen Schluck von seinem Krügerl Puntigamer und zieht dann tief an seiner Marlboro. Und wieder wird von dem, was seine Lunge und Leber noch leisten können, a bisserl weniger.

Auf dem Weg zum mir zugelosten Spieltisch beschäftigt mich ein existenzielles Rätsel der Menschheit. Warum reicht a bisserl Hirn für ein komplexes Spiel wie Poker, aber nicht dafür, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern?

Könnte ich dem lieben Gott diese Frage stellen, würde er wahrscheinlich antworten: „Gehirn und Körper sind Geschenke von mir. Beides ordentlich benützen – das müsst ihr schon selbst, Leute!“ Eine atheistische (man könnte auch formulieren, österreichische) Theorie vom Kernölbotschafter: Hätte die Bundesregierung das schon beschlossene Rauchverbot in Lokalen nicht gekippt, wäre der blauen Stammwählerschaft wohl noch immer zu viel Hirn geblieben. Keine Zigaretten mehr in den Tschecherln hätten nämlich zwangsläufig weniger Krügerl und Stamperl zur Folge gehabt.

Das Risiko von zu viel Erkenntnis unter seinen Anhängern bezüglich der grandiosen Unsinnigkeiten, die seine Leute in gerade einmal 100 Tagen Regierungsbeteiligung von sich gegeben und angerichtet haben – die Rede von Gesundheitsministerin Hartinger-Klein zum neuen Raucherschutzgesetz im Parlament gehört schon jetzt zu den Klassikern im Fach Unfreiwillige Komödie –, kann HC Strache verständlicherweise nicht eingehen. Dafür verzichtet er lieber auf einen Lungenflügel und einen Teil seiner Leber.

Feder

 

6. März 2018: Beste aussichten

Jetzt hauen alle auf die arme Eva Glawischnig hin. Dabei hat sie nur konsequent nach einer Möglichkeit gesucht, a) ihre finanzielle Zukunft abzusichern und b) gleichzeitig allen, die in der Vergangenheit garstig zu ihr waren, den sprichwörtlichen Finger zu zeigen. Dabei hat die ehemalige Chefin der Grünen zumindest einen ihrer Werte beibehalten, wie sie nach der schon jetzt als legendär geltenden Antrittspressekonferenz bei Novomatic einer Freundin anvertraute: „Ich war und bin immer für die Energiegewinnung aus Wasserkraft eingetreten – also nach mir die Sintflut!“

Hinter vorgehaltener Hand wird Glawischnig für Ihren mutigen Schritt von den anderen Parteigranden bewundert. Viele planen schon jetzt für ihre Zeit nach der Politik. Aus gut informierten Kreisen erfuhr die Kernölbotschafter-Redaktion von ersten, durchaus spannenden Vorhaben. Alle nachstehend genannten Herren haben beste Aussichten.

Sebastian Kurz: Der Kanzler wird auch nach seiner Zeit als Regierungschef in der Politik bleiben, aber nur noch beratend tätig sein. Sämtliche Parteien sind an seinen Diensten als Ausreden-Schreiber interessiert, wenn es darum geht, unklare, unlogische und beim Volk unerwünschte Gesetze zu begründen.

Christian Kern: Dressman bei Dressmann. In der Faschingszeit verkleidet sich der Ex-Kanzler zusätzlich als beleidigte Leberwurst und verbreitet überall dort, wo die Leute zu gut drauf sind, schlechte Stimmung.

HC Strache: Der aktuelle Vizekanzler wir seine eigene Brillenkollektion auf den Markt bringen. Seine Verkaufsnische wird von älteren Männern besetzt sein, die in Kombination mit tief im Mundwinkel hängender Zigarette besonders cool wirken wollen. Straches Top-Modell „warm&klar“ wird zudem mit beheizbaren Nasenflügelstützen ausgestattet sein, um die Gefahr von Lungenentzündungen zu minimieren, wenn das Rauchverbot in der Gastronomie doch irgendwann von ignoranten und die heimische Gastfreundschaft mit Füßen tretenden Bürokraten eingeführt wird. In seiner Freizeit gibt Strache Kindern ohne Migrationshintergrund Nachhilfe in Geografie, Schwerpunkt Südosteuropa.

Matthias Strolz: Der Neos-Chef ist noch unentschlossen. Es wird aber auf alle Fälle eine Tätigkeit sein, für die man so richtig Cojones braucht.

Peter Pilz: Der Namensgeber der Liste Pilz ist bereits auf der Suche. Angebote gibt es zuhauf, doch eine Einigung ist bisher stets an einer Vorbedingung von Pilz gescheitert. Er möchte sich eine Mindestanzahl von Assistentinnen und Hostessen vertraglich zusichern lassen.

Feder

 

3. März 2018: Das Wochenende ist gelaufen

Nachdem mich heftige Rückenschmerzen aus einem unruhigen Schlaf auf dem schlechtesten Hotelbett seit Erfindung der Matratze geweckt haben, bin ich überzeugt, der Tag kann nur noch besser werden. Doch weit gefehlt.

Weil die Hocker in der Hotelbar allem Anschein nach ein enges Verwandtschaftsverhältnis mit dem Bett haben, beschließe ich, das Frühstück auf der Heimfahrt einzunehmen. Kaum habe ich den Zündschlüssel gedreht und meine Hände auf das eiskalte Lenkrad gelegt, sudert mich Max Giesinger aus dem Radio an, der „sie“ (vermutlich seine Ex) noch immer nicht vom Tanzen abhalten kann. Meine Hände frieren augenblicklich fest, als der Moderator nach dem Song auch noch verkündet: „Wir holen Max Giesinger für dich nach Österreich! Komm zum Winterabschluss-Open Air …“ Der Ort geht in meinem zum Glück erfolgreichen Versuch unter, der roten Nissan Micra Mouse auf der Querstraße vor dem Hotel nicht die Vorfahrt zu nehmen – irgendein Tiroler Dorf mit Ober- am Anfang und -schgl am Schluss. Mein Tritt aufs Gaspedal fällt ein bisserl heftig aus, als müsste ich mich unverzüglich so weit wie möglich von dort entfernen.

Im Lokal meines Vertrauens trifft mich in Form der Schlagzeile des Standard der nächste Stein am Schädel. Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig beteuert, ihr Wechsel von der linken Gutmenschenpartei zum bösen Glücksspielkonzern Novomatic sei „nicht des Gehalts wegen“ erfolgt. Also ging es doch darum, den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen so richtig eine reinzuwürgen, passenderweise zwei Tage vor einer Landtagswahl. Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass heiße Luft nicht nur um saubere Windräder strömt, sondern auch aus dem Mund  jener Frau, deren Überzeugungen biegsamer sind als ein in sich verknoteter Yogi.

Dass auch die famosen und heftig ersehnten Schoko-Croissants ausgerechnet am Samstag nicht feilgeboten werden, entlockt mir nur noch einen bitteren Seufzer. Mehr Beweise brauche ich nicht – das Wochenende ist gelaufen. Ich schlürfe einen Kaffee, schlurfe in die Kälte hinaus und fahre nach Hause.

Hoffentlich ist mein eigenes Bett noch da.

Feder

Satiren des Tages - Februar 2018

 

28. Februar 2018: Rüge vom Seifenspender

Gestern brachte das abendliche Journal Panorama einen Beitrag über das Internet der Dinge, das schon bald in unser aller Alltäglichkeit Einzug halten soll. Kühlschränke kaufen ein, wenn die Milch sauer wird, Staubsauger werfen ärgerlich laut ihre Bürsten an, wenn der Göttergatte wieder einmal vergessen hat, seine Schuhe vor dem Haus abzuputzen, und so weiter.

Eine Besonderheit auf diesem Gebiet hat das neu errichtete Allianz-Stadion zu bieten, Heimstätte der grünweißen Ersatzreligion namens Rapid Wien. Dort funken die Seifenspender in den Toiletten ein Signal an den Facility Manager (auf gut österreichisch: Hausmeister), wenn sie nachgefüllt werden wollen. Der macht sich dann ganz analog auf zwei Beinen auf den Weg und waltet seines Amtes.

Und auch die nächste Generation dieser schlauen Geräte ist schon in Planung. Dabei wird die aktive Mitarbeit der Fans ganz entscheidende Bedeutung zukommen. Betritt ein grünweißer Schal samt Träger ein Klo, messen Sensoren automatisch Herzschlag und Schweißabsonderung. Bleibt beides unter einen gewissen Niveau, gibt’s weder Wasser noch Seife – wer den Verein seines Herzens nicht gescheit anfeuert, braucht sich auch nicht waschen. Gleiches gilt für die Abgabe von Käsekrainern und Ottakringer.

Die anderen österreichischen Fußballklubs beobachten diese Entwicklung höchst interessiert und planen, sie für ihre Zwecke zu nutzen. Bei Sturm Graz wird an einem Superkürbiskernöl geforscht, das bei mangelnder Spielintelligenz (verhaute Doppelpässe, laxes Zweikampfverhalten etc.) den Spielern durch Direktinjektion aus den Stoppeln einen Energieschub verleiht.

Bei der Wiener Austria setzt man auf Schwarmintelligenz. Dort erhalten nur Fans Zugang zum WC, die vorher in eine Spendenbox einen Zettel mit mindestens zwei Namen für den nächsten Trainerwechsel einwerfen. Für die Nennung von Spielern, die auf dem Transfermarkt verfügbar und auch leistbar sind, spuckt der Spender automatisch ein zweites Papierhandtuch mit zartem Veilchenduft aus und spielt die Austria-Hymne.

Die radikalsten Änderungen sind bei Red Bull Salzburg zu erwarten. Da dank Dosen-Doping das Geld längst abgeschafft ist, plant Gründer und Eigentümer Dietrich Mateschitz, Fußballschuhe mit künstlicher Intelligenz entwickeln und diese dann auch spielen zu lassen. Spieler werden dann nicht mehr nötig sein. Für die Cristiano-Ronaldo-Pose vor einem Freistoß müssen die Zuschauer halt ein bisschen Fantasie entwickeln.

Mit diesem Masterplan hofft er, Salzburg irgendwann doch in die Champions League zu führen. Eine saubere Lösung, sogar ohne intelligenten Seifenspender.

Feder

 

27. Februar 2018: Gescheiter werden, bitte!

An manchen Tagen sollte man besser gar nicht aufstehen. Draußen hat es gefühlte 50 Grad unter Null, der Wind pfeift ums Haus. Folgerichtig bestehen die ersten Gedanken aus stichhaltigen Argumenten dafür, nicht einmal die linke kleine Zehe aus dem sicheren, warmen Platz unter der Decke zu verstoßen.

Dann springt automatisch das Radio an – ein Fehler, denn Ministerin Elisabeth Köstinger ist zum Interview ins Morgenjournal auf Ö1 geladen. Mangels Alternativen (für ein anderes Programm müsste ich aufstehen, wozu ich definitiv noch nicht bereit bin) höre ich halt zu und staune mit jedem Satz der Ministerin mehr darüber, wie perfekt sie eine Disziplin beherrscht, die leider nicht olympisch ist: Im Sich-Winden, um eine klare Antwort Herumreden hat Köstinger es zur wahren Meisterin gebracht. Das war schon durch die leidige Diskussion vor einigen Monaten bekannt, als sie nicht explizit sagen wollte, ob sie nun Ministerin oder doch Nationalratspräsidentin werden möchte. Aber diese Frage hatte die Wertigkeit eines akademischen Streits um der Kaiserin Bart.

Beim Rauchverbot in der Gastronomie verhält es sich völlig anders. Sämtliche Ärzte fordern, den bereits gefassten Beschluss umzusetzen, rund 400.000 Bürgerinnen und Bürger haben dafür unterschrieben. Und was sagt die gute Frau? Sie fühle sich an einen Koalitionspakt gebunden, der jeder Logik und jedem gesunden Menschenverstand widerspricht. Zur Erinnerung: Das war eine Gefälligkeitszusage des jungen Kanzlers an HC Strache, die nicht nur den Volkswillen, sondern auch das Amt Köstingers (immerhin firmiert sie als Nachhaltigkeitsministerin!) ad absurdum führt. Oder will sie den Beweis antreten, dass auch politische Dummheit nachhaltig sein kann?

Wer ohne Not eine Kleinigkeit zur Staatsaffäre aufbläst, die sich bei ein bisschen Willen mir nichts, dir nichts erledigen lässt (Fehler eingestehen, Antrag zurücknehmen, fertig), trägt den eigenen Anspruch Neu Regieren auf den Lippen, aber nicht im Herzen. Und schon gar nicht im Kopf, wo es am Wichtigsten wäre. Dem konsternierten Bürgerlein bleibt die Erkenntnis, dass er auch mit dieser Regierung offensichtlich eine Niete gezogen hat.

Ich seufze und will mir die Decke mindestens bis zum Ende dieser Legislaturperiode über den Kopf ziehen. Mit einem noch tieferen Seufzer stehe ich dann doch auf, um nicht auch noch Köstingers Ausführungen zur Umsatzsteueränderung in der Hotellerie ertragen zu müssen.

Jedoch gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer. Innenminister Herbert Kickl ließ mit einer Aussage aufhorchen, die ihm nur wenige zugetraut hatten: „Ich glaube, dass es nix Verbotenes ist, gescheiter zu werden.“

Also, jetzt alle zusammen, mit Inbrunst und im Chor: „DANN MACHT DOCH, BITTE!“

Feder

 

23. Februar 2018: Gottes bitteres Lachen

Wenn man über Dinge nicht weinen kann, soll man über sie lachen, heißt es im Volksmund. Irgendwann jedoch kommt der Moment, wo dieses Lachen im Hals stecken bleibt. Alle Wege, etwas mit dem Herzen zu erspüren, sind versperrt, und nicht einmal die Tränen bringen Erlösung. Sie schmecken nur noch bitter.

Es ist schwierig genug, die menschlichen Grausamkeiten zu ertragen, die jeden Tag auf der Welt geschehen. Tiefer noch trifft mich die augenscheinliche Unfähigkeit zur Läuterung, wie sie nach dem Amoklauf eines 19jährigen an einer Schule in Florida im Regionalparlament offenbar wurde.

Da beginnen Abgeordnete die Sitzung mit einem Gebet für die 17 Opfer, um danach mit 71 zu 36 Stimmen eine Verschärfung des Waffenrechts abzulehnen! Diese Ambivalenz (Falschheit ist der korrektere Ausdruck) ist mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen.

Wer Gottes Wort im Mund führt, jedoch dagegen handelt, für den hat der Herr wohl nur bitteres Lachen übrig.

Feder

 

22. Februar 2018: Aus der Grauzone, Teil 2

Vor etwa einem Monat wurde an dieser Stelle über eine Kolumne von Gerti Senger in der Sonntags-Krone berichtet, die der Chronist nicht so recht einzuordnen wusste. Es ging um Grauzonensex; das klang recht mystisch und geheimnisvoll, etwa wie 50 Shades of Grey auf österreichisch, blieb aber, was die wirkliche Bedeutung anging, im dichten Nebel der Unklarheiten verborgen. Vielleicht von der Redaktion gewollt? Falls nicht, war es mir als Textunterlage fürs Sonntagsfrühstück eindeutig zu hoch.

Gestern Abend hatte ich endlich die Gelegenheit, den aktuellen James-Bond-Film Spectre anzuschauen. Ich mag Daniel Craig, und Christoph Waltz als Böser wie auch die österreichischen Drehorte verhießen einiges. Fazit nach einer halben Stunde: na ja … Die Action war gediegen, aber Figuren und auch Handlung blieben irgendwie ungreifbar.

Später sitzt James mit einer ätherischen Blondine, der ständig die Angst in den Rehäuglein steht, beim eleganten Abendessen im Speisewagon einer Art Orient Express für Arme, er im weißen Smoking, sie im Traum aus Silber. Die zwei wollen gerade ihre Vodka-Martini-Gläser klingen lassen, als der ihnen von der obergeheimsten Geheimorganisation nachgeschickte Mann fürs Grobe so mir nichts dir nichts hereinplatzt, die traute Zweisamkeit unterbricht und mit Bond eine Keilerei anfängt, die sich gewaschen hat. Sie zerlegen das fahrende Restaurant zu Kleinholz, watschen sich durch Küche (seltsamerweise frei von Personal) und Lagerraum, bis es 007 und der Ätherischen endlich gelingt, den finsteren Gesellen mittels an einem Bierfass befestigten Stricks um den Hals aus dem Zug zu befördern. Schnitt.

In der nächsten Szene beobachtet das erstaunte Auge eine Keilerei der anderen Art. James und die Blondine schaffen es nicht einmal mehr bis in ihr Abteil. Sie rütteln heftiger aneinander als die Schienen an den Rädern des Zuges. Jeder normale Mensch würde nach den eingesteckten Hieben einen Monat im Streckverband liegen und danach mindestens ein halbes Jahr auf Kur gehen. Nicht so Bond, aber der werkt ja auch deshalb im Geheimdienst Ihrer Majestät. Kaum ist eine Sache erledigt, fokusiert er sich sogleich auf die nächste.

Plötzlich öffnet sich in mir eine Erkenntnis, schneller als ein Spezialfallschirm von Q: Genau das ist Grauzonensex! Entweder man liegt für alle Zeiten darnieder, oder das Adrenalin und die Hormone reißen einen derart heftig in die Höhe, dass man gleich von selbst wieder aufrecht steht, bestes Stück inklusive. Keine Frage, wofür sich Bond entscheidet; sein Pluspunkt ist allerdings, dass er immer irgendwas (oder besser: irgendwen) zur Hand hat, was die Entscheidung enorm erleichtert.

Wenn ich mich also das nächste Mal wie erschlagen fühle, versuche ich diese Methode zur Rettung aus der Grauzone. Sie könnte zwar in Ermangelung des erwähnten Pluspunkts scheitern, aber darum kümmere ich mich nach der Keilerei.

Nachbemerkung: Heute berichtet die Kronenzeitung auf Seite 17, den Österreichern sei ihr Smartphone bereits wichtiger als Sex. Jetzt ist klar, warum James Bond nie ein Handy dabei hat.

Feder

 

21. Februar 2018: Stürmische Zeiten

Leicht hat es Donald Trump, seines Zeichens seit 13 Monaten amtseingeführter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, derzeit nicht wirklich. Entweder wird über ihn geschimpft (Steuerreform, Waffengesetze) oder gelacht (Frisur, Selbstverständnis). Und wäre das nicht genug, wird auch noch gegen ihn ermittelt: Irgendein garstiger Sonderermittler behauptet, er hätte den Wahlkampf um das mächtigste Amt der Welt mit unlauteren Mitteln (manche sagen auch: mit russischer Hilfe) zu seinen Gunsten beeinflusst oder zumindest davon gewusst. Kein Wunder, dass sich Donald bei so viel Bösartigkeit gegen ihn schon am frühen Abend in sein Schlafzimmer verzieht, ein paar Cheeseburger futtert und Serien auf seinem Riesen-Flatscreen schaut.

Gerade als Trump glaubte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, wurde seine persönliche Wetterlage erst so richtig stürmisch. Eine Schauspielerin aus der Sparte Erwachsenenunterhaltung mit dem Künstlernamen Stormy Daniels, der den Ansprüchen dieser Bezeichnung durchaus gerecht wird (für die Wahrheitsfindung ist dem Kernölbotschafter keine Recherche zu … äh … mühsam), hatte kurzerhand beschlossen, den Begriff Schweigegeld nicht allzu wörtlich zu nehmen. Also plauderte sie aus dem Nähkästchen über eine kleine Affäre vor zehn Jahren mit dem damaligen Immobilienhai und heutigen Präsidenten. An die Auflage, für satte 130.000,-- Dollar nicht zu plaudern, fühle die Stürmische sich nicht mehr gebunden, weil es eh schon jeder wisse. Es dauerte auch nicht lange, bis ein weiteres Techtelmechtel aus jener Zeit publik wurde, diesmal mit einem Playboy-Model, als Trump zufällig in der Villa von Hugh Hefner vorbeigeschaut hatte und offenbar dem reichhaltigen Häschen-Angebot nicht widerstehen konnte.

Auch wenn Trumps Anwalt mit besten Absichten gehandelt hatte – auch er scheiterte mit dem Versuch, die Ereignisse unter den Teppich zu kehren. Das funktioniert nämlich nur, so lange der Teppich interessanter ist als seine Unterlage. Es ist anzunehmen, dass Stormy durch ihr offenherziges Geständnis ihren Marktwert steigern wird, wohl über die kassierte Summe hinaus.

Geschwiegen hätte auch besser Frau Dagmar Belakovitsch von der FPÖ. Da trommeln die Blauen seit Jahrzehnten für mehr direkte Demokratie, doch wenn ein Volksbegehren gegen ihre eigenen Ideen geht, ist es plötzlich  „politisch motiviert“ und daher abzulehnen, wie die Dame trotzig behauptet hat. Eine Gesundheitssprecherin, die gegen mehr Raucherschutz wettert – das allein verursacht einen Logikknoten im Gehirn. Alles nur, weil Parteichef Strache trotz seiner neuerdings zur Schau gestellten Staatsmännlichkeit nicht auf die Zigarette zum Espresso im Stammbeisl verzichten will. Und weil Kanzler Kurz geglaubt hat, ihm diesem kleinen Gefallen erweisen zu müssen. Aber wer Wind sät (siehe oben), wird Sturm ernten. Im Falle von Don’t Smoke hat der Sturm sogar kurzzeitig die Server im Innenministerium lahmgelegt, was die Schlangen auf den Gemeindeämtern verlängert und den Volkszorn noch weiter angefacht hat.

Stürmisch geht es auch über den Wolken zu. In einem holländischen Flugzeug hat ein Mann so heftig und anhaltend gepubst (eine geradezu nestroysche Wortwahl auf orf.at), dass er mit anderen Passagieren in Streit geriet und die Maschine deshalb in Wien zwischenlanden musste. Auch eine Möglichkeit, von luftiger Höhe auf dem harten Boden der Tatsachen zu landen.

Dies könnte auch den beiden anderen Protagonisten dieser kleinen Episode drohen – durchaus im Sinne der kritisch-aufmerksamen Allgemeinheit.

Feder

 

13. Februar 2018: Mein Goldberger-Effekt

Während ich bei der Kosmetikerin meines Vertrauens auf die Behandlung warte, knallt mir eine Titelschlagzeile auf dem Cover des Society-Magazins Steirerin entgegen: 50 ist das neue 30! Attraktiv, selbstbewusst, topfit: So cool geht 50+

Nicht mehr lange, und ich bin genau in der Zielgruppe, ist mein erster, nicht unbedingt schmeichelhafter Gedanke. Bei den Attributen kehrt jedoch rasch meine Zufriedenheit zurück, gewürzt mit einem Haucherl Stolz. Zwei von drei treffen absolut zu; ich überlasse die Wahl an dieser Stelle selbstverständlich meiner Leserschaft, im vollsten Vertrauen, sie werde je ein Kreuzerl beim richtigen Wort setzen.

Meine Überzeugung rührt auch von einem Kompliment her, das mir Freundin Christine vor kurzem bei einem Treffen angedeihen ließ. „Bei dir schlägt voll der Goldberger-Effekt durch“, meinte sie mit hörbarer Anerkennung in der Stimme.

„Und das ist?“, fragte ich ein wenig ratlos, weil mir ad hoc nichts einfiel, was ich mit dem ehemaligen Schispringer und Lieblingsschwiegersohn Österreichs gemein haben konnte.

„Na, jedes Mal, wenn ich dich sehe, schaust du jünger aus!“, rief Christine lachend. „Keiner kommt bei dir auf die Idee, du wärst Mitte 40.“

„Danke ergebenst“, erwiderte ich verschämt und spürte meine Ohren heiß werden. „Auch dafür, dass du das erste Grau an meinen Schläfen so geflissentlich übersiehst.“

„Komplimente sind dazu da, um angenommen zu werden“, wies sie mich mit leichtem Tadel zurecht und blinzelte bedeutsam. „Das gilt auch für Männer.“

Ja, richtig. Was außerdem für Männer gilt: Widersprich niemals einer Frau, schon gar nicht einer hübschen, die ehrlich meint, was sie sagt. Also prostete ich Christine zu und sagte: „Auf alle Komplimente!“, was sie mit dem typischen Blitzen in ihren Augen erwiderte.

Ich brauche also die Steirerin gar nicht, um offiziell bestätigt zu bekommen, dass ich auch noch mit 50- ein toller Hecht bin. (An topfit arbeite ich noch.) Wer jedoch glaubt, ich ginge zur Kosmetikerin, um meinem Goldberger-Effekt mittels schnöder Mittelchen und anderer Methoden der verschönernden Industrie nachzuhelfen, den muss ich leider enttäuschen. Priska und ihre Kolleginnen legen nur Hand an meine Zehennägel, die leider hin und wieder der unguten Art des schmerzhaften Einwachsens fröhnen. Das berührt meine Coolness nur insofern, als dass die Damen manchmal das Wasser für das Fußbad zu heiß einlassen.

Meine Attraktivität leidet nicht darunter. Nicht im Geringsten.

Feder

 

12. Februar 2018: 50% Rabatt auf Blödheit

Mit der durchaus praktischen Erfindung von E-Mails, die alsbald die schriftliche Post weltweit überflügelten, wurde huckepack eine weniger praktische Unterkategorie geliefert: die Spam-Mails. Zu Werbezwecken erfunden, verstopfen sie durch ihre schiere Menge sämtliche Posteingänge und erzeugen so ärgerlichen, weil unnötigen Mehraufwand für jeden Benutzer.

Hin und wieder sorgen Spams aber auch für Erheiterung. Manche Versender haben neben ihrer kriminellen eine ungewollt komische Ader und setzen sie unbewusst dafür ein, alles mögliche Zeug zu verkaufen, von riesigen Werkzeugkoffern um 50 Euro bis zu winzigen Pillen, die mannhafte Größe zum halben Preis vom Original versprechen. Sohin werde ich im Handumdrehen zum Heimwerkerkönig, und in der Nacht liegt das abgebildete, selbstredend superscharfe Model angesichts meiner befriedigenden Fähigkeiten erwartungsvoll in meinem selbstgehobelten Bett.

Aus dieser verlockenden Träumerei wecken mich zuverlässig die Finanzdienstleister unter den Spamern. Todsichere Investitionen an allen Ecken und Enden: Nigerianische Witwen, die das immense Vermögen ihres kürzlich verblichenen Gatten mit Hilfe meines Bankkontos außer Landes schaffen wollen und dafür Prozente weit jenseits der ortsüblichen Bankzinsen versprechen; sagenhafte Lottogewinne, für die ich nie ein Los gekauft habe; nicht zuletzt Kryptowährungen, die den persönlichen Geldspeicher schneller füllen, als es Dagobert Duck es jemals schaffen würde.

Aus der Gedankenwerkstatt Entenhausens stammt wohl auch  eine Mail, die vor wenigen Tagen eintrudelte. Der Text ließ mich erst stutzig werden und verursachte wenig später einen kaum zu entwirrenden Knoten in meinen mathematischen Ganglien.

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Ich gebe zu, das System von Finanzwerten, die quasi aus sich selbst generiert werden, nie richtig verstanden zu haben. Aber der Verkauf eines Produkts zum halben Preis, das keine handfeste Ware ist, sondern nur eine von stark schwankenden Kursen beeinflusste Zahl? Das riecht doch zu sehr nach Beschiss. Da könnte ich auch gleich in mein Stammcafé gehen und zu meiner Lieblingskellnerin sagen: „Hallo Lisa, ich brauche dringend Kleingeld. Hier ist ein Zehner. Gib mir bitte zwei Zwanziger heraus.“ Schlagfertig, wie sie ist, würde sie antworten: „Täte ich gerne, Hannes, aber mir sind gerade die Münzen ausgegangen.“

Oder ist alles ganz anders? Könnte es sein, dass der künftige Verlust in diesem Angebot schon eingepreist ist? In Anbetracht des derzeit rasanten Wertverlusts der Kryptowährungen eine realistische Möglichkeit. Mir schwant, da will mich jemand abzocken. Jedenfalls lasse ich die Finger davon, sofortige Verdopplung meines Einsatzes hin oder her.

Wo war doch gleich die Mail mit den winzigen Pillen? Vielleicht bringt mir das superscharfe Model dieses Husch-pfusch-Viagra persönlich zum Testen vorbei, wenn ich genug davon bestelle. Man wird ja noch träumen dürfen.

Feder

 

2. Februar 2018: Die kürzeste Satire des Jahres

Jetzt haben wir gerade einmal ein Zwölftel von 2018 hinter uns gebracht, doch eine Meldung, die gestern aus Bildschirmen und Zeitungen gesprungen ist, hat tatsächlich schon jetzt das Zeug, zur kürzesten Satire des Jahres gewählt zu werden: Der US-amerikanische Präsident Donald Trump wurde für den Friedensnobelpreis nominiert.

Nach dem ersten Schock ist es nicht einfach, klaren Kopf zu bewahren. Der Chronist versucht es dennoch und listet die plausibelsten Gründe dafür auf, warum diese Nominierung Sinn macht, nach dem in Amerika so beliebten Hitparadenschema. Hier sind sie also, meine Top Five:

Platz 5: Donald Trump schafft Steuergerechtigkeit. Erst einmal nur für sich, aber das ist ein guter Anfang. Steuererklärung gibt er schon lange keine mehr ab. Wozu auch? Wenn irgendwann die Unternehmenssteuern auf Null gesenkt sind, kräht kein Hahn mehr danach, wie oft er mit seinen Firmen Pleite gemacht hat.

Platz 4: Donald Trump wirkt völkerverbindend. Die tiefen Gräben zwischen Weißen und Schwarzen in seinem Land sind schon lange ein Dorn im Auge des Präsidenten. Also lässt er weiße Polizisten so lange auf Schwarze schießen, bis das Problem nach der Mengenlehre gelöst ist und kein Politiker aus Dreckslochstaaten länger einen Grund hat, ihn als Rassisten zu beschimpfen.

Platz 3: Donald Trump liebt die Frauen. Er ist der mächtigste Mann der Welt, hat ein Topmodel an seiner Seite und noch dazu den allergrößten … Atomknopf. Kein Wunder also, dass sich die gesamte Damenwelt von einem so tollen Hecht liebend gerne betatschen lässt. Bei Trump ist das übrigens keine Belästigung, sondern der Beweis dafür, dass er Frauen noch mehr liebt als sie ihn.

Platz 2: Donald Trump rettet den Weltfrieden. Wer über ihn lästert, versteht ihn nicht. Sein Gezwitscher gegen Araber, Afrikaner, Europäer, Demokraten, Umweltschützer, Menschenrechtler und Nordkorea hat nur den Sinn, von den echten Gefahren der Welt abzulenken. Wer nicht daran denkt, fürchtet sich nicht. Und was Kim Jong Un angeht: Der hat ohnehin den Kleineren.

Platz 1: Donald Trump wird die beste Nobelpreisrede aller Zeiten halten. „Ladies and Gentlemen! Norwegen hat, im Gegensatz zu Europa, erkannt, dass ich der größte, tollste, stärkste Präsident of all time bin. Deshalb schlage ich vor, jede Menge Flüchtlinge von dort aufzunehmen. Unter einer Bedingung: Wenn ihr nächstes Jahr den Preis an Crazy Kim, den verrückten Koreaner, vergebt, müsst ihr mir versprechen, dass er kleiner ist als meiner. God save the Queen, God bless America!“

Dann bin ich aufgewacht und hoffte kurz, alles möge nur ein böser Traum gewesen sein. Doch weit gefehlt. Donald Trump wurde für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, bereits zum dritten Mal hintereinander. Nicht die kürzeste Satire des Jahres, sondern traurige Realität.

 Feder

Satiren des Tages - Jänner 2018

 

25. Jänner 2018: Nur die Burger sind gleich geblieben

Ein wohlbekanntes Bild bei der amerikanischen Fleischlaberlversorgungsstation des Vertrauens am Wochenende: Der Familienvater schleppt ein mit Juniormenüs schwer beladenes Tablett zu einem freien Platz, während ein, zwei oder mehr gerade noch nicht oder seit kurzem schon schulpflichtige Nachwüchsige aufgeregt neben ihm herhüpfen, aufgeregt plappernd, was sie sich für den zweiten Gang wünschen.

Diese Szene beobachtete ich auch vor wenigen Tagen höchstselbst, doch nahm sie, zumindest in meinem persönlichen Kopfkino, eine völlig überraschende Wendung. Als ich mich nämlich mit meinem Standardmenü Spicy Filet Wrap & Stilles Mineralwasser zwecks Verzehr desselben niederließ, fiel mein Blick auf die Rückenansicht eines solchen Familienvaters, dessen beide Töchter bereits selig kauend beschäftigt waren. Genauer gesagt, auf sein T-Shirt.

I AM DEATH! I AM ETERNAL DARKNESS!

In krakeligem Silber auf schwarzem Grund. Darüber fand sich ein runenähnliches Zeichen, wie es Rumms- und Schepper-Bands jeglicher Provenienz gerne auf ihre Tonträger malen, um das Böse ihres Auftritts noch einmal um ein paar Grad ins Dunkelböse zu steigern.

Diese Botschaft, die gar nicht der glücklichen Eintracht jener kleinen Familie entsprechen wollte, brachte mein Fantasiekarussell ordentlich in Fahrt. Gut möglich, dass der Mann früher Sommers auf diversen Heavy Metal-Festivals zwischen Nordkap und Süditalien heimisch war wie der landläufige Schlagerfan heute bei Helene Fischer oder Andi Gabalier. Von manchen brachte er eine textile Erinnerung mit nach Hause.

Doch irgendwann waren die wilden Zeiten vorbei. Headbanging wurde von Kuscheltanz abgelöst, Heavy Metal von Babygeschrei, Bier im Plastikbecher von Mineralwasser. Nur die Burger sind gleich geblieben. Und heute, als kein sauberes Oberhemd zur Hand war, fiel es ihm wieder in die Hände, das T-Shirt einer anderen Ära. Die Erinnerung sorgte für einen warmen Nachhall.

Und so schließt sich ein Kreis. Ich bezweifle aber, dass der Mann vor vielen Jahren seinen Imbiss nach einer durchrockten und durchzechten Nacht mit ähnlichem Glück verzehrt hat wie jetzt, wenn er auf seine beiden Engel schaut. Mir scheint, er ist dankbar dafür.

Feder

 

23. Jänner 2018: Wenn Männer Kaffee machen

Es ist nicht mehr als ein weit verbreitetes Gerücht ohne jeden Wahrheitsgehalt, dass Männer keine guten Gastgeber seien. Die Einladung gestern bei meinem Freund Martin zum Kaffee bewies wieder einmal eindrucksvoll: Alles nur eine Frage der geraden Kommunikation unter Männern.

Martin: „Magst du deinen Kaffee mit Milch und Zucker?“

Ich: „Nur Milch bitte.“

Martin: „Milch muss ich erst organisieren.“

Ich: „Dann trinke ich meinen Kaffee schwarz.“

Ganz anders Frauen: „Magst du einen Kaffee?“ – „Schon, aber extra für mich brauchst du keinen machen.“ Alles klar? Zum Glück wurde Nespresso erfunden. Eine Kapsel einwerfen, eine Taste drücken, fertig. Und mit ein bisschen Glück taucht George Clooney im Shop auf. What else?

Feder

 

21. Jänner 2018: Aus der Grauzone

Seit ewigen Zeiten schon hat in der kunterbunten Sonntagsbeilage der Kronenzeitung, die ihren Namen sohin mit allem Recht trägt, das Evangelium dieses Tages seinen Fixplatz. Und ebenso lange (zumindest gefühlt) interpretiert gleich daneben der katholische Oberhirte des Landes, Kardinal Christoph Schönborn, die Bibelstelle in gelehrter Art und Weise.

Wer aber heute nach erfolgtem Textstudium noch immer auf Erleuchtungssuche ist, dem wird diese nur wenige Seiten weiter zuteil. Das wahre Wort zum Sonntag findet sich diesmal in der Lust&Liebe-Kolumne von Frau Professor Doktor Gerti Senger. Es lautet – darauf würden Sie nie im Leben kommen – Grauzonensex.

Worum es dabei geht, mögen Interessierte selbst nachlesen; ich bin sicher, dass in der näheren Umgebung noch einige Zeitungsständer gut gefüllt sind und man sich nach einem kurzen Rundumblick ein Exemplar angeln kann. Den Euro, der gerade nicht in der Jackentasche vorrätig ist, kann man ja beim nächsten Mal guten Gewissens drauflegen.

Zweifellos sorgt jedoch schon allein das Wort für ausreichend Kopfkino und damit Stoff für spannende mediale Gefechte. Da ich an dieser Stelle nicht vorhabe, mich um Kopf und Kragen zu schreiben, behalte ich meine eigenen Interpretationen für mich. So verschieden Männlein und Weiblein nun einmal sind – manche Kommentare vermitteln derzeit den Eindruck, als hätte es diese Unterschiede bisher gar nicht gegeben –, wird die Bandbreite der Reaktionen von A wie Aufschrei bis Z wie Zustimmung reichen.

Jedenfalls ist zu hoffen, dass Frau Senger aus der Grauzone ein bisschen Farbe in die Diskussion bringt, wie es sich für ihr Medium gehört. In der Zwischenzeit warte ich auf den nächsten dichten Bodennebel und schaue, was passiert.

Feder

 

19. Jänner 2018: Prozentrechnen mit dem KAV

Wer ein gutes Beispiel dafür braucht, warum Österreich Milliarden für sein Gesundheitswesen ausgibt, aber die Gangbetten in den Spitälern trotzdem mehr statt weniger werden, findet dieses im Wirtschaftsteil der gestrigen Ausgabe der „Presse“. Der KAV (Wiener Krankenanstaltenverbund) hat 2006 eine Maschine zur automatischen Medikamentendosierung bestellt. Fetter Preis: eine Million Euro. Damit sollte alles schneller und somit billiger verteilt werden, hieß es damals – die Kosten wären also schwuppdiwupp wieder eingespielt.

Erstens kam es anders, zweitens teurer, als die Damen und Herren dachten. Das System funktionierte nämlich nie. Nochmals zum Mitschreiben: nicht zur Hälfte, nicht zu drei Viertel, nein, gar nie. Deshalb wurde das Projekt 2014 wieder eingestellt. Die Dauer dieser Farce rechnen Sie bitte selbst aus, mein Frustpotential ist längst aufgebraucht.

Doch es kommt noch schlechter. Im Zeitungsbericht stand weiters zu lesen, dass die Maschine, die (sagte ich das schon?) nie funktioniert hat, zuletzt an den Hersteller zurückverkauft wurde. Schlanker Preis: zehntausend Euro. Das bedeutet, der KAV hat dem Staat und damit jeder Steuerzahlerin und jedem Steuerzahler einen Verlust von knackigen 99 Prozent beschert. Mit allen Nebengeräuschen wie Wartung, Serviceverträgen und sinnlosen Reparaturen betrugen die Gesamtkosten laut Stadtrechnungshof sogar satte 1,63 Mille. Auf den Kaufpreis für einen Schrotthaufen wurden also noch einmal mit lockerer Hand knappe zwei Drittel draufgelegt.

Meine Tastatur ist schon so heiß vor Wut, dass ich mir gleich die Finger verbrennen werde. Also noch drei kurze Fragen an den KAV: 1. Wer schließt Verträge, die Zahlungen nicht mit der Funktionsfähigkeit des Kaufgegenstandes verknüpfen? 2. Wer prüft solche Verträge und gibt sie frei? Und 3., am Allerwichtigsten: Wer steht dafür gerade? Da die Geschichte nicht in Schilda, sondern ganz real in unserem schönen Lande spielt, dürften die Antworten bekannt sein – sie lauten für alle drei Fragen gleich: die anderen!

Bekannterweise handelt es sich nicht um einen bedauerlichen Einzelfall – das Chaos rund um den Neubau des Krankenhauses Wien Nord sei Interessierten zur Recherche empfohlen. Also muss sich sohin der gelernte Homo Austriacus nicht über Gangbetten wundern, sondern eher über die Tatsache, dass unser Gesundheitswesen überhaupt noch funktioniert. Aus dieser Perspektive steht jedes einzelne Gangbett halt noch immer auf einer Insel der Seligen namens Stadt Wien, die ihren Langzeitbürgermeister demnächst mit allen Ehren in die wohlverdiente Politikerpension entlassen wird.

Tu felix Austria!

Feder

12. Jänner 2018: Gottes Geschenk per Mail

Ein guter Tag beginnt mit einer guten Nachricht. Wenn diese Nachricht außerdem direkt ins persönliche Glückszentrum fährt, kann im Grunde überhaupt nichts mehr schiefgehen, oder?

Grüße, lieber Freund, Wie geht es dir und wie geht es deiner Familie? Mein Name ist Mavis Wanczyk aus den USA, am 24. August 2017, ich gewann $ 758.7 Millionen Powerball Jackpot Lotto. Mein Sieg war Gottes Geschenk an mich. Meine Wohltätigkeitsstiftung hat Sie als unseren glücklichen Begünstigten ausgewählt, die Summe von € 4.000.000,00 zu erhalten. Bitte kontaktieren Sie mich für alle Details …

Ist das nicht der Wahnsinn? Durch die Wohltätigkeit einer wildfremden Amerikanerin, die nichts anderes im Sinn hat als ihr ganz persönliches Glück mit mir zu teilen, ist die Erfüllung meiner (durchaus vorhandenen) materiellen Wünsche nur eine Mail entfernt.

Was mich einzig davon abhält, unverzüglich zu diesem Goldmariechen nach Trump-Land aufzubrechen und mich wie bei Moneymaker unter ihre Gelddusche zu stellen, ist die seltsame Tatsache, dass sie nicht die Erste ist, von der ich so verheißungsvolle elektronische Post erhalte. Würde ich alle Summen zusammenrechnen, die ich auf diesem Weg geschenkt, verdient, zugelost bekommen hätte, wäre ich heute schon zigfacher Mulitrillionär. Bis dahin aber hätten mich jene Summen, die ich vorab als „Bearbeitungsgebühr“ entrichten sollte, finanziell ruiniert.

Sohin wird es mit dem Geldsegen wohl noch ein Weilchen dauern. Als Liebhaber kleiner Geschenke würde ich mich schon über die Verbannung solcher Mails aus meinem Posteingang sehr freuen.

Eine Frage beschäftigt mich aber trotzdem: Wer hat dieser Singdrossel (Mavis, altenglisch) eigentlich gezwitschert, wann ich Geburtstag habe? Vielleicht schreibe ich ihr doch zurück.

Feder

 

10. Jänner 2018: Skandal um Heinzi

Wurde Heinz Christian Strache von Aliens entführt und durch eine Grinsekatze als Doppelgänger ersetzt? Dieser Schluss liegt nahe, wenn man jene Verwandlung betrachtet, die der FPÖ-Chef durchmacht, seit er Vizekanzler auf seinem Büroschild stehen hat.

Am Anfang war die Brille. Strache muss sich bei einem Blick in den Spiegel gedacht haben: „Das einzig Schneidige an mir ist nur noch mein Vornamenskürzel. Die Zeit als junger Oppositionshaudrauf ist wohl endgültig vorbei.“ Also beschloss er, ab sofort auf Staatsmann zu machen. Die Brille ließ ihn nicht nur älter, sondern auch seriöser wirken, was ihm schon bei den Koalitionsverhandlungen zugute kam. Dort war er auch nie der Gefahr verfänglicher Fotos ausgesetzt; statt drei Bier bestellte er nur noch ein stilles Wasser.

HC mäßigte auch seine Sprache. Sein politischer Instinkt machte ihm rasch klar, dass er als väterlicher Freund des juvenilen Kanzlers bei den Medien mehr reißt als durch das bloße Nachplappern einfältiger Kinderreime des Neo-Innenministers. Aus Daham statt Islam wurde sohin im Handumdrehen „Wir finden eine Lösung, die für unser Land am besten ist.“

Letzter Punkt auf der Verwandlungs-to-do-Liste: Der Vizekanzler nahm sich vor, sein Allgemeinwissen einige Stufen nach oben zu fahren. Unter dem Motto pimp my general knowledge surfte HC nächtelang durch Wikipedia-Seiten von A wie Alpenüberquerung Hannibals 218 v Chr. bis Z wie Zombiefilme. Bald danach war wieder ein Pressegespräch angesetzt, bei dem er mit seinem neu aufgeziegelten Hirnlexikon brillieren wollte. Kaum bekam der Vize vom Bundeskanzler das Wort zugeteilt, legte er schon los: „Wir machen es ab sofort in der Regierung wie die Spider Murphy Gang“, postulierte HC im Brustton der Überzeugung und setzte zitierend fort: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt.“

Ein paar ältere Journalistenhasen, die in deutscher Popgeschichte sattelfest waren, blickten einander irritiert an. Diese Zeile hatte doch eine andere Combo berühmt gemacht, aber welche bloß? Ein besonders findiger Schreiberling erinnerte sich gleich an den größten Hit der von Strache genannten Band und konstruierte daraus die halblustige Schlagzeile Skandal um Heinzi!

Filme und Liedtexte sind klassische Zitatfallen, über die man schon einmal stolpern kann; deshalb wird der neue Vizekanzler seinen Fauxpas auch nicht so tragisch nehmen. Viel wichtiger ist, dass die Bundesregierung trotz zahlreicher kerniger Querschüsse ihrem selbst verordneten Höhenflug treu bleibt. Sonst könnte ein kurzer Sturzflug mit nachfolgendem Totalschaden namens Neuwahlen die fatale Folge sein. Sämtliche Geier der Opposition warten nur darauf.

Geier Sturzflug – so heißt die deutsche Band. Danke, Heinzi!

Und hier die beiden Originale:
https://www.youtube.com/watch?v=RUdyqJuJOAs
https://www.youtube.com/watch?v=Qqp4y3mbkJo

 

Feder

 

9. Jänner 2018: Späte Erleuchtung

Der Preis für die Dummheit des Tages wurde heute schon früh vergeben. Um halb elf meldeten die Radionachrichten, eine Salzburgerin (39) hatte beim Abräumen ihres Christbaums drei nicht abgebrannte Wunderkerzen entdeckt. Dies bescherte ihr eine Idee, die in ihren Gedanken als perfekt gemaltes Weihnachtsbild erschien: Noch einmal den Geist von Heiligem Abend und Christkind auferstehen lassen! Sich im hellen Schein der Spritzkerzen etwas wünschen, das 2018 mit absoluter Sicherheit in Erfüllung gehen wird!

Nur Sekunden, nachdem die gute Frau ihren wunderbaren Einfall in die Tat umsetzte, trat tatsächlich Erleuchtung ein. Diese stammte jedoch nicht vom Stern von Betlehem, der sich spontan zu einem Wiederholungsbesuch entschlossen hatte. Vielmehr waren die nach über zwei Wochen doch schon recht trockenen Zweige des Nadelbaums aufgrund des unerwartet plötzlichen Temperaturanstiegs in unmittelbarer Nähe Feuer und Flamme, im wahrsten Sinne der Worte.

Was dagegen gesprochen hätte, die Wunderkerzen fürs nächste Weihnachtsfest aufzuheben oder einfach zu entsorgen, war dem Radiobericht nicht zu entnehmen. Nachdem die Entflammte durch die rasche Reaktion eines Nachbarn zum Glück nur leicht verletzt und auch ihr Haus gerettet wurde, lassen sich immerhin zwei interessante Schlussfolgerungen ziehen: 1. Wer vor Ideen nur so sprüht, möge die Gefahr ungewollten Funkenfluges ernst nehmen. 2. Wenn späte Erleuchtungen zu Feuer und Flamme werden, sollte ein Kübel Wasser stets in Griffweite sein.

Feder

 

4. Jänner 2018: Wenn zwei schwindeln

„Einen Schilling für jedes Mal, wenn du mich anschwindelst.“ Das Sprichwort aus meiner Kindheit kam mir gestern in den Sinn, als ich zwei Meldungen im Internet las, deren Verbindung sich erst auf den zweiten Gedanken offenbart. 1. Google hat 2016 durch Steuerschlupflöcher 6,1 Milliarden Dollar gespart. 2. US-Präsident Donald Trump hat seit seinem Amtsantritt genau 1.950 Unwahrheiten verbreitet. Er nennt das alternative Fakten, weil sein Intelligenzquotient offenbar nicht dafür ausreicht zu erkennen, dass sich diese beiden Begriffe gegenseitig ausschließen.

Ganz egal, denn für beide funktioniert es. Der Internetkonzern kommentierte lapidar, man halte sich in jedem Land an die geltenden Steuergesetze. Und Trump interessiert sich ohnehin nicht für Fakten, solange er den Größeren hat (Siehe die Tagessatire von gestern).

Zeit für eine kleine Milchmädchenrechnung: Für jede Lüge des mächtigsten Mannes der Welt sackt einer der mächtigsten Konzerne der Welt 3,128.205,13 Dollar an nicht bezahlter Steuer ein – Geld, das für Sozialausgaben fehlt. Fazit: Die Mächtigen erklären nicht nur die Lüge zur Wahrheit, wenn ihnen danach ist, sie verdienen noch dazu blendend damit. Auch ein Steuerschlupfloch ist nichts anderes als ein alternatives Faktum.

Schlechte Zukunftsaussichten für die Menschheit, wenn es 2018 und die Jahre danach so weitergeht. Es gibt aber Lösungen für das Schlamassel, das wir uns selbst aus purer Obrigkeitsgläubigkeit eingebrockt haben: 1. Weltweite Steuergesetze schaffen, die den Namen verdienen. 2. Beim nächsten Mal einen amerikanischen Präsidenten wählen, den das Amt verdient.

Feder

 

3. Jänner 2018: "Ich hab' den Größeren!"

Ich kenne kaum jemanden, der sich nicht gern an seine Kindergartenzeit zurückerinnert. Unbeschwerte Tage voll Lachen und Glückseligkeit, für die nur ein Glas Apfelsaft oder ein Tüteneis nötig war. Dazu das Entstehen eines Gefühls, das nicht benannt werden konnte und doch die Basis für ein gelingendes Leben legte: Freundschaft.

In der Sandkiste aber, da hörte die Freundschaft auf. Knallhart ging es darum, wer mit dem größeren knallroten Küberl mehr Sand aufhäufen und diesen danach mit dem größeren knallgrünen Schauferl plattklopfen konnte. Bei der Kampfausrüstung war ich durchaus ebenbürtig, nicht aber bei der Geschwindigkeit. Als die anderen Buben schon uneinnehmbare Trutzburgen errichtet hatten, lag vor mir noch immer ein unförmiger Sandberg.

Im Laufe der Jahre reifte in mir glücklicherweise die Erkenntnis, dass weder Küberlgröße noch Arbeitsgeschwindigkeit entscheidende Faktoren für Lebenserfolge darstellen. Vielmehr kommt es auf das Wie und das Was an – wofür setze ich meine Möglichkeiten am besten ein.

Nicht allen jedoch, und damit komme ich zum Punkt dieser Tagessatire, ist diese Entwicklung vergönnt. Das ist schade, denn außer dem Fokus auf das Wesentliche schenkt sie auch ein großes Maß an Gelassenheit. Und genau die fehlt dem mächtigsten Mann des Planeten.

US-Präsident Donald Trump wusste nichts Besseres, als auf die kindische Drohung von Babygesicht-Diktator Kim Jong Un aus Nordkorea („Der rote Knopf für die Atombomben ist immer auf meinem Schreibtisch!“) in gleicher Kindergartensprache zu antworten: „Dafür ist mein Knopf größer und auch viel mächtiger als deiner!“

Das Machogeplänkel zweier Egomanen, die einander wie stolze Pfauen ihre bunten Federn ins Gesicht halten, wäre amüsant, würde es sich nicht um zwei Militärführer von zumindest zweifelhafter geistiger Stabilität handeln. Wessen politischer Horizont nur dafür ausreicht, auf eine große Bombe mit einer noch größeren zu reagieren, dem sollte man wohl so rasch wie möglich die Codes für sein Lieblingsspielzeug wegnehmen. Ansonsten ist irgendwann alles Denken mit dieser einen Lösung ausgefüllt – und sie kommt zur Anwendung.

Ein Vorschlag zur Güte: Sämtliche Staatenlenker mit Atomwaffen vereinbaren einen gemeinsamen Termin in der Herrensauna. Dort wird unter notarieller Aufsicht überprüft, wer den Größten, Längsten, Dicksten hat. Eine weltweite Live-Übertragung des Events, in Deutschland moderiert von Florian Silbereisen und Helene Fischer, bringt bestimmt höhere Einschaltquoten als der Silvesterstadl und die Herrenabfahrt in Kitzbühel zusammen. Der Sieger darf sich obendrein mit Recht mächtigster Mann des Planeten nennen.

Dann ist vielleicht Ruhe – bis zur nächsten Wahl.

Feder

 

2. Jänner 2018: Déjà-vu für Aug' und Ohr

Wieder ein Jahr vergangen! Und noch dazu so schnell, dass ich meine Überzeugung, die erste Satire des Jahres 2017 könnte doch höchstens einen Monat alt sein, erst nach mehrmaliger Konsultation des aktuellen Datums als falsch akzeptierte.

Höchst bemerkenswert fand ich beim Stöbern in meiner satirischen Datenbank den Ort, an dem sich meine Eröffnungsgeschichte des vergangenen Jahres zugetragen hatte: beim McDonald’s in Feldbach. Vor allem deshalb, weil sich dort auch heute etwas beobachten ließ, das den Chronisten in die Tasten greifen lässt. Zudem weisen beide Episoden durchaus ähnliche Züge auf.

Zur Erinnerung: Vor einem Jahr beschwerte sich ein Pärchen im breitesten Südoststeirisch darüber, keine Ausgabe von Österreich im Zeitschriftenstand vorzufinden, einheimisches Zeugnis höchster Journalismus-Kunst. Heuer ging es ebenfalls um das Wort, jedoch um das gesprochene – sozusagen ein Déjà-vu für die Ohren.

Ich hatte gerade die formidable Schokosauce vom meinen Cappuccino krönenden Milchschaum gelöffelt, als drei Jungmänner um die Zwanzig mit ihren hoch beladenen Tabletts den Nebentisch anvisierten. Offensichtlich hatten sie mit mir – meine Ehrlichkeit zwingt mich zu dieser ironischen Spitze – nicht mehr gemeinsam als die Zugehörigkeit zur gleichen Spezies. Jeder einen beachtlichen Burgerfriedhof vor sich her schiebend, ließen sie ihre von Fastfood gestählten Luxuskörper auf den glücklicherweise stabilen Sitzmöbeln nieder, wickelten den erstandenen Kaloriennachschub geräuschvoll aus und begannen zu mampfen.

Der geneigte Leser mag an dieser Stelle zurecht einwenden, dass es sich bei der beschriebenen Szene um eine für den McDonald’s typische Alltäglichkeit handelt. Meiner deutschen Tastatur entweicht keinerlei Widerspruch; ich füge jedoch an, dass sich die Besonderheit schon wenige Sekunden später zu entwickeln begann. Kaum schlugen sich nämlich sechs Kiefer mahlend in von weitem als latschert erkennbare Weißbrothälften, fingen die drei zugehörigen Münder zeitgleich an, sich zu unterhalten.

Ich konnte es nicht glauben und noch weniger – in doppeltem Wortsinn! – verstehen. Sie redeten mampfend, antworteten mampfend, verneinten wortreich mampfend oder stimmten ebenso mampfend zu. Eine Sprache, die aus tiefstem Südoststeirisch und dem gleichzeitigen Genuss amerikanischen Schnellrestaurantfutters gebildet wird, hat bestimmt noch keinen Namen. (Vorschläge bitte an die Redaktion.) Und sie wurde bis heute, da bin ich mir absolut sicher, von keinem seriösen Wissenschaftler untersucht.

Meine Faszination endete in dem Moment, als der Anführer der eindrucksvollen Truppe (er versteckte den größten Bauch unter seinem knallroten Trainingsanzug, was ihm die Position des Alpha-Tiers verschaffte) in die kleine Runde blickte und verlauten ließ: „Üernoanaunanöra?“ Das Warten auf Antwort verbrachte er mit dem Verschlingen des letzten Bissens, dessen Größe zweifellos jedem Kuchenstück meiner Salzburger Lieblingskonditorei Tomaselli Konkurrenz machte. Beide Befragten stimmten zu; sohin erhob sich Knallrot schwerfällig und schritt breitbeinig zum Bestellterminal, um alsbald an der Budel die zweite Runde in Empfang zu nehmen.

Beinahe wehmütig erinnerte ich mich an das Pärchen von 2017, als ich Die Presse vor mir zuschlug, in wenigen Schlucken meine Kaffeetasse leerte und nach meiner Jacke griff. Auf der Tragödie zweiten Akt hatte ich keinen Appetit. Mir wurde klar, dass von nun an McDonald’s-Besuche akustisch sowie visuell von mampfenden Urlauten und ihren Verursachern begleitet sein würden. Jede Bestellung trug ab sofort ein grell leuchtendes Warnschild: „Hier geht’s zum Burgerfriedhof!“

Auch eine Form von Diät. Vielleicht die effizienteste aller Zeiten.

 

Feder

Butler

Begegnung auf Augenhöhe

Einer der Grundsätze, die mir das Leben mit meiner Krankheit erleichtern, lautet: Entweder erledige ich notwendige Dinge selbst, oder ich organisiere, dass sie passieren. Ein schönes Beispiel dafür war der Besuch eines Restaurants mit Selbstbedienung in Niederösterreich.

Da ich es für wenig sinnvoll halte, ein Tablett mit Teller, Besteck, Glas und Mineralwasserflasche selbst mühsam an die Kasse und dann an einen Tisch tragen zu wollen, nur um irgendwann doch das Gleichgewicht zu verlieren oder durch einen ungewollten Rempler einen ungewollten Aufruhr zu verursachen, bitte ich stets gleich am Anfang eine Angestellte, mir zu helfen. Die erfahrene Kellnerin, die ich ansprach, tat das ohne zu fragen, weil ihr ein Blick auf meine Beine wohl die Notwendigkeit dafür verdeutlichte. An der Kasse übergab sie das Tablett einer Kollegin, weil sie weggerufen wurde: „Trag das für den Herrn an einen Tisch.“

Sie schaute fragend drein, stellte sich jedoch ohne ein Wort mit mir in die Schlange. Da ertönte hinter uns eine weibliche Stimme: „Und nicht vergessen: Sie müssen für den Herrn auch das Fleisch schneiden!“

Bevor ich darauf antworten konnte, war ich schon an der Reihe. Ich bezahlte und hielt dabei nach einem freien Tisch am Fenster Ausschau. Gleich darauf ging die junge Dame wie angewiesen neben mir her. Ich setzte mich, sie stellte das Tablett vor mich hin und fragte: „Soll ich Ihnen das Fleisch schneiden?“

Ich war erstaunt – am meisten über den Klang ihrer Worte, in dem weder Arroganz noch ein Das kannst du nicht? mitschwang, sondern reine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft.

„Nein, die Frau hat vorhin nur einen Witz gemacht. Aber vielen Dank für das Angebot.“

Diese wunderschöne Begegnung auf Augenhöhe machte das Essen zu einem wahren Genuss.

Kernoel

Rede des Parteigründers der ÖKP

Ein Weinkeller irgendwo im Schilcherland. Vor großen Eichenfässern ist ein schlichtes Pult platziert, ein Mikrofon steckt in einem Zierkürbis. Der angekündigte Redner verspätet sich beträchtlich, doch die Wartezeit wird den Zuhörern mit großzügigen Kostproben der flüssigen Art verkürzt. Schließlich öffnet sich zwischen den Fässern eine Tür. Allgemeines Raunen erhebt sich, dann kehrt Ruhe ein.

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Vertreter der Medien und der Lügenpresse, liebe Ahnungslose vor den gebührenfinanzierten Sendungsempfangsgeräten des rotschwarzen Monopolfunks!

Hiermit erkläre ich nach langen Jahren erfolgreicher Tätigkeit als Kernölbotschafter fern meiner steirischen Heimat, dass die Zeit reif ist. Reif für eine neue Politik. Nein, für einen Neustart auf allen Ebenen. Nein, für eine neue Revolution! Deshalb gebe ich hier und jetzt die Gründung einer neuen Partei bekannt, die bei den kommenden Nationalratswahlen antreten wird. Der Name dieser Partei steht für alles, was in diesem Land seit ewigen Zeiten schmerzlich vermisst wird: Ehrlichkeit, Heimatverbundenheit, Fleiß und Zuversicht. Für all das tritt sie ein, die ÖKP: die Österreichische Kernölpartei!

Danke für den kräftigen Applaus, liebe Freunde. Ich sehe, Sie verspüren dieselbe Sehnsucht wie ich, die Sehnsucht nach Veränderung. Und genau diese Veränderung werde ich in meinem Parteiprogramm fordern. Als erstes starte ich ein steiermarkweites Volksbegehren gegen die schändliche Tatsache, dass nördlich des Semmering bereits mehr Kürbiskerne geerntet werden als bei uns, in der wahren Heimat des Schwarzen Goldes. Das geht gar nicht! Ich fordere hohe Einfuhrzölle gegen niederösterreichische Kürbiskerne. Ohne entsprechenden und bindenden Regierungsbeschluss darf der fesche Ex-ÖBBler weder TTIP noch CETA unterschreiben! Und sein Koalitionspartner kann bei dieser Gelegenheit gleich beweisen, wer bei den Schwarzen wirklich die Hosen anhat. Wenn Django Mitterlehner diesen für mich unverhandelbaren Beschluss nicht mitträgt, ist sofort klar wie Rindsuppe mit steirischem Wurzelgemüse, dass der Wind aus dem St. Pöltener Landhaus her weht.

Weitere Punkte des ÖKP-Parteiprogrammes werde ich rechtzeitig bis zu den Wahlen ausarbeiten und bekanntgeben. Es ist nicht anzunehmen, dass andere Parteigründer der letzten Wochen schneller sein werden. Nur Parteifarbe, Parteisymbol und Parteimotto stehen schon fest. Man wird die ÖKP an einem satten Schwarzgrün erkennen, an einem reifen Kürbis mit einem in die Zukunft weisenden Stängel und am Leitspruch, den ich wie das Licht der Erkenntnis vor mir her tragen werde: Salat ohne Kernöl ist wie ein Wiener Schnitzel ohne Panier. Und jetzt erheben Sie mit mir das Glas auf die neue Partei des Fortschritts, auf die ÖKP!

Zwei Stunden und noch mehr Gläser später ...

No zwa Sochn, die erschte an die Leit vu da Zeitung: Bittschei vawexlts mi net mit da KPÖ. Dei woan kuaz erfulgreich in Graz, owa nua duat. I wer alla in da Steiamoak a Grundmandat eifoahn, des is fix, sobold da Andi Gabaliä die Pateihymne eigsungan hot. Werds segn, die schiaßt vu null auf ans in die Tschards: Steiamoak, du stoakes Laund, rinnt as Wossa duach dei Haund wia des Kernöl in dei Maul, ba uns is kaner fia wos z'faul. Den Refrö hot a ma scho varrotn, da Andi.

Und as zweite geht an olle do: I suachat no a poa Leit fia vaschiedene Parteipostn. Bsunders da Finanzminister is no frei. I hob dreimol bam Frenk augfrog, oba sei Tochter, die Belinda, hot gmant, seit er as letzte Mol bam Settele im Auto gfoan is, traut er si in ka Vakehrsmittl mehr eisteign, net amol in sein Privatfliaga. A Übaweisung wiad er sicha mochn, oba des hot er scho friara vasprochn. Holt, des hot si jetzt greimt.

Draußn gibts no a Kernölblindvakostung. Wer darot, wölches Öl vu meim Sponsor is, kriagt fia a Untastützungserklärung an gaunzn Lita mit ham. Oiso pfiat eich, baba, untaschreibts und follts net!

Sudoku

Rätselhaftes beim Schachtelwirt

Im McDonald's beim Flughafen Graz, an einem Freitag knapp vor 18 Uhr. Es herrscht reger Betrieb, was auch daran abzulesen ist, dass alle lesbaren Tagesdruckerzeugnisse in Verwendung sind. Einzig fünf Österreich-Ausgaben stecken unberührt im Wandregal, daneben eine offensichtlich schon mehrmals gelesene, einsame KronenZeitung. Mit einem ergebenen Seufzer greife ich nach derselben, um wenigstens meine Schultermuskulatur mit zügigem Umblättern zu beschäftigen.

Mein Crispy Chicken Wrap hat schon zur Gänze den Weg seiner zerkauten Bestimmung gefunden, und ich will mich gerade dem Gartensalat zuwenden, als ich mitten in der für mich bisweilen diffizilen Aufgabe, das Balsamico-Dressing mehrheitlich auf dem Salat anstatt auf meiner Hose zu verteilen, abrupt innehalte. Auf genau der Anzeigenseite, wo neben automobilen, hellseherischen und horizontalen Angeboten auch die beiden Sudoku-Rätsel untergebracht sind, ist kein einziges der Kästchen durch eine Zahl entjungfert, nicht einmal durch einen senkrechten Strich, der den Versuch eines Anfangs andeuten könnte. Und das, obwohl fettige Burger- und Chicken-McNuggets-Finger überaus deutliche Spuren in der gesamten Zeitung hinterlassen haben. Das Sudoku wurde von niemandem angerührt.

Meine Irritation rührt von der Erfahrung her, zu so fortgeschrittener Stunde meist vollständig ausgefüllte Quadrate in der Krone vorzufinden. Zumindest der Schwierigkeitsgrad Amateur (den meine Mutter aufgrund der nicht vorhandenen Herausforderung stets verweigert, Anm.d.Chr.) ist fast immer gelöst, weil die Hürde selbst für die durchschnittlichen Rätselfans unter den durchschnittlichen Krone-Lesern nur die Höhe einer unterdimensionierten Treppenstufe aufweist und sohin unfallfrei zu überwinden ist.

Warum also hatte sich heute noch niemand dem Zahlen-Zeitvertreib gewidmet? Nachdem die Krone (traurig, aber leider nicht zu ändern) die auflagenstärkste Zeitung des Landes ist und gleichzeitig McDonald's der flächendeckendste Schnellimbiss, müsste logischerweise in jedem Lokal immer ein Leser des beliebten Kleinformats anwesend sein. Nimmt man nun auch noch alle Sudoku-Freunde in die Gleichung auf, ist die Chance, dass um 18 Uhr noch keines der quadratischen Rätsel gelöst ist, wohl verschwindend gering.

Während ich meinen Gartensalat samt Balsamico-Dressing gut durchschüttle (empfehlenswert ist hier die penible Prüfung, ob der Deckel fest auf der Plastikschale sitzt; sonst passiert das zuvor mühsam vermiedene Hosen-Malheur doch noch), schweift mein Blick durch das Lokal, auf der Suche nach einer visuellen Lösung für das knifflige Sudoku-Krone-McDonald's-Rätsel. Ich will schon aufgeben und mit Hilfe der kackbraunen Plastikgabel nach der einsamen Kirschtomate im Salat suchen, als ich der neuerdings eingeführten Bestellterminals angesichtig werde, die aussehen wie Smartphones aus dem Lande Brobdingnag, wo Gulliver den Riesen begegnet.

Auch ich war anfangs irritiert, als ich meine Bestellung nicht mehr einer hübschen Studentin diktieren durfte, die ihr karges Stipendium mit einem Nebenjob aufbessert. Die routinierte Bedienung dieses überdimensionalen Touchscreens bedarf einiges an Übung, wenn man nicht den falschen Burger, das falsche Wasser und das falsche Salatdressing an der ebenfalls neuen Ausgabetheke (jetzt steht die hübsche Studentin hier, wenigstens etwas) entgegennehmen will.

Angesichts der vielen schweren Entscheidungen, die man – angefangen von Hier essen oder Mitnehmen bis Mit Karte zahlen oder An der Kasse zahlen – treffen muss, erkenne ich im Bruchteil einer Sekunde, warum das Sudoku noch immer auf einen Zahlenkästchen-Kämpfer wartet. Für die durchschnittlichen Rätselfans unter den durchschnittlichen Krone-Lesern ist der Bestellvorgang am Riesentouchscreen eine spannende intellektuelle Herausforderung. Nach erfolgreicher Meisterung derselben ("Schatzi, heute hab' ich echt einmal bekommen, was ich gedrückt habe! Du auch?") sind die Grauen Zellen müde und müssen sich eine Weile ausruhen. Da reichen die Reserven nur noch für das Verarbeiten der Schlagzeile "Schlechte Noten für unser Bildungssystem!" und ein bisschen aktives Schultermuskeltraining.

War das jetzt höchste Satire oder tiefster Zynismus? Jede Meinung erkenne ich kritiklos an, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass noch Hoffnung besteht. Erinnern Sie sich an meine zu Beginn erwähnte Beobachtung von den unberührten Österreich-Ausgaben? Die KronenZeitung gehört beileibe nicht zu den höchsten Insignien journalistischer Schöpfung, doch erst wenn alle Exemplare jener blamablen Schundpostille, die mit ihrem Auftauchen vor zehn Jahren den ohnehin schon tiefen Boden des Niveaufasses mühelos durchschlagen hat, beim Schachtelwirt in Verwendung sind, sollten wir wirklich langsam nervös werden.

Versuch einer Einladung

Sonntag Nachmittag im Café Sacher. Nach einem intensiven Schreibwochenende gönne  ich mir wieder einmal meine kulinarische Lieblingssünde, ein kleines Savarin, bevor ich den Tag mit einer Komödie im Kino ausklingen lasse. Es herrscht viel Betrieb, doch am Fenster gegenüber der Kuchenvitrine wartet ein freier Tisch auf mich. Mein Seufzer schließt Erleichterung, Zufriedenheit und Vorfreude zu gleichen Teilen ein.

Am Nebentisch sitzt eine alte weißhaarige Dame, gebeugt von wohl mehr als achtzig Jahren. Die Aura ihres Begleiters, Großneffe oder Enkel dürfte ganz gut hinkommen, verströmt so viel Wohlstand, als wurde erst kürzlich ein neues, extra penetrantes Parfum dafür auf den Markt geworfen: hellblaue Wildlederslipper,  Maßsakko und eine Breitling, die kaum nach einem Mitbringsel vom letzten Strandspaziergang in Caorle aussieht. Seine Solariumbräune schafft es nicht ganz, die Langeweile in seinem Gesicht zu kaschieren.

Eine Kellnerin serviert den beiden Kaffee. Plötzlich zieht der junge Mann ein ultraflaches Mobiltelefon aus der Tasche und sagt: „Damit ich den Kleinen Braunen mit dir in Ruhe genießen kann, muss ich vorher noch eine Überweisung machen.“ Die alte Dame schaut ein wenig verwirrt, deshalb setzt er hinzu: „Der Reifenschaden, du weißt eh.“

Er beginnt hektisch, auf seinem Display zu wischen. Die Dame greift nach ihrer Tasse, zieht die Hand jedoch wieder zurück. Offensichtlich will sie nicht unhöflich sein.

„Nein, fang ruhig an“, meint  ihr Gegenüber, ohne sie dabei anzusehen. Im nächsten Moment springt er auf und sagt: „Der TAN-Code wird auf mein anderes Handy geschickt. Das muss ich schnell im Auto holen.“ Ohne ein weiteres Wort wendet er sich ab und verlässt eiligen Schrittes das Café.

„Die moderne Technik“, sage ich laut, weil mir die alte Frau leid tut. Sie reagiert nicht, ob aus mangelndem Hörvermögen oder aus Trauer, von diesem Flegel so rüde sitzen gelassen zu werden.

Als er nach mehr als zehn Minuten wieder erscheint (Ist das Auto jenseits des Kapuzinerbergs geparkt?, denke ich zynisch), hat die Dame ihre Tasse zur Hälfte geleert.

„So, alles erledigt“, sagt der Schnösel. „Jetzt können wir Kaffee trinken.“

Die alte Dame weist ihn auf einen Buben hin, der mit großen Augen vor der Vitrine steht und dann hektisch seinem Vater zuwinkt. „Schau, wie nett der Kleine ist.“

Der blöde Kerl hat aber schon wieder sein Handy in der Hand und wischt darauf herum. Da gibt die alte Dame es auf und seufzt. „Du solltest zahlen. Hast du die Kellnerin schon gerufen?“

„Nein, aber ich mache es gleich.“ Er hat keinen Blick für sie, nur für sein Telefon. „Du kannst vorausfahren, wenn du willst.“

„Wie meinst du das?“ Sie schaut ihn fragend an.

„Es war der Versuch eines Witzes.“

„Dann werde ich versuchen, darüber zu lachen“, kommentiert die noble Dame trocken, schüttelt leicht den Kopf und erhebt sich mühsam. Er findet es nicht der Mühe wert, ihr den Arm zu reichen.

Das war wohl der Versuch einer Einladung. Ich schaue der alten Frau nach, wie sie langsam und auf ihren Stock gestützt zum Ausgang geht.

Wie klein und flach Mobiltelefone in Zukunft auch sein mögen: Die Ignoranz, sich dahinter zu verstecken, ist immer groß genug.

Wenn Festspielgäste leiden

Von den furchtbaren Leiden der Festspielgäste berichten die Salzburger Nachrichten am 1.9.2015 auf Seite 9 ihrer Regionalbeilage. Das italienische Ehepaar Matilde und Fulvio Galleano, beide seit fünfzehn Jahren treue Besucher des Festivals, war unterwegs zu Beethovens Missa Solemnis in Großen Festspielhaus, als es einen Parkschaden verursachte. (Der Artikel gibt nicht an, wer von den beiden hinter dem Steuer saß, doch gehen wir einmal ganz logisch davon aus, es war die Frau.) Die Diskussion mit dem Unfallgegner, so heißt es in dem Artikel weiter, führte zu keinem Ergebnis – wohl auch wegen der Sprachbarriere.

Und schon befinden sich alle Fantasierädchen in meinem Kopf in wilder Rotation. So oder so ähnlich hat sich der verbale Länderkampf nach dem Bums abgespielt:

„Scusi!“

„Nix Bussi, Gnädigste. An Busara habenS‘ ma in mein neuen Lack einig’macht.“

„Ma non è un problema. Quanta costa?“

„Von welcher problematischen Küste Sie kummen, is mir gleich. Hier geht’s auch net um Flüchtlinge, sondern um mei‘ Auto! Los, gemma Unfallbericht schreib’n.“

Das italienische Paar starrt völlig verständnislos auf das Versicherungsformular. Das bringt die Gegenseite noch mehr in Rage.

„Guat, wenn's mit eich net anders geht, ruf‘ i jetzt die Polizei!“

„Polizia? No, non abbiamo tempo!“

„Jo, i find‘ die G’schicht a zum Wana. Leider hob i grod ka Tempo eing’steckt!“

Herr und Frau Galleano stecken kurz die Köpfe zusammen, entscheiden sich schließlich für die Freiheit zur Kunst und gegen den Zwang zur Kontrolle. Sie winken zum Abschied mit den zwei Konzertkarten um 290 Euro und fahren davon.

Der Rest der Episode ist kurz, aber für die italienischen Kulturfreunde finanziell schmerzhaft. Obwohl sie am nächsten Tag bei der Polizei alles zugeben, was der Unfallgegner selbstredend angezeigt hat, setzt es eine Strafe von 250 Euro – wegen Fahrerflucht.

„In Italien wird die Polizei wegen eines kleinen Parkschadens nicht tätig“, zitiert die Zeitung den Versuch einer schwachen südländischen Ausrede. Klar, die Exekutive unserer Nachbarn ist einzig mit den fiskalen Kollateralschäden beschäftigt, die ein gewisser Silvio B. hinterlassen hat.

Fulvio und Matilde reagierten verärgert, schließt der Bericht. Sie stornierten ihre Buchungen für 2016 und informierten davon die Spitzen des Landes, der Stadt und der Festspiele. Am meisten freuen dürfte das jedoch all jene, die im nächsten Jahr rund um die Aufführungsorte ihre Autos sicher parken möchten.

Es ist wohl dem alljährlich grassierenden Festspielfieber zuzuschreiben, dass der ungenannte Journalist der SN hier aus Tätern Opfer macht, ohne mit der Feder zu zucken. Mir beschert der Vorfall eine spontane Geschäftsidee: Sollte ich im kommenden Sommer Geld brauchen – was ziemlich sicher der Fall sein wird –, überfalle ich einfach eine Bank. Wenn ich geschnappt werde, ziehe ich ganz locker eine Eintrittskarte aus der Tasche und rufe: „Tut mir leid, keine Zeit für die Polizei. Ich muss zum Fidelio!“

(Foto: Gmachl.com)

"Mozart? Nie gehört!"

„Ach, Sie haben ein Buch geschrieben? Worüber?“

Je öfter mir diese Worte entgegenwehen, desto heftiger verspüre ich den Wunsch, meine Lieblingsantwort würde der Wahrheit entsprechen: Von meinem letzten Roman wurden mehr als hunderttausend Stück verkauft, und das Buch davor wird gerade mit Tom Cruise, Gwyneth Paltrow und Arnold Schwarzenegger (ein Kernöl-Bezug muss sein)in den Hauptrollen verfilmt.

Kaum ist dieser sekundenlange Tagtraum zu Ende, sage ich brav: „Es gibt zehn Bücher, darunter drei Romane, Satiren und Gedichtbände.“ Wenn ich es noch schaffe, meine Karte an den Mann oder die Frau zu bringen, folgt meist ein rhetorisch-höfliches „Ich schau‘ mir alles auf Ihrer Homepage an, ok?“ – und dann der Themenwechsel.

Episoden wie diese beweisen schon seit langem, welchen Bekanntheitsgrad meine Bücher haben. Positiv formuliert, sind sie der geheimste aller möglichen Geheimtipps. Trotzdem werde ich in wenigen Wochen bei Hinz und Kunz bekannt sein, Schriftsteller-Status hin oder her. Was heißt bekannt: Ich werde ein Weltstar sein!

Vor wenigen Tagen ging ich wie so oft durch die Salzburger Getreidegasse. Am Brennpunkt von Sommer-, Ferien- und Festspielzeit, am Kreuzungspunkt gewaltiger Horden von Italienern, Japanern, Russen und Amerikanern wurde der eigentlich kurze Weg vom Schatz-Durchhaus bis zur Fluchttreppe hinauf ins Café Mozart zu einem Hindernislauf. In dem Bemühen, die perfekten Urlaubserinnerungen der Salzburgbesucher nicht zu ruinieren, weil ich etwa durch das Foto vor Mozarts Geburtshaus latsche, duckte ich mich unter Kameras, wich Gruppen aus, die wie blind der erhobenen Fahne ihres Fremdenführers nachrannten und umrundete einen Marionettenspieler samt staunendem Publikum. Nicht anders verlief der Rückweg durch die Schmuckpassage, über den Universitätsplatz und entlang der Philharmonikergasse.

Eine neue Mode macht seit kurzem selbst die kreativsten Störvermeidungsverrenkungen zunichte: Fotografieren mit dem Selfie-Stick. Wegen dieser Ego-boost-Erfindung gerät der ahnungslose Spaziergänger plötzlich nicht mehr nur ungewollt auf ein Bild, wenn er sich im falschen Moment zwischen Fotofinger und Zielobjekt befindet, sondern auch hinter einer Person, die gerade auf ihre Teleskop-Fernbedienung drückt.

All diesen Fotos auszuweichen ist schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Also beschloss ich kurzerhand, mich nicht mehr zu ducken, zu verrenken und keine Haken mehr zu schlagen. Nur den Marionettenspieler werde ich auch weiterhin verschonen, wenn er eine gute Performance liefert.

Weil ich mindestens einmal wöchentlich in der Altstadt unterwegs bin, werde ich bis zum Ende dieses Festspielsommers auf zahllosen Handyfotos, Tabletfilmen und Digitalkameraspeichern verewigt sein. Wenn Sie also einen Bald-Mittvierziger durchs Bild huschen sehen, der zielstrebig auf das Café Glockenspiel zugeht, haben Sie eine bleibende Erinnerung von mir.

Und vielleicht fragt einmal Ihr Enkel beim Betrachten der alten Bilder: „Opa, wer ist dieser grüne Mann hinter dem Kernölbotschafter? Mozart? Nie gehört!“

Festspielzeit ist

Festspielzeit ist, wenn mir trotz Hochbetriebs das Glück eines im genau richtigen Moment frei werdenden Tisches auf der Terrasse des Café Tomaselli zuteil wird. Wenn mindestens drei schwer beladene Kellner mir im Vorbeigehen zurufen: „Der Kollege kommt gleich!“ Und wenn mir das nichts ausmacht, weil es Vorfreude und Schau-Genuss gleichermaßen verlängert.

Festspielzeit ist, wenn sich auf den ersten Blick klärt, wer zur nächsten Matinee gehen wird, wer von der letzten Premiere gekommen ist und wer nur sehnsüchtig auf das Mittagessen wartet. Wenn der Ehemann zwecks Kauf eines Anzugs zum Dantendorfer geschleppt werden muss. Und wenn trotz dieses Erfolges alle weiblichen Überredungskünste nicht dazu führen, dass er auch seine ausgetretenen schwarzen Halbschuhe, die noch aus dem letzten Jahrtausend stammen, zugunsten eines neuen Paares der Altkleidersammlung überantwortet.

Festspielzeit ist, wenn Japaner die luftigsten Sommerhüte tragen, Italiener die coolsten Sonnenbrillen und Musliminnen die buntesten Kopftücher. Wenn sogar die Tauben auf dem Alten Markt wie nach einer einstudierten Choreographie umherstolzieren. Und wenn auch der Glasmusiker hintereinander ein Stück von Mozart, von Haydn und von Händel zum Besten gibt.

Festspielzeit ist, wenn die Buhlschaft mit dem Tod vor dem Triangel sitzt. Wenn Frau Präsidentin zwischen zwei Melange Stammgäste begrüßt, Intendanten verabschiedet und der Presse ein Interview gibt. Und wenn sich drohende Gewitterwolken aus purem Anstand rechtzeitig vor dem Jedermann auflösen.

So komm' ich nie ins OSC

Meine Profession als Schließanlagenfachverkäufer kombiniert auf geniale Weise die Tätigkeit eines Kummerkastenonkels für verlorene Schlüssel, des Vertrösters auf einen leider doch späteren Liefertermin und eines Schuldeneintreibers in der Art des frühen Rocky Balboa. Anstatt jedoch verzagte Damen wie ein Gentleman alter Schule persönlich zu beruhigen, aufgebrachten Händler am anderen Ende des Landes persönlich eine Zwischenlösung in Form einer Bauschließanlage vorbeizubringen oder säumigen Zahlern persönlich den kleinen Finger zu brechen, wie Rocky es getan hätte, erledige ich das heutzutage alles modern und bequem per Telefon.

Nun ja, modern – vielleicht; bequem – eindeutig nein. Besonders in der Urlaubszeit steigert sich die ohnehin schon hohe Anruferzahl bisweilen um das Doppelte. Während ich also versuche, eine Dame nach erfolgter Beruhigung abzuwimmeln, bevor sie mir ihre herzzerreißende Geschichte ein drittes Mal erzählt, warten zwei weitere Anrufer in der Leitung. Dazwischen höre ich das hässlich-vertraute Ping! der Mailbox und stelle fest, dass wieder drei neue Nachrichten eingegangen sind. Meist werde ich darin ultimativ zum Rückruf aufgefordert, weil „i net scho wieda mit eirer depperten Maschin reden wü“.

Interessanterweise beschränkt sich dieser hektische Arbeitsalltag auf den österreichischen Markt. Die beiden Kollegen Markus und Stefan vom Export nebenan werkeln ruhig und gelassen vor sich hin, führen hin und wieder kurze Gespräche mit Kunden oder Außendienstkollegen in Kroatien oder Bulgarien und blockieren dann und wann eine Lieferung, wenn die griechischen Banken wieder einmal kein Geld herausrücken.

Während einer unerwarteten, jedoch höchst willkommenen Telefonpause – vermutlich hatte irgendein Schaufelbagger die Hauptglasfaserleitung zwischen Salzburg und dem Rest des Landes durchtrennt – fiel mir auf, wie ruhig es im Nebenbüro war.

„Bei euch läutet nie das Telefon“, nutzte ich sogleich diese Chance zur Beschwerde. „Bei mir dagegen ununterbrochen.“

Markus, nie um eine Antwort verlegen, schickte postwendend eine Begründung durch die offene Verbindungstür: „Das kommt daher, weil wir nur zufriedene Kunden haben.“

Ich wollte etwas zurückschießen, doch das Telefon kam mir dazwischen; für die beiden Kollegen nur ein weiterer Beweis ihrer These. Somit war bald ein neuer Begriff geboren: Wer etwas auf sich hält, sitzt im Office of Satisfied Customers, kurz OSC.

„Und wie komme ich ins OSC?“, fragte ich wenig später vor Ort, um mir ein bisschen die Beine zu vertreten und das rechte Ohr abzukühlen. Das beständige Klingeln ignorierte ich – es gibt ohnehin eine Mailbox.

„Du musst einfach an deiner Kundenzufriedenheit arbeiten“, sagte Markus von oben herab, obwohl er saß und ich stand. Stefan nickte nur dazu, mit einem wissenden Lächeln.

Und ich mühte mich nach Kräften, dieses hehre Ziel zu erreichen. Ich wurde noch freundlicher, noch kompetenter, noch verständnisvoller. Die mannigfaltigen Beschwerdeanrufe wurden aber nicht weniger; das Gegenteil trat ein.

Vor einigen Tagen erlebten meine Ambitionen auf eine OSC-Mitgliedschaft einen schweren Dämpfer. Ein Kunde von mir hatte die Zahlungsfrist um zwei Monate überzogen und sich dann auch noch drei Prozent Skonto abgezogen. Buchhalterin Pia schickte deshalb eine Nachforderung; als sich auf dem Kundenkonto kein Eingang zeigte, schickte sie die fälligen Mahnungen hinterher.

Es war mein letztes Telefonat vor dem Wochenende. Erst stellte sich der Mann dumm („Ich hab’ eh bezahlt!“ – „Aber zu wenig!“), dann vertröstete er mich („Rufen’S am Nachmittag an, wenn die Frau da ist!“ – „Da bin ich nicht mehr da!“). Als ich ihm freundlich, aber bestimmt mitteilte, dass sein Konto bis zur Begleichung der offenen Summe gesperrt bleibe, blaffte er: „Leckt’s mi am Oasch!“

Noch bevor ich meinen Kollegen im Nebenbüro von dieser kleinen, aber feinen Episode berichtete, kannte ich schon ihren Kommentar dazu. Und der war für mich so bitter wie berechtigt.

„Es tut uns echt leid, Hannes. So kommst du nie ins OSC!“

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