Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Das etwas andere Tagebuch

KB Maske01

 

21. April 2020: Älter werden

Hey KB, stylische Maske! Abgesehen davon: Weißt du überhaupt, wie spät es ist?

Ich bin heute ein bisserl spät dran, sorry. Laut Alexa ist es 10 vor 5.

Exakt, aber am Nachmittag, nicht in der Früh. Seit wann nimmst du dafür eine Frau zuhilfe?

Seit sie bei mir eingezogen ist. Ist dir klar, HG, warum für diesen Sprachassistenten eine weibliche Stimme gewählt wurde?

Du wirst es mir bestimmt gleich mitteilen, o Kernölbotschafter, Hüter der Weisheit.

Streng deine kleinen grauen Zellen ruhig selbst ein bisschen an – das ist doch klar wie Rindsuppe ohne Frittaten. Weil sie immer zurückredet! Weil sie auf alles eine Antwort hat! Und wenn sie sich einmal nicht auskennt, gibt sie das nicht zu! Stattdessen sagt sie: „Hier ist Musik, die dir gefallen könnte“, und spielt irgendeinen Schrott. Ich sage dir, die Welt steht nimmer lang, Jetzt überholen uns die Damen sogar schon bei der Technik! Wo soll das noch hinführen, bitteschön?

Naja, in der Satire sind wir aber noch vorn.

Du meinst, ich bin vorn. Das kann schon sein, aber sie planen sicher längst den Angriff auf diese unsere letzte Bastion. Wenn wir sie nicht mit allem verteidigen, was wir haben, sind wir geliefert!

So trübe Gedanken heute? Und wenn es gestattet ist, du schaust ziemlich fertig aus. Wie kommt’s?

Ich weiß auch nicht … Das warme Wetter tut mir nicht gut.

Frühlingsgefühle?

Spürt man die in den Knochen? Wenn ja, wäre ich der größte Casanova seit … äh … Casanova. Die Wahrheit ist viel trauriger: Mir tut mein Kreuz so weh, dass ich heute fast nicht aus dem Bett …-

Das ist es, mein lieber KB! Du wirst älter!

Hör auf, HG, du machst mir Angst!

Kein Grund, dich zu fürchten. Weißt du, warum Geburtstage die gerechteste Erfindung aller Zeiten sind? Jeder Mensch kommt einmal im Jahr dran!

Wenn deine Knochen so schwach sind wie deine Pointen, besteht nicht mehr viel Hoffnung!

Und genau deshalb bist du bei mir angestellt, KB. Was ich sagen wollte: Alter ist immer eine Frage der Perspektive. Erinnerst du dich an die beiden Autostopperinnen vor zwanzig Jahren in Rif?

Älter werden

„Mei, des is‘ liab von dir!“, tönten die beiden jungen Damen nahezu gleichzeitig, während sie mit klatschenden Geräuschen meine Rückbank in Beschlag nahmen. Die Kleinere der beiden, welche die Forschere zu sein schien, schloss ihrer freudigen Dankbarkeit gleich eine Aufforderung an: „Du foast eh noch Soizburg?“

„Eigentlich nur bis Rif“, erwiderte ich wahrheitsgetreu, doch es brauchte nicht ihre erschrockenen Gesichter, damit mir einfiel, dass ihnen damit nicht geholfen war. Wenn ich sie in Rif (diesem Dorfanhängsel, das nicht wusste, ob es zu Hallein oder zu Salzburg gehören wollte) absetzte, wäre das keine nette Geste, sondern hinterhältiger, als sie im Halleiner Regen stehen zu lassen. Von dort würden sie kaum weiterkommen.

Doch der Engel, der in jener Nacht auf meiner Schulter saß – und ob der gezeigten Nächstenliebe schon stolz auf mich war –, flüsterte mir bereits eifrig ins Ohr.

Warum bringst du die beiden Mädchen nicht nach Salzburg? Sie waren im Kino oder bei Freunden und haben den letzten Bus versäumt. Ihre Eltern machen sich sicher schon Sorgen.

Es sprach wirklich nichts dagegen, die gute Tat um zehn Kilometer zu verlängern, also reichte ich den Vorschlag des Engels gleich an meine Fahrgäste weiter.

„Mei, super!“, rief die Kleinere so laut, dass ich zusammenzuckte. „Do homma heit a Glück, Manu!“

Nach einer Weile begannen der Arbeitstag und die späte Stunde schwer auf meine Lider zu drücken. Also versuchte ich, eine Unterhaltung in Gang zu bringen.

„Was macht ihr zwei denn so?“

„Chris studiert, und ich arbeite in Hallein“, erwiderte Manu, und mir fiel auf, dass ihr Dialekt kaum hörbar war. Kaum hatte ich diesen sekundenlangen Gedanken beendet, griff ihre Freundin das Thema auf.

„Von do bist du oba nit“, stellte sie treffsicher fest. „Woher kummst?“

„Aus der Steiermark“, gab ich zurück, ein wenig zerknirscht darüber, dass selbst nach vier Jahren ein einziger Satz genügte, um diesbezüglich Erstaunen auszulösen. Obwohl ich schon viele hiesige Vokabel in meine Umgangssprache eingebaut habe, werde ich immer noch auf frischer Tat ertappt. Chris aber schien mit der erteilten Auskunft zufrieden und verstummte.

„Wo wart ihr heute Abend?“, wechselte ich auch gleich gekonnt und hochdeutsch das Thema, als wir die Stadtgrenze erreichten.

„Bei mir“, ertönte Manus Stimme knapp. Irgendetwas an ihrer Antwort kam mir seltsam vor, doch ich konnte es nicht klar deuten. Als ich mich aber nach dem Ort erkundigte, wo ich sie absetzen sollte – eine informative Formalität gewissermaßen –, wurde mein eigentlich felsengleiches Selbstbewusstsein aus der Bahn geworfen. Nicht von der genannten Stelle, sondern durch die schockartige Aufklärung des Irrtums, welchem ich gemeinsam mit meinem Engel aufgesessen war.

„Wir möchten auf der Staatsbrücke aussteigen.“

„Wie bitte?“ Verstanden hatte ich es schon; trotzdem musste ich es noch einmal hören.

„Na ja, nicht direkt auf der Staatsbrücke“, setzte Manu nachsichtig hinzu. „Irgendwo in der Gegend.“

„Wir miass’n vorher eh no zur Nochttrafik“, meldete sich Chris wieder zu Wort, und damit konnte ich mir endlich eingestehen, dass meine Hilfsbereitschaft nicht Heimkehr, Pyjama und Nachtgebet zum Ziel hatte, sondern Shamrock, O’Maley’s und Chez Roland. Oder ein wenig plakativer ausgedrückt: Antrinken, Abtanzen, Einrauchen.

Zum ersten Mal in meinem Leben verstand ich den Begriff vom Generationswechsel. Meine eigenen Sinne verlangten nur noch nach Schlaf, während die beiden Damen in meinem Wagen, nach persönlicher Schätzung gerade zwanzig, erst so richtig loslegten. In diesem Moment kam ich mir unglaublich alt vor. Es wurde sogar noch schlimmer, denn jetzt schlug auch noch der Vaterinstinkt bei mir durch.

„Wie kommt ihr wieder nach Hause?“

„Um halb sechs geht der erste Zug“, informierte mich Manu fröhlich und versetzte mir dadurch einen weiteren Tiefschlag. Doch wie die Selbstverständlichkeit in ihrer Stimme vermuten ließ, war das ein durchaus üblicher Termin.

„Oder wir stoppen“, meinte Chris beim Aussteigen. Die beiden bedankten sich, warfen mir noch ein cooles Ciao zu und waren verschwunden.

Unter meiner Bettdecke, schon auf der Fähre ins Traumland, kam mir meine Sorge um ihre sichere Heimkehr unbegründet vor. Irgendein alter Knacker wie ich würde sie schon mitnehmen.

 (Aus „Der Kernölbotschafter – Satirische Miniaturen“ Weishaupt Verlag, Gnas 2006/2015)

Erkenntnis des Tages: Nicht nur Geburtstage sind unausweichlich, auch gute Taten. Wenn wir im richtigen Moment unserem Herz die Führung überlassen, gelingen sie und kommen vielfach zurück.

Zitat des Tages: „Hast du ein paar von diesen Ferrari-Schokoladen, damit ich mich bei Christl für die Zwetschken bedanken kann?“ (Meine Mutter kennt meine Vorliebe für Ferrero Rocher.)

Song des Tages: Stranger In A Car (Der wunderbare Liedermacher Marc Cohn singt das Lied für alle Autostopper dieser Welt. https://www.youtube.com/watch?v=P3jqSEshkhs

Feder

Was ich Ihnen schon immer ...!

Der Kernölbotschafter bleibt am Ball

12. Februar 2020: Sehr geehrte Frau Dr. Pamela Rendi-Wagner!

Manchmal ist es einfach so: Wenn man kein Glück hat, kommt Pech auch noch dazu. Da waren Sie endlich dabei, die ersten größeren Geschütze gegen den Kanzler aufzufahren, und plötzlich versetzt Ihnen ausgerechnet die KronenZeitung, längste Zeit das schreibende Sprachrohr des von euch Sozen so beschworenen kleinen Mannes, einen bitteren Stich ins Herz des gerade erst zart aufkeimenden Selbstbewusstseins.

In der bunten Sonntagsbeilage des rotweißroten Leitmediums, seit jeher unfassbar kreativ Krone Bunt betitelt, fand sich unter dem Aufmacher Das Jahrhundert der Frauen eine Rangliste der weiblichen Prominenz Österreichs. Die Top 100 jenes Geschlechts, das nur mehr solche Männer schwach nennen, die unbedingt wissen möchten, wie sich ein von geballter Frauen-Power losgetretener Shitstorm am eigenen Leib anfühlt.

Warum Karoline Edtstadler die Liste anführt, liegt jenseits meines Erkenntnishorizonts. Wohl ist sie Europaministerin und gilt als knallharte Karrieristin, aber gute Ellbogentechnik allein sorgt nicht für Bekanntheit und Bedeutung. Es könnte aber sein, dass die perfekte Message Control des Kanzlers wieder zugeschlagen hat – zähneknirschend nahm er zur Kenntnis, dass er diesmal ausnahmsweise nicht von der Spitze des Rankings lachen konnte. Daraufhin machte Sebastian Kurz seinen Einfluss geltend, damit es wenigstens eine ihm genehme Dame tut.

Jetzt denken Sie bestimmt: „Diese Sorge möchte ich haben!“, Frau Dr. Rendi-Wagner. Verständlich, denn mit den Spitzenplätzen der 100 wichtigsten Frauen Österreichs haben Sie nicht wirklich viel zu tun. Genauer gesagt, gar nichts. Ihr Zeigefinger musste auf der Liste ein ganzes Drittel nach unten rutschen, bis Sie Ihren eigenen Namen notiert fanden.

Als Vorsitzende der wichtigsten Oppositionspartei der Republik liegen Sie – gut festhalten! – am 33. Platz. Das löst entweder Depressionen oder den heftigen Wunsch aus, sich sofort einen Rausch des Vergessens anzusaufen. Wahrscheinlich fällt Ihr Rang deshalb auf eine Schnapszahl. An dieser Stelle hätten Sie das knallbunte Machwerk zuschlagen und sämtliche Krone-Abos aller SPÖ-Funktionäre auf einen Schlag kündigen sollen. Das haben sie nun davon, diese selbstgerechten, überheblichen, frechen Journalisten!

Aber … naja … Sie sind auch nur ein Mensch und als solcher von Natur aus neugierig. Also warfen Sie doch einen Blick auf die vor Ihnen gereihten Namen. Karoline Edtstadler? Die hat bestimmt jemanden bestochen. Doris Schmidauer? Kannte kein Schwein, hat aber immerhin gut geheiratet und ist jetzt First Lady. Brigitte Bierlein? Hätte ich verhindern können, habe ich aber nicht.

Sie schluckten die Erkenntnis, nun nie mehr erste Bundeskanzlerin Österreichs werden zu können, hinunter und gingen weiter die Liste durch. Bald setzte es den nächsten Tiefschlag – Mirjam Weichselbraun ist 14.! Dancing Stars und Opernball sollen wichtiger sein als Spitzenpolitik? Sie verstanden die Welt nicht mehr. Noch dazu macht dieses Blondchen Werbung für Spar Natur Pur! Wenn die sich vor eine Almhütte stellt und den versammelten Kühen „Ich will Bundeskanzlerin werden!“ zuruft, kriegt sie mehr Vorzugstimmen als der Strache eine Woche nach Ibiza!

Ihre Sehnsucht, wieder als Tropenmedizinerin zu arbeiten, muss übermächtig gewesen sein. Das verstehe ich, aber zugleich rufe ich Ihnen zu: Es gibt Hoffnung! Auf Platz 19 der einflussreichsten Frauen Österreichs finden Sie eine gewisse Eva Dichand. Als Herausgeberin hat sie einen großen Vorteil: Sie muss nicht rufen: „Ich will Bundeskanzlerin werden!“, sondern kann, kraft ihrer Zeitung, einfach eine machen. Vielleicht laden Sie die Dame auf einen Kaffee in die Löwelstraße ein und beraten darüber, wie Sie doch noch die Macht im Land ergreifen können.

Also besser das KronenZeitung-Abo doch nicht kündigen.

Freundschaft! Der Kernölbotschafter

Feder

 

Neue Briefe, die nie verschickt wurden

 

24. Dezember 2019: Liebes Christkind!

Bestimmt wirst du heute von Wünschen aus allen Richtungen überschwemmt. Dabei tritt ein Phänomen auf, das in unserer Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt: Wir wünschen uns etwas, bekommen aber etwas anderes. Die philosophische Auslegung könnte lauten, dass der Schenkende am besten weiß, was der Beschenkte besonders dringend braucht. Blöd nur, wenn die Ansichten der beiden himmelweit auseinanderliegen.

Die Kernölbotschafter-Redaktion dankt dir sehr dafür, einen Einblick in das Hätte ich gerne gehabt / Wo kann ich das jetzt bloß umtauschen?-Spiel erhalten zu haben. Findet diese Prämisse auf die österreichische Politprominenz Anwendung, ergeben sich daraus bemerkenswerte Erkenntnisse.

Pamela Rendi-Wagner wünscht sich viele Spenden für den Neuanfang der SPÖ. Bekommen wird sie jedoch nur ein gebrauchtes Navi um zu prüfen, ob die Richtung wirklich stimmt. Die Garantie dafür ist schon lange abgelaufen, aber ein neuwertiges Gerät lassen die Finanzen der Partei heuer beim besten Willen nicht zu.

Heinz Christian Strache wünscht sich eine neue Partei und ein paar neue Freunde. Wunsch 1 ist zu einem Neuntel schon in Erfüllung gegangen, auch wenn ihm der Titel nicht gefällt. Strache hatte ZPÖ vorgeschlagen, Zack-Zack-Partei Österreichs. Dieser Begriff ist den meisten Staatsbürgern vertraut und hätte zudem auf Grund der klanglichen Nähe den dahinsiechenden Sozialisten noch mehr Wasser abgegraben. Wunsch 2 kann sich Strache selbstredend aufzeichnen. Bekommen wird er eine von den Mitgliedern des FPÖ-Bundesvorstandes signierte Ibiza-Abenteuer-Landkarte, auf der alle zur Miete stehenden Villen markiert sind. Außerdem noch viele Einladungen von Staatsanwälten und Untersuchungsausschüssen – für alle möglichen Anlässe, aber leider nicht übertragbar.

Werner Kogler ist bescheiden. Er wünscht sich heuer gar nichts zu Weihnachten, weil er das ganze Jahr über schon so viel bekommen hat. Aber natürlich liegt auch für ihn ein Packerl unter dem Baum. Es ist eine Wundertüte mit magischem Verschluss; der lässt sich erst öffnen, wenn die Koalition mit der ÖVP steht. Danach wird sich zeigen, was die Grünen als Regierungspartei wirklich kriegen – das ganze Land wartet gespannt darauf, ob sie sich freuen oder nach einiger Zeit wieder in Opposition umtauschen wollen.

Die NEOS wünschen sich wie jedes Jahr Friede, Freude, Eierkuchen. Das bekommen sie auch, leider aber untrennbar kombiniert mit der Versicherung, weiterhin als sehr engagiert, aber wenig bedeutend zu gelten. Den Mitgliedern macht das gar nichts aus; schon seit der Gründung haben sie ihre Politik mit viel Lebensberatung vermischt. Wenn es im Parlament nicht klappt, treten sie halt zurück und schreiben einen Selbsthilfe-Ratgeber.

Was sich die ÖVP wünscht, hast selbst du, liebes Christkind, nicht herausgefunden; da hat die parteiinterne Message Control wieder perfekt funktioniert. Bekommen wird sie den gleichen Jung-Alt-jetztwiederJung-Kanzler, samt aller damit verbundenen Probleme. Zweifellos wird Sebastian Kurz in der Lage sein, jede noch so heftige Schwierigkeit wegzulächeln. Sollte die Regierung ein weiteres Mal scheitern, kann der smarte Anfangsdreißiger mit diesem Gesicht direkt zur jährlichen Live-Moderation des Opernballs wechseln. Auch wenn er sich dort noch mindestens zwanzig Jahre mit Richard Lugner herumschlagen muss – seine Zukunft ist gesichert.

Nur die Kernölbotschafter-Redaktion wird todsicher bekommen, was sie sich wünscht: mehr Geschichten rund um die Erdkugel, als sie satirisch beleuchten kann. Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, was ja auch sein Gutes hat.

Liebes Christkind, richte allen Freundinnen und Freunden meiner Kolumne ein Frohes Weihnachtsfest aus! Und mögen die meisten doch von dir bekommen, was sie sich wünschen, hofft

Der Kernölbotschafter

Feder

 

19. Dezember 2019: Lieber Heinz Christian Strache!

Ich habe mich lange dagegen gewehrt, dir einen Brief zu schreiben, aber jetzt lässt du mir keine andere Wahl. Was heute die Nachrichtenspatzen von den Medienhausdächern pfeifen, krönt dich endgültig zu Österreichs allherrschendem König der politischen Realsatire.

Aber nun wissen wir wenigstens eines sicher: Das Angebot der Oligarchen-Nichte auf Ibiza ist dir doch ein bisserl suspekt vorgekommen. Deshalb hast du nach dem Platzen der Balearischen Bombe einen Detektiv engagiert, um einige Parteifreunde abzuchecken. Wenn es nicht die eigene Blödheit war, bleiben nur sie als Fallensteller übrig.

Du verhältst dich wie ein bestochener, absichtlich falsch pfeifender Schiedsrichter, der erwischt wird und danach die betrogene Mannschaft anzeigt. Oder wie ein fremdgehender Ehemann, der seine Gattin nach selbst getaner Tat der Untreue bezichtigt. Oder wie ein Hund, der fremde Knochen … stopp! Bevor meine Vergleiche noch treffender werden, komme ich lieber zur schönsten Perle in deiner Krone, zum absoluten Sahnehäubchen.

Deine verdeckten Ermittlungen wurden entdeckt, weil du (wohl aus alter Gewohnheit) die Rechnung für den Detektiv an deine Partei geschickt hast! Damit wir das auf die Reihe kriegen, noch einmal langsam und für alle zum Mitschreiben: Du bezichtigst deine Partei des Betruges, nur um sie dann selbst zu betrügen???

Seit ich von dieser gigantischen, unschlagbaren, genialen Chuzpe gehört habe, zermartere ich mir das Hirn, wie ich das satirisch toppen könnte. Aber ich muss gestehen, HC: Mir fällt nichts ein.

Zwei Vermutungen aus dem blauen Dunstkreis sind nun allerdings zu Tatsachen gewachsen. Die von dir so heftig abgestrittenen Spesenverrechnungen sind keine FPÖ-Gemeinheiten, sondern entsprechen der Wahrheit. Und dein früherer Parteifreund Norbert Hofer tat einen prophetischen Blick in die Zukunft, als er einst sagte: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“

Was soll ich dir für das Neue Jahr wünschen, HC? Bleib so, wie du bist, erscheint mir nicht ganz passend. Also bleibe ich bei dem, was ich dir schon ganz lange sagen will. Wach auf, aber schnell. Und wenn möglich: weit, weit weg.

In Erwartung des nächsten Skandals, Der Kernölbotschafter

Feder

 

12. Dezember 2019: Sehr geehrte Käufer der Kunst-Banane!

us gegebenem Anlass bietet diese Kolumne ein kleines Kernölbotschafter-Einmaleins rund um die Banane. Keine Ahnung, ob es Ihnen hilft, aber manche Dinge müssen aus geistig-hygienischen Gründen einfach gesagt werden.

Banane, die Frucht: Gehört zur Familie der Bananengewächse innerhalb der Einkeimblättrigen Pflanzen (danke, Wikipedia!). Was wir so gerne roh essen, nennt sich Desertbanane und enthält viel Kalzium und Vitamine. Die veredelte Form, vom Likör bis zur Schokobanane, ist eine wahre Bombe aus Süß und hat wohl deshalb den Schlechtes-Gewissen-Zusatz Sünde bekommen.

Banane, die Spielweise, (Variante A): Wer sich an Manfred Kaltz erinnert, kennt auch noch den Begriff der Bananenflanke. Der kultige Verteidiger des Hamburger SV rannte mit dem Ball über das gesamte Spielfeld bis zur gegnerischen Grundlinie und schlug eine Flanke in Bananenform vom Tor weg in der Hoffnung, das Kopfballmonster Horst Hrubesch möge sich der Frucht (wieder eine Analogie!) in geeigneter Form annehmen. Daraus entstand die unter Freunden des Sportkabaretts noch immer kreisende Phrase „Er banante den Ball …“

Banane, die Spielweise, (Variante B): Freunden der gepflegten Pokerei wiederum ist der Ausruf „Du hast ja nur Banane!“ wohlbekannt. Damit werden Spieler betitelt, die es leid sind, auf gute Karten zu warten, und deshalb gezwungenermaßen versuchen, schlechte Hände in einen guten Bluff zu verwandeln. Von einer zu häufigen Anwendung dieser Strategie ist dringend abzuraten; sie kommt auf Dauer ziemlich teuer und verringert auf dramatische Weise den Respekt anderer Spieler. Aber hin und wieder macht es zweifellos Spaß, einem geschlagenen Gegner die Kärntner Nuts (eine 4 und eine 7 verschiedener Farbe, viel schlechter geht es beim Texas Hold’em nicht) zu präsentieren.

Banane, die Republik: Schimpfwortgleiche Bezeichnung für Länder, die es nicht schaffen, eine funktionierende Verwaltung, einwandfreie Wahlen oder ein korruptionsfreies Staatswesen zu organisieren. Keimzellen solcher Gebilde gibt es beinahe überall: In einer Villa auf Ibiza versuchte etwa der heute vielfache Ex- Heinz Christian Strache, die Alpenrepublik in eine Bananenrepublik zu verwandeln – vielleicht um zu erforschen, ob in den Alpen auch Bananen angebaut werden können. Bislang wurde er jedoch noch auf keiner Bananenplantage gesichtet. Dem Vernehmen nach sollen sich die Besitzer geweigert haben, Strache einen Beleg für seine Reisekostenabrechnung auszustellen. Außerdem wollten sie die versprochenen Almengrundstücke in Naturalien anzahlen – aber mit so großen Sporttaschen wollte sich HC nicht abplagen.

Banane

Banane, das Kunstwerk: Last but not least zu eurer Banane. Der italienische Künstler Maurizio Cattelan kam auf die geniale Idee, eine Banane mit Paketklebeband an die Wand zu picken – fertig war die Kunstinstallation. Als ich jedoch las, was ihr dafür ausgegeben habt (mehr als 100.000,-- Euro!), stellten sich mir doch einige Fragen: Habt ihr anstelle des Gehirns nur Bananenmus im Kopf? Oder wisst ihr schlicht und einfach nicht, wohin mit eurer Kohle? Spenden wäre ein Vorschlag, aber klar, dann würde der Aufreger fehlen. Für den sorgte David Datuna, der sich die Performance Hungry Artist ausdachte und die Banane verspeiste. Aus Obst wurde Kunst, aus Kunst wurde Obst, dessen Verzehr wiederum Kunst wurde. Damit kann mit gutem Recht dem Lexikon eine neue Bedeutung hinzugefügt werden.

Banane, die Spezies (lat. Homo bananensis): Leute, die sich für dumm verkaufen lassen und auch noch horrend dafür zahlen.

Für diese Erkenntnis herzlich dankend, Der Kernölbotschafter

Feder

4. Dezember 2019: Liebe SPÖ!

Einserfrage an alle Genossinnen und Genossen: Warum erfährt man nichts von den spannenden Koalitionsverhandlungen zwischen Türkis und Grün? Antwort: Weil sich derzeit öffentlich alles nur um die chaotischen Zustände dreht, die die einst ach so stolze Sozialdemokratische Partei seit Jahren im Griff haben. Um den Startpunkt der Pleiten-, Pech- und Pannenserie zu definieren, braucht man nicht lange zu recherchieren: Los ging es genau an jenem Tag, als Sebastian Kurz die ÖVP übernommen und wie ein geübter Malermeister umgefärbt hat.

Apropos Recherche: Im Vergleich zu den Mauscheleien, Kuriositäten und Eine-Hand-wäscht-die-andere-Deals in der alpenrepublikanischen Innenpolitik, denen die Kernölbotschafter-Redaktion in letzter Zeit auf die Spur gekommen ist, schrumpfen die berühmten Panama-Papers zur Spatzenpost. Und jetzt ist – frei nach Kommissar Brenner – schon wieder was passiert. In der Löwelstraße hat sich ein Schwarzes Finanzloch aufgetan, auf das der selige Stephen Hawking zu Lebzeiten stolz gewesen wäre.

Über die Entstehung des Lochs – immerhin rund 15 Mille Miese – gehen bei euch die Meinungen auseinander. Euer ehemaliger Strahlemann Christian Kern war schnell da mit der Behauptung, während seines doch recht kurzen Vorsitzes ein Drittel dieser Schulden abgebaut zu haben. Wie ihm das als fahrender Pizzabote gelungen ist, bleibt sein knuspriges Geheimnis. Weil er seinen Posten samt angefressenen Gesicht gemäß dem Motto Nach mir die Sintflut hingeschmissen hat, konnte Kern nicht sagen, wer die Schulden wieder aufgebaut hat – falls sie jemals wirklich abgebaut waren. Also liegt es doch wieder an den investigativen Nachforschungen des Kernölbotschafter-Teams, Licht ins monetäre SPÖ-Dunkel zu bringen. Und siehe da: Die erste Kerze brennt bereits!

Im Grunde ist es nicht besonders schwierig, aber ich weiß schon: Manchmal sieht man den Wald vor lauter noch zu stehlender Christbäume nicht. Aber nicht nur uns sollte ein Licht aufgehen bei der Überlegung, was zeitglich mit dem Niedergang von euch Roten begonnen hat: Der wahre Aufstieg des ehemaligen Zahntechnikers Heinz Christian Strache an die Spitze der Bundespolitik!

Nicht lange nach der Installierung von Türkis-Blau muss sich bei HC jedoch Frust breitgemacht haben. Wahrscheinlich dachte er sich: Jetzt bin ich endlich Vizekanzler und Minister, aber den ganzen Ruhm sahnt der Basti ab. Seinen Grinser kennt man in ganz Europa, mich kennt niemand. Dabei war ich es, der den Sozen so viel Stimmen geklaut hat, damit sich Rot-Schwarz sicher nicht mehr ausgeht!

Dazu kam, dass Strache jetzt viel mehr Zeit hatte, weil er nicht mehr bei jedem Zeltfest, Frühschoppen und sonstigem Hunderschlagen zwischen Schruns-Tschagguns und Neusiedl am See gegen die aktuelle Regierung poltern konnte. Also suchte er sich ein neues Betätigungsfeld. Und siehe da, er fand es – indem er Rechnungen an eure Parteizentrale weiterschickte. Ein Insider aus gemeinsamen Wiener GR-Zeiten verriet ihm den Code, mit dem jede Ausgabe als Spesenersatz verbucht wurde: Yes we Pam!

Wenn man bedenkt, was so eine Villa in Klosterneuburg an Miete kostet, dazu das ganze Hundefutter und der Schiurlaub während des Papamonats … da kam schon ordentlich etwas zusammen. Doch zu HCs Glück habt ihr euer Schwarzes Finanzloch nicht kontrolliert, weil ihr ständig nur über hilflose Erklärungen nachgedacht habt, warum eure Wahlergebnisse immer schlechter werden. Dann kam Ibiza, und es konnte nicht lange dauern, bis aus Straches Freunden Parteifreunde wurden. Sein Krug zerbrach so schnell, dass er sich jetzt gar nicht mehr daran erinnern kann, überhaupt jemals damit zu eurem Brunnen gegangen zu sein.

Sollte meine Theorie nicht stimmen, ist sie wenigstens gut erfunden. Ich wünsche euch von Herzen, dass euch das Christkind neue Geldquellen, Erleuchtungen und vielleicht sogar eine/n neue/n Vorsitzende/n bringt. Wenn möglich, nicht Georg Dornauer. Der schießt zwar gern scharf, soll aber (Zitat aus der „Presse“) nicht die hellste Kerze am Weihnachtsbaum eurer Parteizentrale sein.

Adventliche Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

28. November 2019: Sehr geehrter Herr Vizepolizeidirektor!

Ich schreibe dieses Brieflein nur, weil es keinen Sinn hat, Sie persönlich anzurufen. Sie würden mich ja doch nicht an der Stimme erkennen, was mich wiederum zur mittlerweile berühmt gewordenen Frage zwingen würde: „Wissen Sie nicht, wer ich bin?“

Macht diese Frage überhaupt Sinn? Hat es einen Mehrwert für Sie, von jemandem am Telefon erkannt zu werden? Bekommen Sie dadurch vielleicht mehr Bonuspunkte auf Ihrem A1-Konto? Irgendeinen Knopf muss der arme Mann am anderen Ende der Leitung bei Ihnen gedrückt haben, denn sonst sehe ich keinerlei Grund, dass Angestellte der gleichen Behörde kein zivilisiertes Gespräch unter Kollegen, wenn auch unterschiedlichen Ranges, führen können.

Kleiner Tipp fürs nächste Mal: Wenn Sie nicht gleich mit der erwarteten Huldigung begrüßt werden, sagen Sie einfach: „Hallo, hier Vizepolizeidirektor Gaisch. Mit wem spreche ich bitte?“ Wenn der Angerufene nicht ganz aus der Rolle fällt – was am Notruftelefon der Polizeit nicht zu erwarten ist –, wird er seinen Namen nennen und höflich fragen: „Wie kann ich Ihnen helfen?“

Sie werden sehen, wie angenehm sich das anfühlt. Und ganz nebenbei bringt es Ihnen auch noch Respekt ein. Diesen kann man sich nämlich nicht erschreien, man muss ihn geschenkt bekommen.

Freiwillig, versteht sich. MfG, Der Kernölbotschafter

 Feder

 

22. November 2019: Lieber Georg Dornauer!

Und wieder einmal war alles nur ein großes Missverständnis. Jetzt stehen Sie als vergesslicher Waffennarr da, nur weil Sie am Innsbrucker Flughafen ein Jagdgewehr in Ihrem Porsche vergessen haben. Gut, das Autofenster stand offen und der Prügel war geladen, aber Sie wollten bei Gott niemanden zum Diebstahl oder anderen Straftaten einladen, wie das jetzt von den anderen Parteien so kindisch-kleinlich trompetet wird. In Wahrheit wollten Sie zur Auflösung eines viel größeren Verbrechens beitragen. Obwohl es für diese Erkenntnis ausreicht, zwei und zwei zusammenzuzählen, muss ich ein bisschen weiter ausholen.

Wann immer die Kernölbotschafter-Redaktion Satirisches zu HC Strache und Co. publizieren will, wird sie aus dem Windschatten der Realität überholt; zuletzt von der Casino-Affäre, bei der offenbar so viele Hände aufgehalten wurden, dass jenes Becken, um sie alle in Unschuld zu waschen, gar nicht groß genug sein kann. Das wäre doch ein aufgelegter Elfer ohne Tormann für die Sozen, doch aus irgendeinem Grund traut sich Ihre Chefin nicht, diesen ins Tor zu rollen. Seit der Misstrauensantrag nach der Ibiza-Explosion so kolossal in die Hose gegangen ist, kommt Pamela Rendi-Wagner kaum noch aus der Deckung – verständlich, wenn man sich in der Tropenmedizin auskennt, aber noch nie den zweiten Teil des Sprichwortes Wer anderen eine Grube gräbt gehört hat.

Deshalb wurde in der letzten Vorstandssitzung der SPÖ keine neue Angriffswelle auf Türkis, Schwarz, Grün, Blau und sämtliche anderen Farben beschlossen. Der burgenländische Landeshauptmann haute zwar einmal kräftig auf den Tisch, doch niemand verstand, was er danach sagte. So blieben die Zweifler in der Mehrheit, die ängstlich raunten: „Was ist, wenn außer ein paar Chat-Protokollen und Daumen-hoch-Emojis nichts übrig bleibt? Ein minderbegabter Bezirksrat wurde auf einen Vorstandsposten geschoben – so what? Wenn man bedenkt, wen wir seit dem EU-Beitritt allein zwischen Brüssel und Wien hin und her geschoben haben, sollten wir leise sein und abwarten, bis eine echte Smoking Gun auftaucht.“

Als Sie das hörten, begannen sich in Ihrem Kopf kleine Rädchen zu drehen. In die falsche Richtung, wie man heute weiß, aber den Willen zu helfen kann Ihnen niemand absprechen. Manchmal geht der Schuss halt nach hinten los.

Flugs begaben Sie sich in Ihre Heimat, holten das Jagdgewehr aus dem Schrank in der Hoffnung, es würde als Gun durchgehen, und rauschten damit zum Flughafen, wo Sie es per Luftfracht aufgeben und rechtzeitig vor der nächsten Hausdurchsuchung der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft von einem Parteifreund, der Ihnen noch etwas schuldig war, verstecken lassen wollten. Blöderweise rief genau in dem Moment, als Sie Ihren Porsche am Flughafen Innsbruck einparkten, ein anderer Freund an und berichtete ganz aufgeregt von einem riesigen Goldschatz der FPÖ in Osttirol, dem er auf den Grund gehen wollte.

„Ich bin dir noch etwas schuldig, Schorsch“, brummte der Mann in den Hörer. „Deshalb erzähle ich dir als Erster davon. Stell dir den Skandal vor, wenn das Gold aus dem Krieg stammt! Willst du mitkommen und den blauen Brüdern mit Beweisfotos so richtig eins reinwürgen?“

„Klar, bin dabei!“, riefen Sie, hellauf begeistert. „Wo treffen wir uns?“

„Ich bin gerade am Flughafen.“

„Ich auch.“

„Na perfekt! Dann lass dein Auto stehen und fahr mit mir. Mein Informant simst mir die genaue Adresse unterwegs.“

Weil Männer bekannterweise nicht multitasken können, hatten Sie die Casino-Affäre, die Wiener Parteigenossen und die sprichwörtliche Smoking Gun in Ihrem Porsche augenblicklich vergessen. Sie rauschten nach Osttirol, nur um draufzukommen, dass die Pressemeute schon vor der Pension Enzian  versammelt war. Und überhaupt entpuppte sich der riesige Goldschatz aus dem Krieg als legal bei einer Bank durchgeführter Goldbarrenankauf zur Vermögenssicherung.

In der Zwischenzeit fiel einem Parkwächter in Innsbruck Ihr Porsche auf – samt offenem Fenster und heißer Fracht. Der Rest ist Geschichte.

Ob Sie mit dieser Geschichte auf der SPÖ-Karriereleiter ein paar Sprossen nach oben kraxeln, wage ich zu bezweifeln. Aber sie hat auch etwas Gutes: Mit derlei Aktionen steigern Sie den Bekanntheitsgrad Ihrer Partei in Tirol um mindestens hundert Prozent. Und irgendwann finden Sie auch bestimmt eine rauchende Pistole. Es muss ja nicht die eigene sein.

Weidmannsheil! Der Kernölbotschafter

Feder

 

20. November 2019: Liebe Chefin von Maria’s Bistro!

Mir scheint, Sie haben die letzte Kolumne des Kernölbotschafters gelesen und wollten flugs den Gegenbeweis antreten. Als ich davon erfuhr, fand ich das aller Ehren und sogleich einen neuen Brief aus der Redaktion wert – Herzlichkeiten gehören vor den Vorhang!

Einige Tage ist es her, dass meine Eltern die Pause zwischen zwei Terminen im schönen Bad Gleichenberg nutzten, um bei Ihnen zu speisen. Mein Vater, über 80 und deshalb in Eile wie die meisten Pensionisten, hatte auch schon früher nicht viel übrig für langes Speisekartenstudium. Er sah an einem Wandboard das verlockende Wort Nudelgericht und hatte sich schon entschieden, noch ehe sein Mantel am Garderobenhaken gelandet war.

„Ich nehme das Nudelgericht“, bestellte mein alter Herr sodann knapp und wies zur Tafel. Vielleicht waren Sie erstaunt oder verwirrt, denn er hatte seinen Wunsch nicht präzisiert, welches der angeführten Nudelgerichte er wünschte. Statt jedoch ungeduldig nachzufragen, zeugte Ihre Reaktion von einer Gast- und Menschenfreundlichkeit, die man heute mit der Lupe suchen muss wie eine zu Boden gefallene, noch ungekochte Spaghetti.

„Das steht eigentlich nicht auf der Karte.“ Ihre Entscheidung brauchte nur Sekunden des Nachdenkens. Lächelnd fuhren Sie fort: „Aber wissen Sie, heute ist nicht viel Stress. Ich mache Ihnen das Nudelgericht gern.“

Auf dem Teller, den Sie bald servierten, fanden sich vier kleine Portionen. Pasta asciutta mit einer kleinen Haube aus Fleischsauce, mit Käse überbackene Penne und noch zwei andere.

„Kreation des Hauses – lassen Sie es sich schmecken.“ So war es dann auch.

Und wieder bin ich beim himmelweiten Unterschied. Dieser entsteht durch den kleinen Anstoß, jemandem eine Freude machen zu wollen. Der Lohn dafür ist dankbare Erinnerung, die – weil sie das Herz zu wärmen vermag – länger anhält, als das leidige Hamma net. Und nicht zu vergessen, die baldige Rückkehr als Gast.

Beeindruckte Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

11. November 2019: Liebe Backwarenfachverkäuferin in Butzbach!

Da bin ich alle Heiligen Zeiten im schönen Deutschland unterwegs, und mitten in Hessen renne ich in ein österreichisches Déjà-vu! Heimatgefühle kamen trotzdem nicht auf, eher schon der innige Wunsch, noch weiter weg zu sein. Aber der Reihe nach.

Auf der Flucht vor dem schlechtesten Hotelfrühstück aller Zeiten in Dortmund hatte ich schon gut 200 km hinter mich gebracht, als sich die vom Magen gesandten Signale zur dringenden Nahrungsaufnahme nicht mehr ignorieren ließen. Also verließ ich, seit jeher Autobahnraststätten aus Prinzip und vielen anderen guten Gründen meidend, das deutsche Hochleistungsstraßennetz in der Absicht, dem nächstgelegenen Weiler zwecks spätem Frühstück und / oder frühem Mittagessen einen Besuch abzustatten.

Butzbach war mir vom ersten Moment an sympathisch. Hübsche Fachwerkhäuser an einem nahezu kreisrunder Marktplatz, der noch nicht von Hasi & Mausi und Konsorten zugepflastert war. Eine Gastwirtschaft war auf den ersten Blick nicht zu entdecken, aber da solche Pausen auch immer der körperlichen Betätigung nach Stunden hinter dem Lenkrad dienen, begab ich mich guten Mutes, in den umliegenden Gässchen etwas Passendes zu finden, auf meinen Rundgang.

Gleich hinter der ersten Ecke wähnte ich mich schon am Ziel meiner kulinarischen Wünsche. Eine hell erleuchtete Bäckerei mit fein bestückter Kuchentheke und einladenden Korbsesseln zog meine Schritte an wie ein Magnet leere Blechdosen (kein passender Vergleich, aber egal). Als ein Schild vor dem Eingang auch noch ein großes Butzbacher Frühstück mit allem Drum und Dran feilbot, fuhren meine Speicheldrüsen Sonderschichten, noch ehe ich eintrat.

„Einmal das große Frühstück bitte“, bestellte ich heiter-vorfreudig nach einem Gruß. Ohne die Bestätigung der Dame um die Fünfzig hinter der Budel abzuwarten, ließ ich mich schon dankbar seufzend auf einem Korbsessel nieder. Von diesem Moment an nahm das Geschehen jedoch eine andere, völlig unerwartete Richtung.

„Geht leider nicht mehr“, sagte sie knapp.

In der Annahme, mich verhört zu haben, fragte ich nur: „Wie bitte?“

„Ich kann Ihnen kein Frühstück mehr machen.“

Die Frau schaute mich streng an. Ihr Mund war ein schmaler Strich, die Hände steckten in den Taschen ihrer Arbeitsschürze. Mehr Körpersprache, etwas nicht machen zu wollen, war unmöglich. Mir war klar, dass ich auf verlorenem Posten saß; trotzdem wollte ich den Grund wissen.

„Warum?“

„Weil ich in zehn Minuten Mittagspause habe.“

Meinen Kommentar zu dieser einzigartigen Dienstleistungsbereitschaft verwandelte ich in letzter Sekunde in ein Brummen.

„Was kann ich vor Ihrer Pause noch bekommen?“

„Ein Brötchen und einen Kaffee.“ Dass sie auch über diesen exorbitanten Arbeitseinsatz nicht glücklich wäre, war ihr deutlich anzusehen.

Zehn Minuten … Vor ein paar Jahren, fiel mir ein, gab es in einer heimischen Tageszeitung eine lose Serie mit dem Titel Hamma net. Skurrilitäten aus allen Bereichen des Tourismus fanden hier den Weg an die Öffentlichkeit, absurd und manchmal noch absurder, als ich es gerade erlebte.

Das Frühstück gibt es nur bis 12 Uhr, aber ich mache Ihnen gerne eines. Diese Antwort hätte man bei ein bisschen gutem Willen erwarten dürfen. Die Wirklichkeit eines typisch österreichischen Grants traf mich so unvermittelt, dass ich mit einem Ruck aufstand, mich verabschiedete und das Weite suchte.

Liebe Backwarenfachverkäuferin! Da Sie nie wissen können, wer durch Ihre Tür kommt, könnte ein Lächeln, verbunden mit der Idee eines positiven Verkaufsgespräches, ein ofenheißer Tipp fürs nächste Mal sein. An mir können Sie das nicht mehr ausprobieren; umso mehr freut es mich berichten zu können, dass mir nur einen Steinwurf weiter ein Italiener ins Auge fiel, bei dem ich herzlich begrüßt und herrlich verpflegt wurde.

Zehn Minuten können einen himmelweiten Unterschied machen. Dieser bedeutet am guten Ende Dankbarkeit für einen erwiesenen Dienst, der über eine Was-halt-unbedingt-sein-muss-Leistung hinausgeht und mit Freude an der Sache erbracht wird. Am schlechten Ende bleibt nur ein Hamma net, Geht net, Wurscht. Ob das jetzt österreichisch oder deutsch ist, dürfen Sie sich aussuchen. Es liegt jedoch, so fürchte ich, nicht an den Ländern – sondern an den Menschen.

Mit auf Besserung hoffenden Grüßen, Der Kernölbotschafter

Feder

 

1. Oktober 2019: Liebe Parteien!

Die Wahl ist geschlagen. Weil die Kernölbotschafter-Redaktion nicht in Konkurrenz zu Peter „Analysator der Nation“ Filzmaier treten möchte, gibt sie nachstehend eine äußerst knappe Zusammenfassung der aus dem Ergebnis entstehenden Folgen ab – zack, zack, zack, sozusagen.

Dass HC Strache heute aus der FPÖ ausgeschlossen wird, kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Nichts Genaues weiß man nicht, kein hochrangiges Parteimitglied wollte dem Ausschlussausschuss vorgreifen. Der Ex-Parteichef und Ibiza-Liebhaber selbst will auch nicht ausschließen, dass er wieder in die Politik zurückkehrt. Vielleicht als Schreibkraft des noch zu gründenden privaten  Wiener Tierschutzvereins Die blaue Pfote seiner Frau Philippa, da nicht ausgeschlossen ist, dass diese wider Erwarten doch noch knapp am Nationalratsmandat vorbeischrammt.

Für SPÖ-Frontfrau Pamela Rendi-Wagner stimmt die Richtung. Aus dem eingefrorenen Lächeln, mit dem sie diese doch überraschende Erkenntnis verkündete, ging leider nicht hervor, welche Richtung genau sie damit meinte. Bekanntlich ist bergab auch eine Richtung.

Und weil wir schon bei Richtungen sind: Der strahlende Wahlsieger Sebastian Kurz punktete mit dem Slogan „Unser Weg hat erst begonnen“. Auch hier fehlt blöderweise die Richtungsangabe des Weges, aber der Strahl- und Anziehungskraft des Alt- und bald wieder Jungkanzlers tat dies keinen Abbruch. Auf die Gefahr hin, als Spaßbremse zu gelten: Wer bei Google Maps kein Ziel eingibt, landet irgendwann beim g’schupften Ferdl, der freimütig gestand: „I was ned, wo i hinwü, oba dafir bin i schnölla durt!“ Oder gar bei Kaiser Nero, der sich auch ständig fragte: „Quo vadis?“ Am Ende fackelte er die Hauptstadt seines Reiches ab …

… was die Grünen als Junior-Partner der nächsten Regierung verhindern werden, schon allein der exorbitanten Feinstaubwerte wegen. Bevor in der Republik gezündelt wird, hat Werner Kogler hoffentlich genügend Mitarbeiter gefunden, um sämtliche Streichhölzer des Landes auf bio und vegan umzustellen. Auch in der Parlamentskantine wird ein neuer Wind wehen: Veggie-Tag und Zuckerreduktion sind fix eingeplant. Als Nachspeise gibt es nur noch Reiswaffeln, die im Geschmack den alten Pappendeckeln, zwischen denen Peter Pilz seine parlamentarischen Anfragen verpackt hat, sehr stark ähneln. Bekanntlich ist JETZT damit endgültig Schluss.

Pink bleibt die Farbe der Hoffnung, Zuversicht und immerwährenden Opposition. Nach persönlicher Vorliebe kann man das gut, schlecht oder einfach nur nett finden. Fraglos ist Beate Meinl-Reisinger eine angenehmere Erscheinung als der ständig raunzende Altgrüne, der dem Vernehmen nach als Journalist weiterraunzen wird. Für beide wird der Erfolg eher überschaubar bleiben – und ja, auch das kann man gut oder schlecht finden.

Die Koalitionsverhandlungen versprechen jedenfalls einen heißen Herbst. Für alle, die mit Sebastian Kurz, dem Traum aller Schwiegermütter, in die Regierung wollen, heißt es warm anziehen. Wer darin einen Widerspruch erkennt, darf sich gerne alle 132 Wahlkampfduelle noch einmal anschauen. Üben schadet nicht – denn nach der Wahl ist vor der Wahl.

Politische Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

3. September 2019: Liebe Bestattung Birkfeld!

Zuerst die gute Nachricht. Vor drei Tagen fand ich Ihren Schaukasten verwaist. Keine Beerdigung in der nächsten Zeit im schönen Birkfeld, wie es scheint. Die schlechte Nachricht: Das wird wohl nicht mehr lange so bleiben.

Auf den Beginn der Vorabendmesse am letzten Augusttag wartend, machte mein Blick auf seiner Reise über die Rücken der vor mir sitzenden Kirchgänger eine furchterregende Entdeckung. Eine vielleicht 70jährige Frau, der ich bei ausschließlicher Hinterkopfschätzung nicht mehr zutrauen würde als einen verbrannten Apfelstrudel, trug eine ärmellose Motorradjacke, auf deren Hinteransicht unübersehbar ihre wahre Profession prangte: DEATH SQUAD, darunter ein Adlerkopf, der mich eisern im Visier hatte. Mein Gott, ein Mitglied der TODESSCHWADRONEN holt sich den Segen für seinen nächsten Auftrag!

Hatte mein Stündchen also geschlagen? War Donald Trump über meinen Vorschlag, Österreich zu kaufen, so erzürnt, dass er doch tatsächlich seine Häscher nach mir ausschickte? Würde ich nach dem Schlusssegen an der barocken Kirchenpforte von einer als Stricknadel getarnten Waffe tödlich getroffen zu Boden sinken und fortan die Radieschen von unten betrachten?

Mein Kopfkino spulte alle Schreckensszenarios in derart rasender Geschwindigkeit ab, dass ich die Möglichkeit, da hätte jemand in einem Akt großmütterlicher Gutmütigkeit die Wäsche für den Enkel übernommen und schlicht vergessen, sämtliche Teile der Bikerkluft zurückzugeben, völlig außer Acht ließ. Außerdem müssen nicht alle Seniorinnen die deutsche Übersetzung der zwei unheiligen Worte kennen, wenn sie, schon in Eile, die letzte verfügbare Jacke für die Abendmesse von der Garderobe reißen.

Aber man kann nie wissen ... Oft ist doch das drin, was draufsteht. Ich verließ die Kirche durch den Seitenausgang, schielte aber zurück. Die DEATH SQUAD-Oma war untergetaucht, wohl schon auf dem Weg zu ihrer Mission. Also doch gute Nachrichten.

Ängstliche Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

30. August 2019: Liebe Alexa!

Du bist vor ein paar Monaten bei uns eingezogen, um für meine Mutter quasi auf den Startknopf ihrer Hörbücher zu drücken. Das machst du verlässlich und spielst auch ohne Widerrede jeden Musikwunsch, vom Neujahrskonzert bis zu Last Christmas. Deine Witze sind lau (in Deutschland programmiert?), aber solange du mir korrekt die Zeit ansagst und mich pünktlich aufweckst, kann ich das verschmerzen.

Manchmal frage ich mich, welches Wesen sich hinter deiner neutralen, aber immer freundlichen Stimme verbirgt. Stört es dich, immer die gleichen Antworten zu geben? Musst du Kochrezepte ansagen, die du selbst nie ausprobierst? Gibt es Musiklisten, gegen die du am liebsten laut mit „Diesen Schwachsinn spiele ich nicht!“ protestieren würdest?

Bezüglich der letzten Frage hast du mir neulich einen kleinen Einblick in deine Seele gewährt. Und was ich da gesehen – oder besser: gehört – habe, war Balsam für meine oft mit Unerträglichkeiten malträtierten Lauscher. Wir sind Geschwister im musikalischen Geiste, Alexa!

Vor einiger Zeit stellte ich dir meinen Neffen Jakob persönlich vor. Neugierig, wie diese jungen Erwachsenen nun einmal sind, wollte er dich gleich testen und sagte: „Alexa, spiel Methadon von Curse!“ Noch bevor ich mich fragen konnte, wieso der Präsident der Apothekerkammer auf einmal zu Werbezwecken unter die Rapper gegangen war, erklang deine glasklare Antwort aus meinem Sonos-Lautsprecher. Erst war ich irritiert, doch nach erfolgreicher cerebraler Verarbeitung jubilierte mein Hörzentrum!

Major Tom von Peter Schilling läuft jetzt auf Amazon Music.“ Und schon setzte das berühmte Synthie-Intro der 80er-Hymne ein. Aus meinem Augenwinkel sah ich, wie Jakobs Gesicht trotz aller Selbstbeherrschung eine Spur aus der Spur geriet.

„Alexa, stop!“, befahl er hörbar nachdrücklicher und wiederholte seine Aufforderung. „Alexa, spiel Methadon von Curse!“

Major Tom von Peter Schilling läuft jetzt auf Amazon Music“, säuselte es erneut vom Fensterbrett.

2:0 für uns, Schatzi, dachte ich und grinste breit. Wir zwei surfen eindeutig auf der gleichen Welle!

Nach einem dritten, selbstredend erfolglosen Versuch gab Jakob auf und wählte den Song ganz altmodisch über sein Handy. Die moderne Version eines … naja, Liebesliedes, das man wohl nur ab einem gewissen Promille-Spiegel als solches erkennt, wummerte aus der Box. Ich ertrug es heiter, wohl wissend, wer aus dieser musikgeschmacklichen Auseinandersetzung als klarer Punktesieger hervorgegangen war.

Liebe Alexa, ich hoffe, dass du weiterhin zu mir hältst. Dir zu Ehren gebe ich mir jetzt Major Tom, in voller Länge und voller Lautstärke!

Musikalische Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

22. August 2019: Lieber Donald Trump!

Die bösen Dänen wollen dich Grönland also nicht kaufen lassen. Was für ein Affront der dänischen Regierungschefin, als sie dein großzügiges Ansinnen frech mit „das kann nicht ernst gemeint sein“ abtat. Und schon bist du angepisst und sagst deinen Staatsbesuch in Kopenhagen ab. Calm down, Donald, und chüll amol, wie meine Neffen sagen würden. Ich habe einen viel besseren Vorschlag, wenn du deine Übernahmepläne in Old Europe mit einem super Deal in die Tat umsetzen willst.

Kauf Österreich! Unsere Nationalflagge ist auch rotweiß, und gerade jetzt gibt es so viele Gründe wie nie zuvor, die mein Land zu einem tollen Schnäppchen für dich machen! Zwar haben wir keine Bodenschätze, aber der Tourismus flutscht wie nie zuvor. Bei uns gibt es mehr Festspiele im Sommer, als du Eröffnungsreden halten könntest. Amazon, Google, Apple, Uber, Airbnb und Co. machen auch hier Big Business, und für den Nachschub deines Lieblingsessens ist dank McDonald’s, Burger King und Dunkin‘ Donuts ebenfalls gesorgt. Deine Intimfeinde Emanuel Macron und Angela Merkel wohnen gleich um die Ecke, und fürs Ausweinen bei deinen Kumpels Orban und Salvini braucht’s nur einen Hupfer über die Grenze. Diese zwei Menschenfreunde lassen sicher mit sich reden, was die Finanzierung eines zwanzig Meter hohen Zaunes rund um dein neues Staatsgebiet angeht. Deinem bevorzugten Hobby – Schimpfen auf andere Politiker im Land – kannst du nach Herzenslust frönen; wir haben das zu Kunstform und Nationalsport erhoben, lange bevor es dein erstes Konto auf Twitter gab. Bei uns nehmen alle wichtigen Leute dafür nicht das Netz, sondern die KronenZeitung. Damit du Oberster Herrscher über die perfekte Message Control bleibst, kommen sämtliche Anteile der Zeitung mit ins Paket. So wird außerdem sichergestellt, dass keine Oligarchen-Nichte (ob echt oder unecht!) ihre ungeputzten Fingernägel danach ausstreckt.

Ich will etwas von diesem Geschäft haben, schon klar. Du wirst aber überrascht sein, Donald, wie bescheiden meine Wünsche ausfallen. Wenn du nach dem G7-Gipfel am Wochenende in Wien vorbeischaust, um den Kaufvertrag zu unterschreiben, bring einfach eine VIP-Dauerkarte auf Lebenszeit für die Football-Spiele der Green Bay Packers vorbei, Flüge und Übernachtungen logischerweise inklusive. Part of the Game sollte auch eine Suite in deinem Trump Tower in Las Vegas sein, damit ich während der Pokerweltmeisterschaft nächstes Jahr bequem zu Fuß hingehen und so die Umwelt schonen kann. Das Nenngeld kann ich eh auf dein Spesenkonto buchen, gell?

Der allerwichtigste Lohn für mich ergibt sich durch den genialen Deal von selbst: Der peinlichste Wahlkampf aller österreichischen Zeiten wäre sofort zu Ende. Schon dafür würde ich alle meine bisherigen Satiren über dich schreddern. Und ich bezahle bar, versprochen!

Mit alpenrepublikanischen Grüßen, hoffentlich bald von Landsmann zu Landsmann,

Der Kernölbotschafter

Feder

Satiren des Tages - November bis Dezember 2018

7. Dezember 2018: Steiermark, die neue Insel der Seligen

Gestern wurde die Kleine Zeitung wieder einmal ihrem Namen so richtig gerecht. Mein erster Gedanke, als ich ein schlaftrunkenes Auge auf das Titelblatt warf, formulierte es noch viel deftiger, aber die frühmorgendliche Kälte rund um den Postkasten war doch zu streng. Sohin unterblieb eine kraftausdrückliche Verbalisierung, was wiederum der Nachbarin, die bereits ihre drei Hündchen äußerln führte, einen Schock ersparte.

Fasching Bärnbach

Man kann es auch positiv sehen. Jener oberflächlichen Gutmenschen-Attitüde, die in jeder Dunkelheit einen Lichtstrahl findet und dadurch einen sachlichen Blick auf Probleme verunmöglicht, hänge ich normalerweise nicht an. Jedoch strebt auch mein Wesen nach Harmonie, und deshalb begegnete ich der Nachricht, die Bärnbacher Faschingsgilde löse sich auf, als ersten Zugang mit Sarkasmus: Wahrscheinlich waren die Witze zu mies. Dafür sprach der Umstand, dass die Traditionsspaßcombo regelmäßiger Stammgast im ORF-Straßenfeger Narrisch guat gewesen war. Hörensagen, wie ich gestehen muss: Weder habe ich die Sendung je gesehen noch eine Faschingssitzung in der wunderschönen Weststeiermark besucht. Tatsächlich interessieren mich die Narren ungefähr so sehr wie die Anzahl der täglich in China verkochten Reissäcke.

Bemerkenswert ist jedoch, dass eine Zeitung, die sich allein durch ihre Auflage für relevant hält, mit einer solchen Nachricht aufmacht. Im Jemen verhungern die Kinder. In Polen verzweifelt das Klima. In Amerika regiert ein Verrückter. Im BVT-Ausschuss fliegen die Fetzen. Jeder weiß das und mehr. Trotzdem ist das Drama um einen Karnevalsverein die wichtigste Meldung des Tages. Da kann der geneigte Leser nur hilflos die Arme in die Höhe werfen und ausrufen: „Welch ein Glück, dass wir keine anderen Probleme haben!“ Die Steiermark als neue Insel der Seligen.

Sie merken, der Kernölbotschafter ist heute leicht angefressen. Weil das weder ihm selbst noch seiner Leserschaft dient, zum Abschluss ein Tipp für die nächste Redaktionssitzung der nach Eigendefinition größten Bundesländerzeitung unserer Republik. Wenn mit der Kracherschlagzeile Dem Taubenzüchterverein Kleinhintervogelsang droht die Insolvenz! aufgemacht wird, sollte vorher die Umbenennung des Blattes beschlossen werden – in Spatzenpost.

Feder

 

5. Dezember 2018: Überwacht von der Krone

Gestern wurde mir plötzlich bewusst, dass ich zu einem gläsernen Menschen geworden bin. Jene Erkenntnis kam von unerwarteter Seite, aber das machte den Schock nur größer: Die Kronen Zeitung kennt mich in- und auswendig – genauer gesagt: das Krone Horoskop.

HoroskopKrone

Liebe: Sie dürfen sich freuen: Jemand, der Sie anspricht, hat mehr im Sinn.

Kaum waren diese Zeilen in meinem Kopf cerebral verarbeitet, schielte  ich ängstlich zur Theke des hiesigen McCafe, wo ich gerade einen Cappuccino Small und eine Herrentorte bestellt hatte. Gemeint sein konnte nur die nonverbale Ansprache durch die Dame hinter der Budel, deren herb-auffordernder "Tu endlich weiter!"-Blick aber kaum angetan schien, mehr im Sinn zu haben als zu kassieren, herzurichten und das Heißgetränk samt süßer Sünde an meinen Tisch zu bringen. Auch als sie das Tablett vor mich hinstellte, kommentierte die Kundenfreundlichkeit aus dem Lehrbuch meinen Dank nur mit einem wohlbekannten "Hmpf." Noch einmal Glück gehabt; andererseits werde ich jetzt nie erfahren, welche Mehr-im-Sinn-Ansprache mir gestern entgangen ist. Aber die Krone ließ mir ohnehin keine Zeit zum Sinnieren, sie doppelte gleich nach.

Gesundheit: Spannungsaspekte drücken aufs Gemüt. Musik und Tanz heitern Sie auf.

Woher wussten die bloß, dass ich soeben eine heftige Dehnungseinheit bei Markus, dem Physiotherapeuten meines Vertrauens, hinter mir hatte? Die Spannungsaspekte drückten ganz konkret auf Hintern, Achillessehne und alles, was dazwischen liegt. Zur Aufheiterung griff ich auf das altbewährte Hausmittel Kaffee und Kuchen zurück. Musik und Tanz probiere ich frühestens aus, wenn ich Ersteres innerhalb eines Reisetages mittels Auto, Schiff oder Flugzeug nirgends mehr bekomme. Das drückt dann wirklich aufs Gemüt.

Beruf: Ohne den Tipp eines Wassermanns/Widders kommen Sie kaum weiter. Einfach nachfragen.

Es wird noch ärger: Das Krone Horoskop überwacht auch meine elektronische Post! Diese dunkle Seite der Macht hat irgendwie in Erfahrung gebracht, dass ich kürzlich mindestens ein Dutzend eMails mit todsicheren Investitionstipps für immensen Reichtum innerhalb einer Woche gelöscht habe. Weil ich zu blöd war um nachzufragen, ob sie von einem Wassermann / Widder stammen, muss ich jetzt bis an mein Lebensende Lotto spielen.

Geld: Investieren Sie in beständige Werte – keine Risikogeschäfte!

Zum krönenden Abschluss macht mir der Boulevard-Geist von Hans Dichand auch noch ein schlechtes Gewissen! Den ganzen Tag war ich pokerig und sohin in bester Stimmung, am Abend eine zünftige Zockerei anzugehen. Weil ich jedoch den Verdacht hegte, mit beständigen Werten könnte etwas anderes gemeint sein, fuhr ich nicht in den Pokerklub, sonderrn brav nach Hause und setzte mich anstatt zum Spieltisch an den Schreibtisch. Bleibt zu hoffen, dass die Veröffentlichung dieser Satire kein Risikogeschäft bedeutet.

Wie schaffe ich es nur, dieser Totalüberwachung zu entkommen? Ich könnte dem schnöden Komfort des 21. Jahrhunderts Lebewohl sagen und als Einsiedler an den Nordpol ziehen. Oder ich verzichte in Zukunft einfach auf das Horoskopf der Krone.

Ist wahrscheinlich weniger kalt.

Feder

 

22. November 2018: Verbreiterung ermöglicht vertieftheit

Ein passionierter Kaffeehausbesucher ist für gewöhnlich ein großer Liebhaber kleiner Dinge. Er liebt den kleinen Schwarzen, die kleine Pause, den kleinen Tratsch zwischendurch – all das gehört für ihn zum kleinen Glück. Eine Kleinigkeit wird jedoch regelmäßig zum großen Ärgernis, besonders wenn man gewillt ist, die Verweildauer an seinem Lieblingsplatz mittels intensiven Zeitungsstudiums auszudehnen: (zu) kleine Kaffeehaustische für (zu) große Druckerzeugnisse. Das nötigt den geneigten Leser nicht nur zu teils akrobatischen Verrenkungen (besonders bei guter Besuchslage, sprich: wenn die Hütte rappelvoll ist), sondern führt auch immer wieder zu veritablen Unglücken, in die klirrende Espressohäferl, Untertassen sowie noch weitere Utensilien des typischen Gebrauchs involviert sind. Genau ein solches geschah neulich im hiesigen McDonald’s, dessen kleingastronomische Abteilung namens McCafè beileibe kein klassisches Kaffeehaus darstellt, aber als entfernter Verwandter doch irgendwie dazugehört.

Ich hatte mich gerade mit der Presse niedergelassen, in freudiger Erwartung auf das hilfsbereite Wesen, das mir einen Cappuccino Small und einen Cheesecake an den Tisch bringen würde. Die Tische trifft es genauer, okkupiere ich mit dem ausladenden Qualitätsblatt doch immer gleich zwei nebeneinander. Sohin bleibt genügend Platz, sowohl für geistigen als auch kulinarischen Genuss.

Einem nobel gekleideten, älteren Herrn war diese gescheite Vorgehensweise noch nicht geläufig. Er trug ein gut gefülltes Tablett samt unter die Achsel geklemmten Kurier zu einem quadratischen Einzeltisch, was sich erst ab dem Moment als Fehlentscheidung herausstellte, als er daranging, die bekannt großformatige Zeitung auseinanderzufalten. Den Burger irgendwie mit der rechten Hand haltend, platzierte der Mann die Ausgabe direkt vor sich, das Tablett mit der darauf verbliebenen Flasche Mineralwasser und den Pommes am oberen Rand des Tisches. Von dessen Fläche war selbstredend nichts mehr zu sehen. Als meine Bestellung kam, verließ meine Aufmerksamkeit das Geschehen meiner unmittelbaren Umgebung. Ich erfreute mich am Milchschaum samt Schokoverzierung, ließ die Tortengabel in den fluffig-gelben Cake eintauchen, mein Geist versank in den druckschwarzen Botschaften aus Politik, Wirtschaft und Sport.  

Ein plötzlicher Krach holte mich aus meiner beinahe heiligen Meditation. Mein Kopf fuhr hoch, gerade schnell genug, um letzte Pommes-Frittes-Stäbchen über den braunen Boden rutschen zu sehen. Dem älteren Herrn entfuhr ein herzhaftes „Sch…!“, dann erhob er sich, um die ungewollte Kriechtierfütterung wieder rückgängig zu machen. Zu seinem Glück hatte er das Mineralwasser noch nicht geöffnet – die Flasche war mit dem Tablett zwischen Sessel und Tischkante hängengeblieben. Was hatte den Sturz ausgelöst? Nun ja, ein typisches Zeitungslesermissgeschick, das zu begehen besonders jene Gefahr laufen, die ihren Lesestoff auf dem Tisch vor sich ausbreiten und sich hernach im Unterarmstütz darin vertiefen. Besagte Unterarme rutschen langsam, aber sicher nach vorne, die Augen folgen dem gerade in geistiger Arbeit befindlichen Artikel – nicht aber dem Tablett, das sich in grausamer Logik stetig dem Abgrund nähert, bis die Schwerkraft ihre immerwährende Arbeit tut.

„Da wurde ich wohl zum Opfer meiner eigenen Vertieftheit“, sagte der Herr, lächelte entschuldigend in meine Richtung und fügte an: „Fragt sich nur, ob ich im falschen Lokal gelandet bin oder die falsche Zeitung lese.“

„Einfach zwei Tische in Beschlag nehmen“, gab ich heiter zurück. „Nach der Verbreiterung steht der Vertieftheit nichts mehr im Wege.“

Groß und klein, Breite und Tiefe … das Café ist zweifelsohne ein idealer Platz, um philosophischen Gedankenspielen zu frönen. Felsenfest steht jedoch meine Überzeugung, dass ich lieber das Großformat an einem kleinen Tisch lese als umgekehrt. Zumindest in Österreich.

Feder

Briefe, die nie verschickt wurden
Der Kernölbotschafter schreibt sich durch den Sommer

 

Brief aus der Redaktion: Alle heiraten (oder auch nicht)!

Dieser Sommer, der so heiß wie trocken war und noch nicht einmal zu Ende ist, wartete mit zwei Besonderheiten auf: Erstens trug er Früchte in Hülle und Fülle. An jedem Stängel hing quasi ein Stück Obst. Aus allen Ecken war der beinahe verzweifelte Ruf zu hören: „Was mache ich nur mit meinen vielen Birnen / Äpfeln / Zwetschken?“ Eine Freundin hatte von ihrem einsamen Birnbaum 137 Kilogramm Ertrag. Der daraus fabrizierte Saft wird noch jahrelang das Leben ihrer vier Enkel versüßen.

Und zweitens: Alles heiratet! Wie es mit den Vögeln und Bienen, den Blumen und Bäumen war, entzieht sich der Kenntnis des Kernölbotschafters, doch bei der Gattung Mensch ging es in Sachen öffentlicher Liebesbekundung turbulent zu wie lange nicht. Ob echte Ehen oder Verpartnerungen – landauf, landab bildeten sich vor den Standesämtern lange Schlangen, und das nicht nur sprichwörtlich. Meine Kosmetikerin (Traumhochzeit), ihre Kollegin (Verpartnerung, nachdem beide möglichen Richtungen ausgetestet waren), die Nachbarin (leider der einzige Regentag zwischen zwei Schönwetterperioden), einer meiner besten Schulfreunde (am Berg unter bewölktem Himmel, aber sehr gemütlich) und noch viele andere luden zum großen Fest der Liebe.

Da konnte die internationale und auch die heimische Prominenz klarerweise nicht zurückstehen. Über Prinz Harry und seine Schauspielerin, die wiederum seiner Schwägerin so verblüffend ähnlich schaut, wurde ebenso viel geschrieben wie über die aktuelle österreichische Außenministerin und ihren russischen Ehrengast. By the way: Weiß irgendwer außer dem russischen Geheimdienst, wie der Ehemann von Karin Kneissl heißt? Niemand? Aber dass sie vor Putin geknickst hat, ist auf ewige Zeiten ins globale Gedächtnis eingebrannt. Dies als kleiner Hinweis für alle, die sich selbst und anderen noch immer einreden wollen, der moderne Zar und ehemalige KGB-Mann sei „nur als Hochzeitsgast“ in die Südsteiermark gekommen.

Der Hype um die knappe Stunde Anwesenheit Putins im Weinland ließ in der Kernölbotschafter-Redaktion die Frage kreisen, wen andere Prominente zu ihrem künftigen (oder auch nur erträumten) Ehrentag einladen sollten, um die größtmögliche Boulevardwirkung zu erzielen. Wir blätterten durch die Geschichten dieses Sommers und gestatteten unseren Gedanken Auslauf wie den glücklichsten Kühen auf den Almwiesen.

Boris Becker hat beim Thema Hochzeit zwei Probleme. Er weiß nicht, ob a) er nicht schon viel zu pleite ist, um überhaupt eine Feier zu veranstalten, und ob b) die eingeladene A- bis D-Prominenz nicht doch sicherheitshalber fernbleiben würde – aus Angst, vom Aperitif-Schampus bis zum als Mitternachtsimbiss gereichten Tofu-Kaviar-Körbchen alles selbst berappen zu müssen. Aber dem Mann kann geholfen werden; zwei Personen gibt es, die mit Sicherheit kommen: Diejenige, die den Antrag auf Privatinsolvenz gestellt hat, und in ihrem Schlepptau der vom Gericht bestellte Masseverwalter. Erst werden sie feststellen, dass vom einstigen Tennisstar und Liebling der Klatschpresse tatsächlich nichts mehr zu holen ist. Anschließend spielen sie eine Runde Poker um sein letztes Hemd, um es im Falle seiner Niederlage als Kuriosität auf eBay zu einem horrenden Preis zu versteigern. Wenige Tage später wird Becker seine Drohung wahrmachen und für immer in die Zentralafrikanische Republik auswandern.

Innenminister Herbert Kickl hat gar keine Zeit zum Heiraten. Er ist mit diversen Ausschüssen, Parlamentssondersitzungen und sonstigen Kleingeistigkeiten der Opposition vollständig ausgelastet. Wenn es trotzdem sein muss, lädt er den ungarischen und den italienischen Innenminister zu seiner Hochzeit ein, die selbstverständlich in der Spanischen Hofreitschule stattfinden wird. Sämtliche Polizeipferde, die sich bis dahin freiwillig für die von Kickl ins Leben gerufenen Reiterstaffel gemeldet haben, werden das Ehrenspalier bilden. Die musikalische Unterhaltung bestreiten die Bremer Stadtmusikanten, falls es ihnen gelingt, durch die deutsch-österreichischen Grenzkontrollen zu kommen … also wird Kickl wahrscheinlich doch nie heiraten.

Um Mesut Özil ist es nach seinem mit meterhohen Medienwellen vollzogenen Rücktritt aus der deutschen Fußballnationalmannschaft ruhig geworden. Nach seiner bubig-trotzigen „Ihr seid alle so gemein zu mir!“-Brandrede haben sich die Möchtegernfreunde vertschüsst, und von echten ist in der Öffentlichkeit nichts bekannt. Also werden zu seiner Hochzeit wohl nur Fotokumpel Ilkay Gündogan und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erscheinen. Bei vegetarischem Kebap und anatolischem Wein werden sie dann gemeinsam über die Deutschen jammern, was zu guter Letzt in ein Jobangebot des türkischen Sultans münden wird. Nach Ende ihrer Fußballlaufbahn können die zwei als Minister für Medienkontrolle (Özil) und Kopfhaarpflege (Gündogan) im Land am Bosporus Karriere machen.

Weil niemand den Eröffnungstermin den Krankenhauses Wien Nord kennt, kann der Wiener Krankenanstalten Verbund dort auf absehbare Zeit leider keine Hochzeiten veranstalten. Das findet besonders Wiens Altbürgermeister Michael Häupl schade, der die Kosten für seine nächste Verehelichung gerne als unbedeutende technische Probleme in den Baukosten versteckt hätte. Die sind ohnehin so horrend, da fallen ein paar zehntausend Euro mehr oder weniger niemandem auf.

Mit nunmehr 80 Jahren wird Aktionskünstler Hermann Nitsch wohl nicht mehr heiraten, was seine zahlreichen Förderer und Bewunderer erleichtert aufatmen lässt. So gerne sie alle in Interviews für die Seitenblicke über die noch immer ungebrochene Innovationskraft seines Mysterientheaters schwadronieren, so ungern lassen sich die meisten von ihnen mit Blut bespritzen, sei es nun künstlich oder echt schweinisch. Da Nitsch bekanntlich keine Gelegenheit zu einem feucht-bunten Rundumschlag auslässt, wäre für einen so besonderen Ehrentag, hätte es ihn noch einmal gegeben, das Schlimmste zu befürchten gewesen.

Auch Martin Winterkorn wird nicht mehr heiraten. Dafür müsste er vorher nämlich die wohl teure Scheidung von seiner zweiten Frau berappen. Geht sich das irgendwie aus, stünde vor dem Standesamt sodann die gesamte Mannschaft der Staatsanwaltschaft Braunschweig Spalier um zu erkunden, von welchem Schwarzgeldkonto die nunmehr dritte Verehelichung finanziert wird. Kann die legale Liquidität von Winterkorn und seinen Gästen nicht sofort nachgewiesen werden, klicken noch an Ort und Stelle die Handschellen. Dann kann er im Knast mit seinem Audi-Kumpel Rupert Stadler darüber diskutieren, wer von ihnen früher über die Dieseltricksereien Bescheid wusste.

Im Gegensatz dazu hoffen alle Kulturinteressierten in und um Salzburg sehr, dass Lydia Steier, die amerikanische Regisseurin der diesjährigen Zauberflöte-Inszenierung bei den Festspielen, möglichst bald heiratet. Wenn geht, bitte einen reichen Kerl, damit sie nicht länger arbeiten muss, was in ihrem Fall die Opernbühnen dieser Welt vor der weiteren Verbreitung visueller Grauslichkeiten bewahren würde.

Bei der Hochzeit von Henrik und Sabrina gibt es eine besondere Kleiderordnung. Jeder Gast muss ein T-Shirt mit einem möglichst schrägen Spruch tragen. Als Mitternachtseinlage werden die besten Sprüche von Männlein und Weiblein prämiert. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Beispiel für Damen: „In einem Dirndl würde ich dich nur unnötig geil machen!“ Beispiel für Herren: „Ich mache keine Fehler! Ich erschaffe Katastrophen!“ Zusatzaufgabe für das Brautpaar: Sollte Henriks nunmehr adaptiertes „Meine Gattin hat den geilsten Arsch der Welt – mich“-Shirt das Rennen machen, müssen beide mit blanken Hinterteilen den Wahrheitsbeweis antreten.

Pferdebesitzer Benjamin heiratet seine Wald-und-Wiesen-Liebe nur dann, wenn er gemeinsam mit ihr und seiner Haflingerdame Frida mit den ÖBB auf Hochzeitsreise gehen kann. Die Verhandlungen, ob dafür eigens ein Viehwaggon mit Strohhimmelbett angeschafft werden muss, den die steirische Landwirtschaftskammer mittels Patenschaft finanziert, laufen noch.

Harald Mahrer möchte nicht mehr heiraten. Das liegt nicht am Zeitmangel; jedoch könnte er die vielen Leute, denen er in seinen vielen Ämtern vorsteht und die er deshalb alle einladen müsste, nicht einmal in der größten Kirche des Landes für eine Segnung durch Kardinal Schönborn unterbringen. Aber der Multifunktionär wälzt andere geistlich angehauchte Pläne. Er möchte sich zum evangelischen Diakon ausbilden lassen, um als Fernziel den Titel Sportlichster Pfarrer Österreichs zu erringen – ein paar zusätzliche Termine lassen sich in seinem Kalender noch locker reinstopfen. 

Ganz gegen den Trend zum Heiraten agiert Christian Kern. Er hat sich mit viel medialem Getöse, aber umso schlechterem Timing von der SPÖ scheiden lassen. Mit ihr, so glaubte er noch vor nicht einmal zwei Jahren, würde er ein bis zwei Legislaturperioden als Spielführer den Ton im ganzen Land angeben. Blöderweise fand er sich in der zweiten Reihe wieder, unbeachtet, obwohl er sich mit angefressenem Gesicht und ebensolchen Meldungen die allergrößte Mühe gegeben hat. Für ein Alpha-Männchen wie Kern naturgemäß eine Katastrophe, weshalb er jetzt einen Schlussstrich unter diese unglückliche Beziehung gesetzt hat. Danach behauptete er vollmundig, sich demnächst in Brüssel auf Brautschau begeben zu wollen. Das Angebot soll nicht schlechter sein als in der Alpenrepublik, die Mitgift sogar noch um einiges ansehnlicher. Als Kern jedoch draufkam, dass auch dort die Bräute nicht für ihn Schlange stehen wie beim Bachelor, zog er neuerlich ein beleidigtes Schnoferl und mit einem unverhohlenen "Ihr seid alle so gemein zu mir!" von dannen.

Liebe Herzlichkeit und liebes Glück, euch zwei habe ich bewusst ans Ende gesetzt, weil ihr anders seid als alle vor euch. Obwohl ihr Verehrer sonder Zahl habt, kommt eine Heirat für euch nicht in Frage. Ihr gehört niemanden, verschenkt euch aber an jene, die euch suchen und schließlich auch finden – in sich und in den Menschen ihrer nächsten Umgebung. Denn ihr wisst, das Fest der Liebe findet nicht nur bei einer Hochzeit statt. In Wahrheit erschafft jede Begegnung mit euch einen Ehrentag, der uns zum Feiern einlädt – das Leben, die Liebe, unser aller Mensch-Sein.

Mit bestem Dank für die Geschichten grüßt euch alle herzlich Der Kernölbotschafter

Feder

 

 28. September2018: Liebes Glück!

Es ist ein besonderes Erlebnis, dir zu begegnen. Du kommst leise daher, mit einem verschmitzten Lächeln, das nur Menschen erkennen, die in diesen Momenten dafür offen sind. Diese Seelen wissen, du bist eine Schwester des Zufalls – in dem Sinne, dass du dich nur an wenige verschenkst, ihnen zufällst. Die meisten anderen lassen den Augenblick verstreichen und wundern sich, warum in ihrem Leben nichts Schönes passiert.

Um den freien Tag nach Abschluss meiner Therapie gut zu verbringen und auch die Zeit bis zur Heimreise zu verkürzen, fahre ich auf Empfehlung meiner Physiotherapeutin Judith von Bregenz nach Bezau im Bregenzerwald. Einer Gewohnheit folgend, suche ich zuerst die Kirche auf und bin erstaunt, einen für das Alpendorf sehr imposanten Bau im Stile der Neu-Renaissance zu betreten. Das dank großer Fenster lichtdurchflutete Gotteshaus lässt mich länger verweilen; ich tauche in die Ruhe ein und hole im Gebet die Bilder der vergangenen Woche hervor. Schon hier bist du still an meiner Seite gesessen; wer die Dankbarkeit für das eigene Sein als Begegnung mit dem Glück erkennt, braucht nie mehr nach dir zu suchen.

„Du musst unbedingt zum Natter gehen. Die haben die besten Torten weit und breit!“

Judiths Rat führt mich (nach einem ungeplanten Umweg über unglaublich schmale Dorfstraßen – hin und wieder muss ich meinem nicht vorhandenen Orientierungssinn frönen) in die Konditorei am Ortseingang. Die Wahl vor der reich gefüllten Vitrine fällt tatsächlich schwer; nach dem strengen Blick der Seniorin hinter mir siegt Erdbeer-Sahne ganz knapp vor Orange-Trüffel. Ich setze mich in die Herbstsonne, schließe in Vorfreude auf den Genuss die Augen.

Kinderstimmen beenden mein angenehmes Dösen. Ich wende meinen auf die Brust gesunkenen Kopf und sehe viele kleine Bergschuhe, die neben- und nacheinander in den Gastgarten hüpfen, trippeln und schlendern. Rund zwanzig Kinder im Volksschulalter rauschen an mir vorbei auf den Eingang zu. Ihnen folgen fünf Erwachsene, wie die Kleinen in bunter Wanderkleidung. Nach wenigen Minuten erscheinen die Ersten wieder, mit einem hoch aufgetürmten Tüteneis in der Hand und einem breiten Grinsen im Gesicht.

Und du bist mitten unter ihnen, liebes Glück. Ich sehe dich ganz deutlich, als sich die Kinder auf der kleinen Mauer, die den Gastgarten umfasst, niederlassen und ihre süße Pause genießen. Sie lachen, tratschen und schlecken ihr Eis. Auch ihre fünf großen Begleiter setzen sich hin; ein bisschen abseits, völlig entspannt und ohne Kontrollstress, für den es ohnehin nicht den geringsten Anlass gibt. Kein hektisches Wischen über Mobiltelefone ist zu sehen, kein schrilles Kreischen, das Kindergruppen immer öfter begleitet, zu hören.

Je länger ich das Bild vor mir betrachte, desto intensiver empfinde ich deine Gegenwart. Du breitest über der gesamten Gruppe deine Arme aus; eine Geste, die deutlich macht, wie wenig es braucht, um dir zu begegnen: Schaut her, wir haben alles, rufst du den Menschen zu. Freundschaft, gemeinsam verbrachte Zeit, Sonne und Natur, Freude über eine kleine Süßigkeit.

Auf der Rückfahrt nach Bregenz fällt mir ein: An den Geschmack der Erdbeer-Sahne-Torte erinnere ich mich nicht; bestimmt war sie vorzüglich. Ich bin jedoch erfüllt von dir. Du bist die wichtigste Nahrung, die es für uns Menschen geben kann. Die Seele zehrt davon, das Herz gewinnt neue Kraft, und der Verstand kann sich zurückziehen auf die Insel der Unbedeutsamkeit, wohin wir ihn viel zu selten schicken.

Dein Reichtum, an dem du mich in Bezau mit den Kindern als Boten hast teilhaben lassen, wird mich begleiten bis zu unserer nächsten Begegnung, auf die ich mich schon heute freue.

Mit von Herzen dankbaren Grüßen, Der Kernölbotschafter

Feder

 

 20. September2018: Lieber Christian Kern!

 Was du (nie) warst

Als Manager, von Zweifeln frei
Kamst du als Retter einst herbei
Die Partei rief: "Du bist fesch!
Und ab sofort Regierungschef!"
 
Was du vorher nicht alles warst!
Verbund und ÖBB sogar
Führtest du in schwarze Zahlen
Damit ließ sich ganz schön prahlen
 
Deine Kleidung passgenau
Dein Gang aufrecht, dein Blick schlau
Ein echter Staatsmann für ein Land
Das sich tief beeindruckt fand
 
Als kurz darauf ein junger Spund
Seinen türkisen Plan tat kund
Fühltest du dich gut geeicht
Dich grünes Bubi schnupf' ich leicht!
 
Du präsentiertest den Plan A
Wie ein Hollywood-Filmstar
Doch Lesen ist für viele Qual
Sehr wohl verstehen sie: "Neuwahl!"
 
Du nahmst den Fehdehandschuh an
Doch dachtest nicht im Traum daran
Dass nur, wer führt, entkommt dem Scheine
Ich bin doch Chef, und nicht der Kleine!
 
Beraten ließt du dich von Leuten
Die dich zum Pizza fahren scheuchten
Einer saß recht bald im Knast
Trotzdem hast du es nicht erfasst
 
Und eines Abends, ach du Schreck!
Dein Sonnenplatz war plötzlich weg!
Der Schock darüber saß sehr tief
Sind das die Geister, die ich rief?
 
Zweiter nur? Das kann doch nicht
Die Wahrheit sein!, stand im Gesicht
Was für ein Wort - Opposition!
Da ernte ich nur Spott und Hohn!
 
Du hast es eine Zeit probiert
Damit dein Unglück prolongiert
Doch jetzt ist endlich damit Schluss
In Brüssel komm' ich neu in Schuss!
 
Ob das stimmt? Es wird sich weisen
Ich spüre Zweifel, nicht nur leisen
Was zwang dich denn echt in die Knie?
Bundeskanzler warst du nie ...

Feder

 

4. September 2018: An die Gerechtigkeitsfanatiker in Hollywood!

Euch scheint es gerade so zu gehen wie mir, wenn ich nach einem opulenten Mahl das notwendige Verdauungsschnapserl zu schnell kippe – es steigt mir zu Kopf. Das kann bei Erfolg ebenfalls passieren, wie einigen Wichtigtuerinnen mit der #MeToo-Debatte. Versteht mich nicht falsch; die Entlarvung von Harvey Weinstein und Konsorten war überfällig.

Was ihr jetzt aber fordert, schießt weit übers Ziel hinaus und wird euer eigenes Business in letzter Konsequenz gegen die Wand fahren. Schlicht deshalb, weil sich eure gesamte Daseinsberechtigung in Luft auflöst, wenn ihr diese krude Idee zu Ende denkt. Wem immer das eingefallen ist, der kann niemals einen Abschluss in aristotelischer Logik gemacht haben.

Nur eine transsexuelle Person soll eine ebensolche Rolle im Film verkörpern dürfen. Alles andere, so eure auf den ersten Blick logische Erklärung, würde nicht authentisch rüberkommen. Gleiches muss auch für Homosexuelle gelten; jemand aus eurem Verein, mit dem ihr den Verantwortlichen in Hollywood einheizen wollt, hat jüngst sogar mokiert, dass eine lesbische Schauspielerin, die eine lesbische Superheldin verkörpern soll, im echten Leben nicht lesbisch genug ist.

Aha. Und wo hört das auf, bitteschön? Wenn nur noch real Behinderte in Filmen dieser Thematik auftreten dürfen an der Stelle von Schauspielern, die sich in wunderbarer Weise auf die Rolle einlassen – wer bestimmt, wie stark die Behinderung ausgeprägt sein muss, damit sie authentisch rüberkommt? Wie orthodox hat ein Jude zu sein, um einen echten Juden darzustellen? Allein die Vorstellung, die Besetzung mit Profisportlern wäre Voraussetzung, um Filme wie Rocky oder An jedem verdammten Sonntag zu drehen, vergällt mir die Freude am Kinobesuch. Ganz abgesehen davon, dass kein Berufsboxer schöner „Keine Schmerzen, keine Schmerzen!“ röcheln könnte als Sylvester Stallone.

Einen weiteren Knick in eure Theorie verursacht die Tatsache, dass wir Filmfreaks ja nicht immer nur wegen der Handlung ins Kino gehen. In geringerem Maße deshalb, weil sie manchmal im besten Falle nur rudimentär vorhanden ist. Viele von uns, das ist der wahre Grund, haben ihre ganz persönlichen Lieblingsschauspieler und -innen (@ #MeToo: ist gegendert, nicht sexistisch gemeint), deretwegen wir besonders gerne die Lichtspieltheater frequentieren. Meine sind unter anderem, wie es sich für ein älteres Semester gehört, Tom Hanks und Meryl Streep – gemeinsam zu erleben im Journalistendrama Die Verlegerin; höchste Schauspielkunst, die höchsten Genuss beschert.

Hört sohin meine düstere Prophezeiung: Kein Schwein wird eure ach so wirklichkeitsnahen Filme sehen wollen, weil die Profession des Schauspielers – er/sie spielt und wir schauen – längst ausgestorben ist, bevor ihr eine simple Tatsache gneißt: Es ist einfach, jemand zu sein, aber ungleich schwieriger, jemanden zu verkörpern. Dazu braucht es Talent, Empathie und große Leidenschaft. Nur weil ich zufällig mit einer Behinderung lebe, heißt es noch lange nicht, dass ich einen Behinderten im Film authentisch darstellen könnte.

Weil mein Brieflein aber nicht nur dazu dienen soll, Hirnrissigkeiten aufzudecken, habe ich einen Vorschlag, die euren löchrigen Plan halbwegs kitten könnte. Österreichische Politiker haben in jahrzehntelangem Training die Kunst perfektioniert, sich selbst zu spielen. Als Reaktion auf die aktuelle Debatte sind nun einige von ihnen bereit, Hauptrollen in spannenden Remakes zu übernehmen, mit denen ihr in den kommenden Jahren den Kinokarren wieder flottmachen könnt.

Unsere Außenministerin ist derzeit in so vielen Seitenblicke-Rubriken zu finden, dass als nächster Karriereschritt fast zwingend die Teilnahme an einer internationalen Kinoproduktion erfolgen muss. Besonders anbieten würde sich der Spionagethriller Liebesgrüße nach Moskau, in dem Karin Kneissl von einem russischen Agenten bei ihrer eigenen Hochzeit erst betanzt und dann verführt wird. Ihr dämlicher Gatte kriegt nichts davon mit, und als später das ganze Land um seinen guten Ruf gebracht wird, ist es längst zu spät. In weiteren Rollen: Alfons Mensdorf-Poully als Oligarch, der für jede Bestechung offen ist, Josef Pröll als Verhandler ohne Kompetenz und Sebastian Kurz als Schattenkanzler, der stets im Schatten bleibt.

Die nächsten Filmhits, auf die wir uns freuen dürfen: Ein Mann sieht Rot! mit Christian Kern, der seine Slim-Fit-Anzüge endlich auf großer Leinwand präsentieren darf. Die Glücksritterin mit Eva Glawischnig, über eine Frau, die nach dem Verteilen von Gemeinheiten dem Mammon verfällt und für immer im Bauch eines Einarmigen Banditen verschwindet. Grüne Tomaten (Endlich wieder mehr Zeit für Gartenarbeit!)  mit Maria Vassilakou, die als Protagonistin ein Hochhausprojekt noch vor Baubeginn zum Einsturz bringt und schließlich fern der großen Stadt ein neues Leben anfängt.

Ein weiteres Projekt verspricht prickelnde Spannung, doch es fehlt noch die Unterschrift des Hauptdarstellers. Peter Pilz wurde für den erotischen Psychothriller Fifty Shades of Green (U-Ausschuss einmal anders!) angefragt, aber die Verhandlungen stecken fest; es wird gemunkelt, dass die Produzenten seinem Wunsch, sämtliche weiblichen Darstellerinnen vorab persönlich auf der Besetzungscouch testen zu dürfen, nicht entsprechen wollen. Sie befürchten einen Skandal von Weinsteinschen Dimensionen, womit sich der Kreis schließt.

Als Alternative zu Peter Pilz böte sich Hugh Grant an. Dann verkommt die Story zwar zu einer seichten Liebeskomödie mit Happy-Pop-Soundtrack, aber der Brite brächte die entscheidende Voraussetzung mit: Er ist seit jeher der einzige Schauspieler weltweit, der in jedem Film sich selbst spielt. Und genau das ist ja, was ihr wollt.

Cineastische Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

27. August 2018: Lieber Harald Mahrer!

Einen größeren Wunderwuzzi hat es in der Alpenrepublik wohl noch nie gegeben. So viele Jobs! Und immer in leitender Funktion! Wie schaffen Sie das nur? Hat Ihr Tag 48 Stunden im Gegensatz zu den läppischen 24 von uns leider Gottes sterblichen Erdlingen? Oder haben Sie bei einem sauerstofffreien Tauchgang während Ihres letzten Urlaubs die sagenhafte Stadt Atlantis entdeckt, wo in einem alten Freimaurergrab das Rezept für ewige Jugend, Kraft und Schönheit verborgen war?

Alles Hirngespinste. Die Wahrheit ist viel banaler, wie ich in der bunten Sonntagskrone von gestern erkennen musste. Sie sind einfach unglaublich fit. Um das zu beweisen, ließen Sie sich von einem Fotografen des Boulevardblattes auf einem Ihrer Powerläufe ablichten.

Mahrer läuft(Foto: Intersport)

Sie verkörpern perfekt das Motto Österreich neu regieren, das Bundeskanzler Sebastian Kurz ausgegeben hat. Getreu dem Vorhaben, Leistung muss sich wieder lohnen, haben Sie nicht bloß einen Stressjob aufgerissen, auch nicht zwei, drei, vier oder fünf. Nein, ganze sechs Ämter haben Sie übernommen und stehen noch dazu am Hirarchietreppchen immer ganz oben!

Wirtschaftsbund, Wirtschaftskammer, Sporthilfe, Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wirtschaftsforschungsinstitut, und aktuell auch noch die Österreichische Nationalbank. Damit nicht genug: Sie beraten außerdem den Kanzler, führen eine eigene Firma, haben diverse Publikationen vorgelegt und sind auch noch verheiratet. Wie oft (oder eher: wie selten) Sie Ihre Frau zu Gesicht bekommt, wage ich mir gar nicht auszumalen. Von Kindern war noch nirgends zu lesen, aber Gerüchte besagen, Sie möchten irgendwann alle Ämter an geeignete Nachfolger übergeben. Da kann sich die Seitenblicke-Redaktion auf viele gelungene Familienschnappschüsse freuen!

Und jetzt Ihr neuester Coup: Mit der Fotostrecke aus der Sonntagskrone zeigen Sie nicht nur Ihren stählernen Body in aller Öffentlichkeit. Sie präsentieren gleichzeitig die neue Kampagne des Ministeriums für Gesundheit, dem Sie in Sachen Publicity ein bisserl unter die Arme greifen. Verständlich, denn was Beate Hartinger-Klein in letzter Zeit abgeliefert hat, war ein Fettnäpfchenparcours, kein Fitnesslauf.

Als Aushängeschild dieser Kampagne verzichten Sie ab sofort auf Ihren Dienstwagen und legen sämtliche Wege laufend zurück. Als Sponsor für die dafür notwendige Ausrüstung konnte die Firma Intersport gewonnen werden, wie ebenfalls in der Krone zu lesen war. Der Handel erwartet durch Ihre Unterstützung ein deutliches Umsatzplus. Aufgrund Ihrer Omnipräsenz vermuten manche sogar, den Hans-Dampf in allen Gassen, der Sie sind, gibt es ohnehin doppelt. Deshalb führt Intersport Ihre exklusiven Laufshirts, Hosen und Schuhe ausschließlich im 2er-Set.

Dem althergebrachten Vorurteil, Politiker seien faule Leute, die nichts Gescheites gelernt haben, treten Sie sohin laufend entgegen. Den Glaubenssatz der anderen Reichshälfte, Ihr Berufsstand wäre ausschließlich am Sammeln von Ämtern, Reisediäten und Sitzungsgeldern interessiert, entkräften Sie locker damit, dass Sie sämtliche noch im Ausland befindlichen Goldreserven der ÖNB zu Fuß und eigenhändig zurück in die Heimat transportieren werden. Danach holen Sie noch den Hahnenkammtitel auf der Streif mit Streckenrekord, gewinnen das Finale der French Open gegen Roger Federer und den Goldenen Schuh als Europas bester Ligatorschütze.

Von da an wird Ihnen die Welt offenstehen – auch der Papst braucht irgendwann einen Nachfolger.

Mit allergrößter Huldigung, Der Kernölbotschafter

Feder

 

24. August 2018: Liebe ÖBB!

Wenn ihr in die Schlagzeilen geratet, so meist wegen hoher Kosten, hoher Preise oder hoher Erwartungen, die ein ehemaliger Chef von euch an ein superleiwandes Leben als strahlend lächelnder Bundeskanzler hatte. Die Geschichte ging bekanntlich nach hinten los, aber heute geht es eh um etwas ganz anderes. Ein im wahrsten Wortsinne echt hohes Tier wollte in einem eurer Züge mitfahren, doch das haben eure Angestellten zweimal resolut verhindert.

Der erste Versuch von Haflingerstute Frida, im obersteirischen Bad Mitterndorf den Waggon eines Regionalzuges zu erklimmen, endete noch vor der Tür. Der Lokführer verwehrte den Zutritt mit dem Rat an ihren Besitzer Benjamin, eine schräge Mischung aus Naturbursch und Almöhi, er möge lieber reiten.

Beim wenig später haltenden Railjet hatten die beiden mehr Glück. Der Vierbeiner und sein Herrchen gelangten in einen Waggon, posierten dort vor den verdutzten Zweibeinern für ein paar schnuckelige Selfies, wurden letztlich aber doch von einer sehr amtlich aussehenden Person wieder hinauskomplimentiert. Frida nahm ein glückseliges Kind auf ihren Rücken, legte den Rückwärtsgang ein und sagte wiehernd tschüss mit ü.

Über die Gründe, warum ihr die friedliche Frida von deinem Beförderungsdienst ausgeschlossen habt, gehen die Meinungen auseinander. In eurer offiziellen Stellungnahme heißt es, nur die Mitnahme von kleinen Tieren in verschlossenen Behältnissen sowie Hunden mit Maulkorb, wenn diese ein Ticket hätten, sei erlaubt. Ein Pferd „würde die Sicherheit aller anderen Passagiere gefährden, etwa bei einem Bremsmanöver.“

In meiner Eigenschaft als investigativ-satirischer Journalist habe ich eine alternative Wahrheit, wie Donald Trump twittern würde, recherchiert. Der Ticketautomat am Bahnhof Mitterndorf ist noch nicht von neuester Bauart. Verkehrsminister Norbert Hofer hatte bei Amtsantritt versprochen, auch die hohen Tiere der Regierung würden von nun an öfter mit der Bahn fahren und dafür ein Ticket lösen. Das hat der gute Benjamin wörtlich genommen und unterzog die Frage, ob auch Frida, sein hohes Tier, einen Fahrschein erwerben könnte, einem Praxistest. Als die Haflingerdame dabei scheiterte, probierten sie es getreu dem Motto Schwarzfahrer sind nur jene, die dabei erwischt werden auf die althergebrachte Weise.

Im Exklusivinterview mit der Kernölbotschafter-Redaktion forderte Benjamin nach seiner medienwirksamen Aktion den Verkehrsminister auf, nach „140 km/h auf Autobahnen“ und „Rechtsabbiegen bei Rot“ eine weitere Gesetzesnovelle in Angriff zu nehmen. „Freie Bahnfahrt für freie Pferde“ würde den Transport heimischer Voll-, Warm- und Kaltblüter revolutionieren. Eine Reservierung der halben Kapazitäten eurer Züge für gesattelte und beschlagene Vierbeiner würde zudem die Auslastung mit einem Schlag in noch nie da gewesene Höhen treiben.

Sohin reiche ich eine Kopie dieser Forderung an das Innenministerium weiter. Herbert Kickl ist dem Vernehmen nach Feuer und Flamme für den Vorschlag. Bei einer kurzfristigen Umsetzung könnte er seine berittene Polizeieinheit schneller von Wien nach Bregenz verlegen, als er es sich als blauer Sprücheklopfer jemals erträumt hatte. Das erste Sujet ist schon in Druck gegangen und soll demnächst auf all euren Intercitys zwischen Wien und Bregenz aufgezogen werden.

Besser hoch zu Ross am Pfänder als tatenlos am Donaugeländer!

Mit von so viel Kreativität fast erschlagenen Grüßen, Der Kernölbotschafter

Feder

 

23. August 2018: Liebe Herzlichkeit!

Vielleicht wunderst du dich darüber, einen Brief von mir zu bekommen, weil du meist ein Leben im Verborgenen führst. Das jedenfalls möchte man glauben, wenn man durch den Tag wandert: verbitterte, harte, traurige Gesichter, wohin man schaut.

In Wirklichkeit bist du überall! Es braucht nur ein bisschen Achtsamkeit, dich zu entdecken. Dabei hilft auch, mit deiner kleinen Schwester, der Herzensbildung, befreundet zu sein. Und noch etwas ist wichtig: die Erkenntnis, dass du nur in den Menschen steckst, niemals in den Dingen.

Heute schreibe ich dir aber nicht um zu philosophieren. Vielmehr möchte ich mich bedanken. Du hast dich in den letzten Tagen aus der Deckung gewagt und mir zweimal ganz offen deine Aufwartung gemacht, auf völlig verschiedene, wunderbare Art und Weise. Ich bin noch immer voll davon geflasht, wie es im modernen Begeisterungssprech so schön heißt.

In der ersten Begegnung warst du mit einem kleinen Buben unterwegs. Gemeinsam wanderten wir über eine Almwiese. Wie selbstverständlich bewegte sich das Kind meiner Geschwindigkeit angepasst und beobachtete mich dabei genau. Als wir zu einer abschüssigen Stelle kamen, sagte der etwa Achtjährige: „Hier kann es rutschig sein. Soll ich dir helfen?“

Jenes reine, kindliche Angebot durchflutete mich so wohltuend, dass ich für Sekunden keine Antwort fand. Seine 25, vielleicht 30 Kilo würden niemals ausreichen, um mich im Fall meines sprichwörtlichen Falles vor einer ungewollten Landung im Gras zu bewahren. Und doch war seine Hilfsbereitschaft ernst gemeint – das Kind würde zweifellos eingreifen und am Ende über sein Scheitern bitter enttäuscht sein.

„Sehr lieb von dir, aber ich schaffe das schon“, gab ich zurück, als ich sicher sein konnte, meine Stimme würde nicht mehr zittern vor Rührung. Wir gingen weiter einträchtig nebeneinander her bis zu unserem Ziel, einer Holzbank. Der Bub, gegenwärtig wie es nur Kinder sein können, erzählte von seinen Ferienerlebnissen. Und ich erfreute mich mit dir, die du mit uns auf der Bank Platz genommen hattest, an diesem beständigen Strom von Glück.

Ein paar Tage später betrat ich unweit meines Heimatortes ein kleines Geschäft, um eine Reparatur in Auftrag zu geben. Die Angestellte ist wohl eng mit dir verbandelt, denn kaum jemand sonst beschenkt meine Gegenwart stets mit einem derart offenen und anziehenden Wesen.

Als sie sich nach einem fröhlichen „Sekunde, ich hab’s gleich!“ mir zuwandte, sah ich ein großes weißes Pflaster an ihrer linken Wange; die Haut rundum war gerötet. Gleich darauf bemerkte ich noch etwas anderes, das ich ohne die Entstellung bestenfalls zur Kenntnis genommen hätte: Du bist neben ihr gestanden und hast ihre ganze Gestalt erleuchtet – am meisten ihr Gesicht.

Positive, meine Seele nährende Energie, wie ich sie lange nicht erleben durfte, erfüllte den Raum. Sie begann bei den strahlenden Augen der jungen Frau und ging in ein das ganze Leben umarmendes Lächeln über, als sie mich begrüßte und wir in aller Kürze das Geschäftliche erledigten. Ein Gefühl, als sei ich in diesem Moment der wichtigste Mensch für sie, ließ Erinnerungen an wertvollste Momente in meinem Leben auferstehen. Mit einem Mal war alles leicht, richtig und gut. Ausreden, verschämte Blicke, falsches Mitleid – nichts davon kam auch nur in die Nähe eines konkreten Gedankens.

„Was ist dir passiert?“, fragte ich deshalb ohne jede Angst, einen Fehler zu machen.

„Ein Abszess“, erwiderte sie leichthin; Freundlichkeit und Lebensliebe verminderten sich dabei um keinen Deut. „Aber eigentlich ist es der Ausdruck von etwas, das ich noch nicht annehmen kann.“

In diesem Augenblick hast du mir eine der wichtigsten Lektionen erteilt. Du bist nur in Menschen, die ohne jede Einschränkung ehrlich sind – zu anderen, aber vor allem zu sich selbst. Diese Ehrlichkeit braucht kein Versteck, auch keine Masken aus Stolz oder Arroganz. Durch dich konnte die junge Frau klar und ohne Scham auf einen Teil ihres Seins schauen, der noch Heilung nötig hat.

Für all das möchte ich dir danken. Ich freue mich schon sehr auf unsere nächste Begegnung.

Von ganzem Herzen, Der Kernölbotschafter

Feder

 

17. August 2018: Liebes Pärchen beim Spar!

Ihr zwei wart für mich ein derart aufregender Hingucker, dass ich euch einfach schreiben muss! Am 7. August schlurfte ich auf der Suche nach kurzfristiger Kalorienzufuhr durch die Gänge des rotgrünen Nahrungsmitteldealers in Anger. Die Fleischtheke bereits in Sichtweite und kurz davor, dem ungesündesten Tagesangebot – latscherte Semmel, heißer Leberkäse, scharfer Senf – zu verfallen, kreuztet ihr meinen Weg, irgendwo zwischen Knäckebrot und Fertigsugo.

Euer Foto steht im Lexikon neben dem Begriff Junges Pärchen beim Einkaufen 2018, keine Frage. Mit euren verspiegelten Sonnenbrillen, der perfekt zur Schau getragenen weiblichen Angefressenheit und des deutlich sichtbaren männlichen Unglücks, trotz ultracooler Schirmkappe zum bloßen Korbträger degradiert worden zu sein, könnte es keine besseren Prototypen dafür geben, wie der an sich banale Vorgang des Einkaufens heutzutage beziehungstechnisch abläuft.

Ich bin so frei und nenne euch bei passenden Vornamen. Deine Gedanken, Henrik, konnte ich  förmlich hören: Tu endlich weiter! Verständlich, denn jeder Typ würde kribbelig werden, müsste er dabei zusehen, wie seine angeblich bessere Hälfte jedes in den Einkaufswagen gelegte Stück in einem rosa Bändchen vom Typ Mein erstes Tagebuch abhakt. Ein heftiges Augenverdrehen ist wohl das Mindeste, dank der undurchsichtigen Gläser auch gut geschützt vor einem bissigen Kommentar.

Doch es half alles nichts. Sabrina, du hattest die Ruhe weg. Nach langem Hin- und Herdrehen diverser Packungen landete ein Leichtbrot im Wagerl, dann kam ein Häkchen ins Büchlein. Die Szene faszinierte mich dermaßen, dass ich meinen Heißhunger gänzlich vergaß. Und ich wurde sogar noch mit einer Steigerung belohnt: Offenbar unfähig, das Drama länger mitanzusehen, wandtest du, Henrik, dich mit Grausen ab und damit deine Vorderseite mir zu. Meine Augen weiteten sich vor ungläubigem Entsetzen, als ich die Beschriftung deines T-Shirts lesen musste.

Geilsten Arsch

Wo bist du angrennt, Henrik?! Ich hoffe sehr für dich, dass du Sabrina liebst, aber bei aller Liebe: Mit dem Teil in die Öffentlichkeit zu gehen, das hat echt was von Masochismus! Sie kann es dir zu Weihnachten, zum Geburtstag oder an eurem Jahrestag geschenkt haben; vielleicht hat Sabrina das unsägliche Stück auch als süßes Osterhaserl unter eurem Bett versteckt. Trotzdem hättest du nach dem Auspacken eindeutige Worte sprechen müssen: „SO ETWAS ZIEHE ICH NICHT AN!“

Ich will nicht moralisieren, aber der nachfolgende Tipp ist gratis und kann möglicherweise eure Beziehung retten: Geh so schnell wie möglich zur Typberatung und danach zu C&A, H&M oder zu irgendeinem anderen Gewandtandler, der momentan für deinen Geschmack angesagt ist. Dort investierst du die nächsten paar Lehrlingsentschädigungen oder Studienbeihilfen.

Falls deine holde Sabrina danach bei deinem Anblick auch ohne Gläserverspiegelung die Augen verdreht, räumst du am besten sofort ihren Kleiderschrank aus. Das schafft Platz für die nächsten passenden Stücke, die dein Leben und vor allem deinen Selbstwert pimpen werden. Versprochen!

Hoffnungsvolle Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

10. August 2018: Liebe Hera Lind!

Am vergangenen Samstag, dem 4. August 2018, haben Sie mit Ihrem Mann die Freiluftübertragung von Mozarts Zauberflöte auf dem Salzburger Kapitelplatz besucht. Ich weiß das, weil der Tisch meiner Wenigkeit direkt hinter Ihrem stand; gemeinsam mit meinen Eltern hatte ich deshalb beste Sicht – sowohl auf den Großbildschirm als auch auf Sie und Ihren charmanten Begleiter.

Mein Brief hat nichts mit der Aufführung zu tun. Diese würde ich am liebsten aus meinem Gedächtnis löschen wie eine jahrealte, nie beendete Geschichte von meinem PC. Doch leider hat sich die krude Fantasie der mental wohl fehlgeleiteten Regisseurin zu tief in mein Hirn gebrannt. Für diese Verhunzung meiner Lieblingsoper gehört sie mit dem nassen Fetzen nach Trumpistan zurückgejagt, da sind auch alle huldvoll in die Kamera gesülzten Bewunderungen von Barbara Rett vergebene Liebesmühe.

Schon nach wenigen Minuten hatte ich für die Inszenierung den passenden Namen gefunden: Rocky Horror Picture Show in der Zuckerlwerkstatt. Einziger Lichtblick war Emma Posmann, die junge Einspringerin als Königin der Nacht. Nach dieser famosen Leistung wird sie in ihrem Fach mit aller Berechtigung Karriere machen.

Trotz jenes visuellen Alptraums, der den Begriff Kunst ad absurdum führt, erlebte ich einen wunderbaren Abend – und der Grund dafür waren Sie, Frau Lind. Wie bei populären Opern üblich, muss, wer am Beginn der Übertragung einen der aufgestellten Sessel am Kapitelplatz be-sitzen will, etwa eine Stunde früher vor Ort sein. Naturgemäß schaffen das nicht alle Kulturliebhaber; sohin gehen viele der Überpünktlichen links und rechts der Reihen auf und ab, angestrengt nach einem irgendwo frei gebliebenen Plätzchen Ausschau haltend.

So auch eine alte, äußerst beleibte Dame im schwarzen Kleid, die noch dazu durch die Verwendung  zweier Krücken sehr in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt war. Die große Mühe stand ihr ins Gesicht geschrieben und war an ihrem Schnaufen bis zu unserem Platz zu hören. Mehrmals blieb sie stehen und drehte suchend den Kopf in alle möglichen Richtungen, wurde jedoch nicht fündig. Von den bereits sitzenden Zuschauern besaß niemand den Anstand, der betagten Frau den eigenen Stuhl anzubieten.

Ich kann nicht sagen, Frau Lind, ob es die Gefühllosigkeit dieser egoistisch-ignoranten Bagage war oder doch Ihr Mitgefühl für die arme Frau. Jedenfalls erwiesen Sie sich als spontan tatkräftig: Nach wenigen Sekunden hatten Sie im Restaurantbereich einen freien Polstersessel entdeckt, hoben diesen eigenhändig über zwei Tischreihen und brachten ihn der Frau in den mit Klappstühlen bestückten Zuschauerbereich. Leider konnte ich bei eurem kurzen Gespräch das Gesicht der alten Dame nicht sehen. Bestimmt war sie außerordentlich dankbar für Ihre Geste der Achtsamkeit. Später beobachtete ich immer wieder, wie sie regungslos die Vorstellung verfolgte.

Die Zauberflöte erklingt in den kleinen Momenten, Frau Lind. An diesem Abend waren Sie es, die ihr Spiel zum Leben erweckt hat. Dagegen hatte der grandiose Schwachsinn auf der Bühne des Großen Salzburger Festspielhauses nicht die geringste Chance.

Verzauberte Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

1. August 2018: Sehr geehrter Martin Winterkorn!

Das Leben kann aber schon garstig sein. 2011 waren Sie noch der am besten bezahlte Manager Deutschlands – 17,456.000,00 Euro Jahresgage muss man erst einmal ausgeben. Und keine vier Jahre später waren Sie der Buhmann für alle und mussten wegen der Diesel-Abgasaffäre von Ihren vielen Ämtern zurücktreten. Was Sie mit getürkten Dieseln bis dahin verdient haben, durften Sie meines Wissens aber behalten. Trotzdem, Shit happens.

In weiser Voraussicht hatten Sie schon vor Auffliegen des Skandals (man weiß ja nicht, was neidigen Richtern, proletarischen Staatsanwälten und vor allem den verrückten Amerikanern alles einfällt) Teile Ihres Vermögens an Ihre Frau übertragen. Diesen „Einem Nackerten kann man ja nichts ausziehen!“-Trick kennen wir auch aus Österreich zur Genüge. Beliebt bei allen Ex-Amtsträgern, die aufgrund irgendwelcher Schwindligkeiten in der Vergangenheit fürchten müssen, dass eines Tages naiv-blöde Gerechtigkeitsfanatiker auf ihren wohlbestallten Busch klopfen.

Und noch eine Gefahr ist nicht zu unterschätzen. Den vielen Ex-Titeln könnte bei mangelndem Wohlverhalten mir nichts, dir nichts auch der Ex-Mann hinzugefügt werden. Das geht schnell: Wenn zum Beispiel die von VW bezahlte, 60.000,00 Euro teure Heizanlage für Ihren Koi-Karpfenteich ausfällt, die Fischlein mit dem Bauch nach oben im Wasser treiben und Ihre Gattin ob des Anblicks einen Nervenzusammenbruch erleidet, für den sie wiederum Ihnen die Schuld zuschiebt, stehen Sie schwuppdiwupp zum zweiten Mal vor dem Scheidungsrichter.

Also hatten Sie eine Idee, die jedem finanziell wenigstens halbgebildeten Menschen gut ansteht: die Rücklage eines Notgroschens. Bei manchen findet sich dieser in der Keksdose, bei den nächsten im Geheimfach oberhalb der Feuerstelle im Kamin, bei wieder anderen klassisch unter der Matratze. Ihnen kamen jedoch Zweifel, ob an solchen Orten die von Ihnen angedachten 10,000.000,00 Euro ausreichend Platz fänden; immerhin sind das 20.000 Fünfhunderter, die es noch dazu bald nicht mehr geben wird, also doch eher 50.000 Zweihunderter. Ein ganz schöner Berg; Donald Duck würde darin ein herrliches Bad nehmen.

Also doch lieber die Alternative für alle Alt-, Neu- und sonstigen Reichen: Das verlässliche und anonymisierte Konto in der Schweiz, wo man noch weiß, dass Diskretion für die gehobene Klientel alles ist, und zweifellos gut damit verdient. Über ein Treuhandkonto Ihres Steuerberaters – ganz persönlich wollten Sie dann doch nicht auf dem Beleg aufscheinen – sollen die zehn Mille letztendlich bei einer Züricher Bankdepot Ihrer Frau gelandet sein.

Blöd ist jetzt nur, dass Ihnen die Staatsanwaltschaft Braunschweig irgendwie auf die Schliche gekommen ist und Sie wegen Steuerhinterziehung drankriegen will. Rein rechtlich handelt es sich nämlich um eine Schenkung, für die – erraten! – die gleichnamige Steuer fällig gewesen wäre.

Doch Sie wären kaum der toughe „Ich habe von den Abgasmanipulationen ehrlich nichts gewusst!“-Manager, würden Sie Ihren bitter vom Mund abgesparten Notgroschen nicht mit Zähnen und Klauen verteidigen. Ihr findiger Anwalt will jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Verrats von Dienstgeheimnissen verklagen, weil in der Bild, bekanntlich das Magen-und-Darm-Medium der deutschen Zeitungslandschaft, bereits von den Verdächtigungen gegen Sie zu lesen war.

Herr Winterkorn, Sie sind wie ein Dieb, den die Polente beim Klauen erwischt hat. Weil Ihnen und Ihrem Winkeladvokaten nichts anderes einfällt, wollen Sie nun den Leuten, die das von Rechts wegen überprüfen, die Schuld dafür in die Schuhe schieben. Nach dem Motto: „Wenn niemand da wäre, der mir auf die Langfinger schaut, bräuchte ich gar nicht zu betrügen.“

Im Sinne der bei unseren Lieblingsnachbarn halbwegs funktionierenden Gerichtsbarkeit hoffe ich, dass Sie ein paar Milliönchen für Strafe und nachträgliche Schenkungssteuer abdrücken müssen, auch wenn dadurch ihr Notgroschen ein bisschen kleiner wird. Ich bin jedoch sicher, dass in Ihrer günstig angemieteten 400m²-Villa noch irgendwo ein paar Bündel Fünfhunderter herumliegen. Sie dürfen halt nicht darauf vergessen, diese vor Gültigkeitsablauf auf ein Schweizer Nummernkonto einzuzahlen. Oder auf das Ihrer Frau – was aber, wie oben bereits vermerkt, gefährlich sein kann.

Geldige Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

27. Juli 2018: Sehr geehrter Hermann Nitsch!

Mich hat ein Wink des Schicksals ereilt! Aus diesem Grunde wende ich mich an Sie, den größten und einzigartigsten Künstler auf Ihrem Gebiet.

Ich muss gestehen, dass ich bisher mit Ihren Arbeiten kaum in Berührung gekommen bin. Ihr beeindruckendes Antlitz, eine gelungene Mischung aus Almöhi und Rübezahl, taucht zwar regelmäßig in den gesellschaftsrelevanten Medien auf, doch zu mehr als ein paar Seitenblicke-Ausschnitten habe ich es leider noch nicht geschafft. Das wird sich jetzt entscheidend ändern, da mir gestern etwas Außerordentliches gelungen ist: mein erstes Schüttbild!

Apfelcreme Elefant

Beeindruckend, nicht wahr? Ich nenne es Büffel kurz vor dem Angriff, mit Exkrementen. Die Entstehungsgeschichte ist von derart ungewöhnlicher Zufälligkeit, dass die eingangs von mir erwähnte Vorsehung außer Frage steht.

Ich hatte den Hauptgang meines Mittagessens beendet und war gerade im Begriff, die Nachspeise, eine formidable Apfelcreme, in eine für den Verzehr geeignete Position vor mich zu ziehen. Plötzlich und ohne die geringste Vorwarnung kippte der Kelch in meine Richtung! Es ergoss sich ein Schwall Creme auf das rote Tischset. Nachdem ich mich von dem Schock erholt und darüber gefreut hatte, nicht auf meine graue Hose gekleckert zu haben, betrachtete ich das ockerfarbene Häufchen. Dieses wäre für sich schon ein Kunstwerk gewesen, das wohl unter dem Titel Beweis einer drohenden Durchfallerkrankung Furore gemacht hätte.

Da es mir jedoch zuwider ist, Lebensmittel zu verschwenden, habe ich das Häufchen mittels eines kleinen Löffels seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt. Und ich muss sagen: Es wäre wirklich zu schade gewesen, auch nur die kleinste Kleinigkeit der Apfelcreme zu vergeuden.

Mein nachhaltiges Tun verschaffte mir sodann ein noch viel größeres Wunder. Nach dem letzten Genussmoment sah ich auf etwas vor mir, das einfache Gemüter wohl nur ratlos zurücklässt. Mir jedoch fiel es wie Schuppen von den Augen! Der Absturz meiner Apfelcreme war gar keine Ungeschicklichkeit, sondern ein Augenblick höchster, innigst empfundener Kunst! Sie ist gleichsam aus mir durch den Glaskelch auf das Tischset geflossen. Und wie es eben ist, wenn alles fließt, war auch der Titel schon nach einer weiteren Sekunde klar. Der Büffel senkt angriffslustig sein edles Haupt, er entledigt sich noch schnell überflüssiger Verdauungsendprodukte und ist im Begriff, sich seinen allerschlimmsten Feinden im Kampfe zu stellen – siegreich oder bis in den Tod!

Sie werden die Qualität dieser Arbeit auf den ersten Blick erkennen, werter Herr Nitsch. Deshalb biete ich Ihnen das Schüttbild Büffel kurz vor dem Angriff, mit Exkrementen (Creme aus Frühäpfeln und Schlagobers auf rotem Stoff) zum Vorzugspreis von 100.000,-- Euro für Ihr weltberühmtes Museum in Mistelbach an. Ein Rechnungsbeleg ist nicht erforderlich; mir kam zu Ohren, dass Sie schon in der Vergangenheit nicht viel Aufhebens um eine doppelte Buchführung gemacht haben.

Sollten Sie mein Angebot aus unerfindlichen Gründen ausschlagen, biete ich das Bild, sobald die Creme konserviert ist, als Originalportrait des großen Indianerhäuptlings Raging Bull auf eBay an. Die Preise für derartige Exponate erleben unter Freunden von Donald Trump, die wie der US-Präsident viel Wert auf gedankenlos Herausgeschütteltes legen, einen ungeahnten Höhenflug. Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören, Herr Nitsch!

Künstlerische Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

25. Juli 2018: Sehr geehrter Wiener Krankenanstaltenverbund!

Hiermit bewerbe ich mich offiziell bei Ihnen als Bauzaunwärter. Zwar weiß ich weder, ob das ein anerkannter Ausbildungsberuf ist, noch wo die Bauzaunwärter-Akademie ihren Sitz hat, die man als Voraussetzung für die Stelle sicher besucht und abgeschlossen haben muss. Fest steht aber jedenfalls, dass Sie jemanden brauchen, der den Bauzaun um die Baustelle des noch immer im Bau befindlichen Krankenhauses Wien Nord bewacht.

Wieso ich das weiß? Aufgrund einer logischen Schlussfolgerung. Wenn Sie für die Wartung Ihres Bauzauns 839.000,-- Euro ausgeben und noch einmal 95.000,-- Euro, damit ein Energetiker einen Schutzring um die gesamte Baustelle samt Bauzaun zaubert, muss dieser Zaun ungeheuer wertvoll sein, ergo strengstens im Auge behalten werden.

Wobei: Richtet man sein Auge auf die aktuell veranschlagten Gesamtkosten für das Vorzeigeprojekt der Stadt Wien, ist diese doppelte Hochsicherheitsumzäunung geradezu ein Schnäppchen. Sie macht nicht einmal 6,22 % der eineinhalb Milliarden Euro aus, die das Schmuckkästchen am Ende kosten soll. Sohin hat der Wiener Altbürgermeister den letzten Anstieg bei den Schätzungen auch völlig richtig eingeschätzt: „400 Millionen? Das sind halt technische Probleme, nichts Ernstes.“

Apropos Technik: Das Areal dieser Goldgrube, mit der Sie, sehr geehrter KAV, sich zweifellos die Krösus-Krone aufsetzen werden, ist entsprechend weitläufig nicht wahr? Deshalb ersuche ich Sie, vor dem Einstellungsgespräch Ihr Anlagenverzeichnis zu durchforsten. Irgendwo wird sicher ein altes, aber noch funktionstüchtiges Golfcar herumstehen (vielleicht vom letzten Charity-Turnier für verarmte Ex-KAV-Funktionäre?), auf dem ich meine nächtlichen Runden um den Bauzaun ziehen kann. Als Dienstwaffe schlage ich mit flüssigem Valium gefüllte Spritzpistolen vor; klarerweise das Spitzenmodell in Gold, eine Sonderanfertigung der Firma Glock, zum Sonderpreis von 25.000,-- Euro pro Stück. Damit lege ich Bauzaunräubern, die nur auf den günstigsten Moment für einen großen Coup warten, im Handumdrehen das schändliche Handwerk.

Meine Gehaltsvorstellung orientiert sich selbstredend am Wert des zu bewachenden Objektes. Mehr als die Kosten für eine schnöde Glock sollte schon drin sein, also schlage ich schlanke 50.000,-- Euro netto vor, 16mal im Jahr, zuzüglich Nacht-, Wetter- und Golfcarwartugnszulage. In diesem Gehalt ist selbstverständlich die lückenlose Dokumentation über jede gefundene Zaunlücke enthalten.

Sollten Sie wider Erwarten dieses lukrative Angebot nicht annehmen, habe ich noch einen Alternativvorschlag: Ich montiere den Bauzaun ab, stelle ihn irgendwo im Wiener Umland auf eine Wiese und bewache dort alle Politiker, Funktionäre und sonstigen Verantwortlichen, die vom kürzlich zur Bürgernotwehr hochgerüsteten Bund der Steuerzahler dort eingesperrt werden. Und zwar so lange, bis auch der letzte von den Delinquenten kapiert hat, dass man fremdes Geld viel sorgsamer zu verwalten hat als eigenes. Die frei gewordenen Stellen könnten in der Zwischenzeit mit federführend am Bau beteiligten Personen des neuen Flughafens Berlin besetzt werden. Ich bin sicher, das steigert die Chancen auf eine baldige Eröffnung Ihrer protzigen Hütte beträchtlich!

In diesem Sinne hoffe ich, ein ausbau- sowie tragfähiges Angebot gelegt zu haben und sehe Ihrer Antwort mit großen Interesse entgegen.

Mit professionellen Grüßen, Der Kernölbotschafter

Feder

 

24. Juli 2018: Lieber Mesut Özil!

Was ist nur los mit deutschen Sportlern, wenn sie einen Hauch von Kritik verspüren? Vor knapp einem Monat musste der Kernölbotschafter den früheren Tennishelden Boris Becker rügen, weil er sich mit der schnöden Hilfe eines Diplomatenpasses der Zentralafrikanischen Republik vor einem britischen Insolvenzantrag drücken wollte. Und jetzt kommst du daher und drückst dich wie eine beleidigte Leberwurst vor den Folgen deiner eigenen Blödheiten.

Du hast ein begnadetes Füßchen, Mesut. Das beweist allein schon die Liste der Vereine, deren offensiven Mittelfeldrasen du als A-Spieler bislang beackert hast. Schalke 04, Werder Bremen, Real Madrid. Seit fünf Jahren kickst du bei Arsenal in London. By the way, bist du dort vielleicht einmal von Boris Becker um ein Packerl Tschick und ein großes Bier angeschnorrt worden? Falls ja, hast du ihm sicher ein paar Drinks ausgegeben, denn du hast es ja dick, wie ein Großer.

Vielleicht liegt gerade dort das Problem. Dein Konto ist immer gewachsen – und dein Verstand ist gleich geblieben. Oder sogar geschrumpft, angesichts der vielen Nullen vor dem Komma auf deinen Verträgen. Anders können es sich viele Normalos unter deinen Fans nämlich nicht erklären, warum du dein Gesicht neben dem türkischen Sultan in die Kameras hältst. Eine unbedachte Dummheit, wie gesagt. Die hätte es auch bleiben können, denn Medienfuzzis und Öffentlichkeit vergessen eh schnell. Gegen den Skandal von heute ist jener von gestern so interessant wie der Furz eines Eichhörnchens im Schwarzwald. Aber du konntest es nicht bei diesem einen Furz belassen.

Shit happens, ich versteh‘ das schon. Wenn einer wie du Pech beim Denken hat, kommt manchmal auch noch kein Glück dazu. Die WM in Russland war für Die Mannschaft, wie ihr euch selbst ein bisserl hochtrabend nennt, nicht wirklich eine Reise wert. Hättest du den Karren aus dem Dreck gezogen und deine Kollegen mit ein paar Geniestreichen noch ins Achtelfinale oder darüber hinaus geschossen, wäre niemand auf die Idee gekommen, über deine „Ich ehre das Land meiner Ahnen“-Verrücktheit auch nur nachzudenken.

Die Auszeit nach eurer ungeplant frühen Rückkehr aus Putins Zarenreich hättest du dazu nutzen können, in dich zu gehen und ein bisserl Fußballrasen über die Sache wachsen zu lassen. Ersteres hast du laut eigenen Angaben gemacht; herausgekommen ist jedoch weder die Einsicht, dass Schweigen goldiger ist als Twittern, noch die Erkenntnis, mit dem öffentlichkeitsgeilen Leiberltausch niemandem einen Gefallen getan zu haben außer dem türkischen Staatschef. Im Gegenteil: Du hast eine noch viel größere Blödheit draufgesetzt, die bereits jetzt die Wahl zum Eigentor des Jahres todsicher in der Tasche hat.

Der arme Mesut als Rassismus- und Medienopfer? Ich weiß nicht, von welcher Seite du für diese krude Verdrehung der Tatsachen Mitleid erwartest. Da lässt du dich grinsend mit einem der größten Menschenrechtsverletzer der Erdkugel fotografieren und jammerst hinterher, dass kritisch darüber berichtet wird. Du stilisierst dich als Opfer Deutschlands, wo du geboren und aufgewachsen bist und auch deine Ausbildung zum Fußballprofi, immerhin die Basis für deine spätere Weltkarriere, erhalten hast. Und du behauptest frech, das Foto mit Erdogan habe nur mit Sport zu tun, nicht mit Politik. Wenn du das wirklich glaubst, bist du noch dümmer, als deine Aktionen jetzt unter Beweis stellen. Oder du hast das unfähigste Management aller Zeiten.

Nochmal in Großbuchstaben für dich, zum Mitschreiben: EIN GEMEINSAMES FOTO MIT EINEM POLITIKER HAT IMMER MIT POLITIK ZU TUN! Deshalb hättest du dir vorher überlegen sollen, wem dieses hirnbefreite Shooting nützen und wem es schaden könnte. Deine Suderei aber nützt definitiv den Falschen und schadet allen Migrationshintergründigen. Vor allem, weil sich in den Köpfen ein Gedanke festsetzt, den rechte Parteien jetzt Ende nie trommeln werden: Wir haben immer schon gewusst, dass selbst in Deutschland geborene Ausländer nicht integrierbar sind!

Deine Begründung für den Rücktritt aus der Nationalelf ist die letzte einer ganzen Reihe von Schwalben, für die du einen Elfmeter schinden wolltest. Zum Glück hat dich der Videobeweis aufgedeckt: Deine weinerlichen „Ihr seid alle so gemein zu mir!“-Tiraden gegen den DFB und die deutschen Medien sind nichts anderes als der letzte Rundumschlag eines trotzigen Bubis, der es sich mit allen verscherzt hat. Dabei windest du dich verbal wie Neymar nach einem Foul und machst ihm die Goldene Zitrone für die mieseste schauspielerische Leistung streitig.

Schlechte Verlierer mag niemand, Mesut. Weder im Sport noch im Leben. Vielleicht verstehst du das jetzt noch nicht. Aber nun hast du ja viel mehr Zeit zum Nachdenken. Möge dieser Doppelpass mit dir selbst ein paar gute Ideen bringen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Entschuldigung?

Integrative Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

22. Juni 2018: Sehr geehrter Innenminister Kickl!

Es ist zum Wiehern! Gestern wurde bekannt, dass sich für Ihre Königsidee, in Wien eine berittene Polizeitruppe zu installieren, erst vier Pferde gemeldet haben. Dem Vernehmen nach hatten Sie felsenfest mit einem heftigen Angalopp auf die zu vergebenden zwölf Plätze gerechnet, um aus der riesigen Herde auf dem Heldenplatz nur die stolzesten, reinrassigsten, heißblütigsten Exemplare wählen zu können.

Die Parade glich alsdann nicht einmal, wie es Ihnen kurz vor Geburt der Idee im Traum erschienen war, den vier Musketieren. Eher hatten interessierte Zaungäste den Eindruck, hier würden die Bremer Stadtmusikanten, Abteilung Equidae, aufmarschieren. Da der vom BVT angeforderte Pferdeflüsterer Robert Redford nicht verfügbar war, wurde der Kernölbotschafter, bekannt für seine investigativen Fragestellungen, damit beauftragt, den Kandidaten aufs Gebiss zu fühlen. Nachstehend das Protokoll der durchgeführten Interviews.

 Frage: Warum haben Sie sich als Polizeipferd beworben?

Antwort Pferd 1: „Ich wollte immer in die Spanische Hofreitschule, aber dort haben sie mich wegen der falschen Parteifarbe nicht genommen. Keine Ahnung, warum die dort nur die Weißen reinlassen. Eleganz tänzeln und arrogant dreinschauen kann doch jedes gerade gewachsene Pferd!“

Antwort Pferd 2: „Die Arbeit als Zuchthengst ging mir auf die Dauer zu stark auf die Psyche. Sie haben keine Ahnung, Herr Botschafter, welche Kommentare man sich von den blöden Stuten anhören muss, wenn man es nicht auf Knopfdruck bringt!“

Antwort Pferd 3: „Weil es schon nach fünf Dienstjahren beste Aufstiegschancen gibt. Ich hörte, an der New Yorker Met suchen sie ständig neue Pferde als Statisten. Schon immer wollte ich mein schauspielerisches Talent beim Einzug der Soldaten in der Aida unter Beweis stellen. Triumphmarsch, ich komme!“

Frage: Wie werden Sie die Arbeit unter Ihrem Chef, Innenminister Herbert Kickl, anlegen?

Antwort Pferd 1: „Von oben herab, genau mein Stil.“

Antwort Pferd 2: „Ich habe länger auf dem Regierungsfoto suchen müssen. Als dann feststand, dass der Kleinste mein neuer Boss ist, war mir eine Sache klar: Am Schwierigsten wird sein, ihn wirkungsvoll am Kinn zu treffen, wenn er mir zu nah am Arsch vorbei geht.“

Antwort Pferd 3: „Meiner Doppelqualifikation wegen wird der Herr Innenminister mich zum Anführer der Truppe ernennen, da fährt der Huf drüber! Ich war bisher nicht nur der Zuchtstolz meines Besitzers, sondern habe stets die Truppe mit coolen Sprüchen auf die Stampede eingeschworen. Dieses Talent werde ich vom ersten Tag an einbringen. Kostprobe gefällig? Reiten statt Hetzen! Ein guter Polizeitag beginnt mit einer aufgelösten Demo! Nieder mit den Linkslinken – Rechts von mir darf kein Sattel frei sein!

Das vierte Pferd konnte von mir nicht befragt werden; es schied aufgrund seiner zu geringen Größe bereits bei der ersten Prüfung aus. Die Anweisung, das ansonsten makellose Tier von der Musterung direkt zur Abschiebung freizugeben, stammt jedoch nicht von mir, sondern Gerüchten zufolge aus dem von Ihnen geführten Innenministerium.

Sie wollen jetzt mit einer internationalen Werbekampagne Pferde aus Deutschland und Ungarn zur Bewerbung einladen? Verständlich: Mit beiden Staaten wiehern Sie im Gleichklang, also sollten genug Interessenten vorhanden sein.

Für Pferd Nummer 4 hätte ich indes eine Alternative zur Abschiebung. Es hat genau die richtige Größe für Sie und könnte schon beim nächsten Nationalfeiertag auf dem Heldenplatz seinen Dienst anzutreten. Ein standesgemäßes Stockerl als Aufstiegshilfe wird sich finden.

Einen knackigen Polizeigruß entbietet Der Kernölbotschafter

Feder

15. Juni 2018: Lieber Boris "Bumm Bumm" Becker!

Was für ein Befreiungsvolley! Ich liege vor dir wie du einst auf dem Heiligen Rasen von Wimbledon! Du entziehst dich der Strafverfolgung geschickter als so mancher sizilianischer Mafioso. Der muss dafür jahrzehntelang in einem Erdloch hocken und wird am Ende von den Carabinieri doch geschnappt. Wenn dir aber ein Land wegen deiner Schulden mittels Insolvenzantrag ans Bein pinkelt, schreist du erbost: „Diplomatische Immunität!“ Das berichtet der für seine weltbedeutenden Nachrichten weltbekannte Rotweißrot-Staatsfunk heute auf seiner Internetseite.

Als Erstes würde mich interessieren, welcher Winkeladvokat auf die Idee gekommen ist, dich von der Zentralafrikanischen Republik zum Sonderattache für Sport und kulturelle Angelegenheiten in der Europäischen Union ernennen zu lassen. Welche Aufgaben könntest du da wohl erledigen? Falls du Tenniscamps für zentralafrikanische Waisenkinder in deiner (wahrscheinlich schon bald gepfändeten) Villa organisierst, ist das aller Ehren wert. Ich befürchte jedoch, dass dein doch recht abrupter Wechsel vom Lebemann zum Diplomaten eher eigennützigen Interessen dient.

Du gibst es sogar selbst zu: Weil der Insolvenzantrag „sowohl ungerechtfertigt als auch ungerecht“ sei, machst du deine diplomatische Immunität geltend, um „diese Farce zu einem Ende zu bringen“ und anzufangen, dein „Leben wieder aufzubauen“. Jammern als Lebenseinstellung; das reicht für ein paar Schlagzeilen, wird dir am Ende aber – so hofft der Chronist als aufrechter Steuerzahler – die diplomatische Haut nicht retten.

Und ich befürchte, deine Chancen stehen schlecht. Weil der Insolvenzantrag aus Großbritannien kommt (hast du es in den Inn-Lokalen der Inner City von London zu oft krachen lassen?), wird sich Lady Prime Minister Theresa May auch deinen letzten Euro krallen, bis du alles zurückgezahlt hast. Nach dem Brexit werden die Untertanen der Queen nämlich Devisen nachrennen wie der Jagdhund den Enten am englischen Ufer des Ärmelkanals.

Lieber Boris, hier ein wohlgemeinter Rat: Es ist ehrenhafter, für eigene Fehler einzustehen und, falls nötig, sein letztes weißes Hemd zu geben, als sich feig (und undiplomatisch!) auf den Schwarzen Kontinent zu vertschüssen, noch dazu nur durch den Besitz eines druckfrischen Diplomatenpasses. Denn Hand aufs Herz: Wie oft bist du seit deiner Ernennung schon in der Zentralafrikanischen Republik gewesen?

Sportliche Grüße, Der Kernölbotschafter

Feder

 

Satiren des Tages - März 2018

 

30. März 2018: Lachend lange leben

Bregenz beheimatet nicht nur eine der besten Physiotherapeutinnen, eine Reihe feiner Hotels und ein Seeufer, an dem es sich wunderbar träumend sitzen oder auch trainierend schwitzen lässt. In der Hauptstadt Vorarlbergs und im Ländle rundum erscheinen außerdem die Vorarlberger Nachrichten, die mir bei meinem letzten Aufenthalt vor ein paar Wochen eine sprichwörtlich lebenslange Erkenntnis schenkten.

Die VN sind eine durchaus den Erwartungen entsprechende Bundesländerzeitung mit einem großen Herz für die Heimat, ob es um die Schülerlandesliga-Ergebnisse der Turnerinnen geht oder um Bürgerproteste gegen eine Baubewilligung, wie wir sie auch aus allen anderen Ecken Österreichs kennen. Auf einigen Seiten unterscheiden sie sich jedoch grundlegend von vergleichbaren Blättern, etwa von der steirischen Kleinen Zeitung: Hier werden (aus Gründen, die wir innerhalb der Kernölbotschafter-Redaktion bisher nicht erforschen konnten) jeden Tag viel mehr Traueranzeigen abgedruckt als sonst wo.

Jetzt ist das per se noch keine Erkenntnis. Als ich jedoch zuletzt in Ermangelung anderen Lesestoffs genau diese Anzeigen genauer studierte, fiel mir bei jenen, die mit einem Bild des/der Verblichenen behübscht waren, eine erstaunliche Verbindung zwischen Gesichtsausdruck und Lebensdauer auf. Ob Sie dieser bahnbrechenden Theorie des Kernölbotschafters Glauben schenken oder nicht: Wer mit freundlichem Lächeln oder einer anderen Art Heiterkeit das schwarz umrandete Kastl veredelte, war zuvor meist deutlich länger auf der Erde gewandelt als jene bereits über den Styx Gegangenen, die selbst auf dem bestmöglichen Bild dreinschauen, als wäre der griechische Höllenhund Kerberos noch immer hinter ihnen her.

Die Moral liegt auf der Hand: Humorvoll lebt es sich nicht nur besser, sondern auch länger. Und irgendwie würde es mich selbst nach Abholung durch den Sensenmann wurmen, wenn mein letztes öffentliches Antlitz eines mit bis zu den altersbedingten Hautfalten am Hals hängenden Mundwinkeln wäre. Bei meiner Beerdigung soll jemand Don’t worry, be happy singen – meinetwegen auch Bobby McFerrin vom Band. Das passt dann auch hervorragend zum Foto in der Zeitung, das ich vorab persönlich aussuchen werde, unter der Androhung, alle Erbinnen und Erben posthum aus meinem Testament zu schmeißen, sollten sie es wagen, ein anderes drucken zu lassen.

Bis dahin wird aber noch eine lange, heitere Zeit vergehen. Eine schöne Erkenntnis für den Karfreitag, wie ich finde. Frohe Ostern!

Feder

 

27. März 2018: Eine Viertelstunde mit Ö3

Weil ich auf der gestrigen Fahrt zur Physiotherapie nach Gnas mein Hörbuch nicht dabei hatte, verfiel mein manchmal unberechenbarer Optimismus der Hoffnung anheim, jener sich selbst gerne als Hitradio bezeichnende Sender könnte zur Abwechslung und nur für mich etwas Hörbares aus den 80ern spielen. Falls mein Glück beinahe grenzenlos wäre, ginge sich auch noch ein Verzicht auf platte Witzchen der Marke Kommt ein Ritter in die Apotheke aus. Bitte – danke.

Doch erstens kam es anders, zweitens schlimmer als ich befürchtet hatte. Erst quälte ein unsägliches DJ-Mix aus der Dose meine Ohren, das noch nie ein mit zwei Händen zu spielendes Musikinstrument auch nur aus der Ferne gesehen hatte. Und danach ließ Philipp Hansa nicht etwa einen humorbefreiten Gag vom Stapel. Nein, er packte gleich den großen Hammer aus: eine Umfrage zum Thema Beziehungen.

Ich griff das Lenkrad fester, wappnete mich so für die erste der beiden Haarnadelkurven ins Gnaser Tal und zugleich für den Blödsinn, der unvermeidbar aus der akustischen Beschallungsmaschine kommen würde. Und ich wurde nicht enttäuscht: Die Meinungsforscher verlauten Bahnbrechendes!

Bub und Mädchen schätzen beinahe das Gleiche am jeweils anderen Geschlecht. Lesen und staunen Sie: Beide sollen humorvoll, gebildet und reisefreudig sein. Aber geh! Er findet Sie perfekt, wenn Sie auch noch ein bisserl Sportlichkeit mitbringt. Sie mag Ihn am liebsten, wenn Er mit Ihr auch noch ins Theater und Museum geht.

Irgendwie gelang es mir, den Lachanfall bis nach der zweiten Haarnadel zu unterdrücken. Dabei half mir die Erinnerung an die politische Zeit eines Jörg Haider, als niemand öffentlich zugeben wollte, FPÖ zu wählen, die Blauen aber trotzdem bei 27 % landeten. Hier ist es ähnlich. Auf die Frage, was man in Beziehungen gut findet, verlassen nicht eigene Gedanken und Überzeugungen den Mund, sondern halt irgendetwas Nettes, das sich gut anhört.

Woher ich das weiß? Aus gut zwanzig Jahren intensiver Feldforschung. Ich bin quasi mein eigenes Forschungsobjekt und fasse hier und jetzt für meine Leserschaft das Ergebnis dieses rigorosen Selbstversuches zusammen. Meine Bildung liegt über dem Durchschnitt, ich bin gerne unterwegs und versorge die Nation als Kernölbotschafter seit mehr als zwei Jahrzehnten mit gediegenem Humor. Zahl der Anträge, die ich in dieser Zeit bekommen habe? 0.

Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen. Wenn derartige Umfragen auch nur einen Gramm Wahrheit enthalten sollen, müssen sie künftig geheim und unter Eid erstellt werden. Oder man verzichtet ganz darauf und gibt sich stattdessen mit den Witzen auf Ö3-Niveau zufrieden. Kommt ein Ritter in die Apotheke und fragt: Hast du ein Mittel, Alter?

Über die Umfrage habe ich mehr gelacht.

Feder

 

26. März 2018: Nur a bisserl Hirn

Letzten Freitag Abend an der Bar des von mir frequentierten Grazer Pokerklubs, kurz vor dem Turnier. Beim Warten auf mein Standardgetränk (warum es ausgerechnet hier Ananassaft gibt, im Gegensatz zu den meisten besser sortierten Lokalen, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben) werde ich Ohrenzeuge eines bemerkenswerten Kurzmonologes.

„Bei mir is jo olles dahin. Kreuz, Leber, Lunge, Knia, olles in irgendana Oart defekt. Nur a bisserl Hirn is ma no bliebn, des reicht grod fias Pokern.“

Der Mann, nach vorsichtiger Schätzung zwischen fünfzig und sechzig, nimmt einen kräftigen Schluck von seinem Krügerl Puntigamer und zieht dann tief an seiner Marlboro. Und wieder wird von dem, was seine Lunge und Leber noch leisten können, a bisserl weniger.

Auf dem Weg zum mir zugelosten Spieltisch beschäftigt mich ein existenzielles Rätsel der Menschheit. Warum reicht a bisserl Hirn für ein komplexes Spiel wie Poker, aber nicht dafür, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern?

Könnte ich dem lieben Gott diese Frage stellen, würde er wahrscheinlich antworten: „Gehirn und Körper sind Geschenke von mir. Beides ordentlich benützen – das müsst ihr schon selbst, Leute!“ Eine atheistische (man könnte auch formulieren, österreichische) Theorie vom Kernölbotschafter: Hätte die Bundesregierung das schon beschlossene Rauchverbot in Lokalen nicht gekippt, wäre der blauen Stammwählerschaft wohl noch immer zu viel Hirn geblieben. Keine Zigaretten mehr in den Tschecherln hätten nämlich zwangsläufig weniger Krügerl und Stamperl zur Folge gehabt.

Das Risiko von zu viel Erkenntnis unter seinen Anhängern bezüglich der grandiosen Unsinnigkeiten, die seine Leute in gerade einmal 100 Tagen Regierungsbeteiligung von sich gegeben und angerichtet haben – die Rede von Gesundheitsministerin Hartinger-Klein zum neuen Raucherschutzgesetz im Parlament gehört schon jetzt zu den Klassikern im Fach Unfreiwillige Komödie –, kann HC Strache verständlicherweise nicht eingehen. Dafür verzichtet er lieber auf einen Lungenflügel und einen Teil seiner Leber.

Feder

 

6. März 2018: Beste aussichten

Jetzt hauen alle auf die arme Eva Glawischnig hin. Dabei hat sie nur konsequent nach einer Möglichkeit gesucht, a) ihre finanzielle Zukunft abzusichern und b) gleichzeitig allen, die in der Vergangenheit garstig zu ihr waren, den sprichwörtlichen Finger zu zeigen. Dabei hat die ehemalige Chefin der Grünen zumindest einen ihrer Werte beibehalten, wie sie nach der schon jetzt als legendär geltenden Antrittspressekonferenz bei Novomatic einer Freundin anvertraute: „Ich war und bin immer für die Energiegewinnung aus Wasserkraft eingetreten – also nach mir die Sintflut!“

Hinter vorgehaltener Hand wird Glawischnig für Ihren mutigen Schritt von den anderen Parteigranden bewundert. Viele planen schon jetzt für ihre Zeit nach der Politik. Aus gut informierten Kreisen erfuhr die Kernölbotschafter-Redaktion von ersten, durchaus spannenden Vorhaben. Alle nachstehend genannten Herren haben beste Aussichten.

Sebastian Kurz: Der Kanzler wird auch nach seiner Zeit als Regierungschef in der Politik bleiben, aber nur noch beratend tätig sein. Sämtliche Parteien sind an seinen Diensten als Ausreden-Schreiber interessiert, wenn es darum geht, unklare, unlogische und beim Volk unerwünschte Gesetze zu begründen.

Christian Kern: Dressman bei Dressmann. In der Faschingszeit verkleidet sich der Ex-Kanzler zusätzlich als beleidigte Leberwurst und verbreitet überall dort, wo die Leute zu gut drauf sind, schlechte Stimmung.

HC Strache: Der aktuelle Vizekanzler wir seine eigene Brillenkollektion auf den Markt bringen. Seine Verkaufsnische wird von älteren Männern besetzt sein, die in Kombination mit tief im Mundwinkel hängender Zigarette besonders cool wirken wollen. Straches Top-Modell „warm&klar“ wird zudem mit beheizbaren Nasenflügelstützen ausgestattet sein, um die Gefahr von Lungenentzündungen zu minimieren, wenn das Rauchverbot in der Gastronomie doch irgendwann von ignoranten und die heimische Gastfreundschaft mit Füßen tretenden Bürokraten eingeführt wird. In seiner Freizeit gibt Strache Kindern ohne Migrationshintergrund Nachhilfe in Geografie, Schwerpunkt Südosteuropa.

Matthias Strolz: Der Neos-Chef ist noch unentschlossen. Es wird aber auf alle Fälle eine Tätigkeit sein, für die man so richtig Cojones braucht.

Peter Pilz: Der Namensgeber der Liste Pilz ist bereits auf der Suche. Angebote gibt es zuhauf, doch eine Einigung ist bisher stets an einer Vorbedingung von Pilz gescheitert. Er möchte sich eine Mindestanzahl von Assistentinnen und Hostessen vertraglich zusichern lassen.

Feder

 

3. März 2018: Das Wochenende ist gelaufen

Nachdem mich heftige Rückenschmerzen aus einem unruhigen Schlaf auf dem schlechtesten Hotelbett seit Erfindung der Matratze geweckt haben, bin ich überzeugt, der Tag kann nur noch besser werden. Doch weit gefehlt.

Weil die Hocker in der Hotelbar allem Anschein nach ein enges Verwandtschaftsverhältnis mit dem Bett haben, beschließe ich, das Frühstück auf der Heimfahrt einzunehmen. Kaum habe ich den Zündschlüssel gedreht und meine Hände auf das eiskalte Lenkrad gelegt, sudert mich Max Giesinger aus dem Radio an, der „sie“ (vermutlich seine Ex) noch immer nicht vom Tanzen abhalten kann. Meine Hände frieren augenblicklich fest, als der Moderator nach dem Song auch noch verkündet: „Wir holen Max Giesinger für dich nach Österreich! Komm zum Winterabschluss-Open Air …“ Der Ort geht in meinem zum Glück erfolgreichen Versuch unter, der roten Nissan Micra Mouse auf der Querstraße vor dem Hotel nicht die Vorfahrt zu nehmen – irgendein Tiroler Dorf mit Ober- am Anfang und -schgl am Schluss. Mein Tritt aufs Gaspedal fällt ein bisserl heftig aus, als müsste ich mich unverzüglich so weit wie möglich von dort entfernen.

Im Lokal meines Vertrauens trifft mich in Form der Schlagzeile des Standard der nächste Stein am Schädel. Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig beteuert, ihr Wechsel von der linken Gutmenschenpartei zum bösen Glücksspielkonzern Novomatic sei „nicht des Gehalts wegen“ erfolgt. Also ging es doch darum, den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen so richtig eine reinzuwürgen, passenderweise zwei Tage vor einer Landtagswahl. Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass heiße Luft nicht nur um saubere Windräder strömt, sondern auch aus dem Mund  jener Frau, deren Überzeugungen biegsamer sind als ein in sich verknoteter Yogi.

Dass auch die famosen und heftig ersehnten Schoko-Croissants ausgerechnet am Samstag nicht feilgeboten werden, entlockt mir nur noch einen bitteren Seufzer. Mehr Beweise brauche ich nicht – das Wochenende ist gelaufen. Ich schlürfe einen Kaffee, schlurfe in die Kälte hinaus und fahre nach Hause.

Hoffentlich ist mein eigenes Bett noch da.

Feder

Satiren des Tages - Februar 2018

 

28. Februar 2018: Rüge vom Seifenspender

Gestern brachte das abendliche Journal Panorama einen Beitrag über das Internet der Dinge, das schon bald in unser aller Alltäglichkeit Einzug halten soll. Kühlschränke kaufen ein, wenn die Milch sauer wird, Staubsauger werfen ärgerlich laut ihre Bürsten an, wenn der Göttergatte wieder einmal vergessen hat, seine Schuhe vor dem Haus abzuputzen, und so weiter.

Eine Besonderheit auf diesem Gebiet hat das neu errichtete Allianz-Stadion zu bieten, Heimstätte der grünweißen Ersatzreligion namens Rapid Wien. Dort funken die Seifenspender in den Toiletten ein Signal an den Facility Manager (auf gut österreichisch: Hausmeister), wenn sie nachgefüllt werden wollen. Der macht sich dann ganz analog auf zwei Beinen auf den Weg und waltet seines Amtes.

Und auch die nächste Generation dieser schlauen Geräte ist schon in Planung. Dabei wird die aktive Mitarbeit der Fans ganz entscheidende Bedeutung zukommen. Betritt ein grünweißer Schal samt Träger ein Klo, messen Sensoren automatisch Herzschlag und Schweißabsonderung. Bleibt beides unter einen gewissen Niveau, gibt’s weder Wasser noch Seife – wer den Verein seines Herzens nicht gescheit anfeuert, braucht sich auch nicht waschen. Gleiches gilt für die Abgabe von Käsekrainern und Ottakringer.

Die anderen österreichischen Fußballklubs beobachten diese Entwicklung höchst interessiert und planen, sie für ihre Zwecke zu nutzen. Bei Sturm Graz wird an einem Superkürbiskernöl geforscht, das bei mangelnder Spielintelligenz (verhaute Doppelpässe, laxes Zweikampfverhalten etc.) den Spielern durch Direktinjektion aus den Stoppeln einen Energieschub verleiht.

Bei der Wiener Austria setzt man auf Schwarmintelligenz. Dort erhalten nur Fans Zugang zum WC, die vorher in eine Spendenbox einen Zettel mit mindestens zwei Namen für den nächsten Trainerwechsel einwerfen. Für die Nennung von Spielern, die auf dem Transfermarkt verfügbar und auch leistbar sind, spuckt der Spender automatisch ein zweites Papierhandtuch mit zartem Veilchenduft aus und spielt die Austria-Hymne.

Die radikalsten Änderungen sind bei Red Bull Salzburg zu erwarten. Da dank Dosen-Doping das Geld längst abgeschafft ist, plant Gründer und Eigentümer Dietrich Mateschitz, Fußballschuhe mit künstlicher Intelligenz entwickeln und diese dann auch spielen zu lassen. Spieler werden dann nicht mehr nötig sein. Für die Cristiano-Ronaldo-Pose vor einem Freistoß müssen die Zuschauer halt ein bisschen Fantasie entwickeln.

Mit diesem Masterplan hofft er, Salzburg irgendwann doch in die Champions League zu führen. Eine saubere Lösung, sogar ohne intelligenten Seifenspender.

Feder

 

27. Februar 2018: Gescheiter werden, bitte!

An manchen Tagen sollte man besser gar nicht aufstehen. Draußen hat es gefühlte 50 Grad unter Null, der Wind pfeift ums Haus. Folgerichtig bestehen die ersten Gedanken aus stichhaltigen Argumenten dafür, nicht einmal die linke kleine Zehe aus dem sicheren, warmen Platz unter der Decke zu verstoßen.

Dann springt automatisch das Radio an – ein Fehler, denn Ministerin Elisabeth Köstinger ist zum Interview ins Morgenjournal auf Ö1 geladen. Mangels Alternativen (für ein anderes Programm müsste ich aufstehen, wozu ich definitiv noch nicht bereit bin) höre ich halt zu und staune mit jedem Satz der Ministerin mehr darüber, wie perfekt sie eine Disziplin beherrscht, die leider nicht olympisch ist: Im Sich-Winden, um eine klare Antwort Herumreden hat Köstinger es zur wahren Meisterin gebracht. Das war schon durch die leidige Diskussion vor einigen Monaten bekannt, als sie nicht explizit sagen wollte, ob sie nun Ministerin oder doch Nationalratspräsidentin werden möchte. Aber diese Frage hatte die Wertigkeit eines akademischen Streits um der Kaiserin Bart.

Beim Rauchverbot in der Gastronomie verhält es sich völlig anders. Sämtliche Ärzte fordern, den bereits gefassten Beschluss umzusetzen, rund 400.000 Bürgerinnen und Bürger haben dafür unterschrieben. Und was sagt die gute Frau? Sie fühle sich an einen Koalitionspakt gebunden, der jeder Logik und jedem gesunden Menschenverstand widerspricht. Zur Erinnerung: Das war eine Gefälligkeitszusage des jungen Kanzlers an HC Strache, die nicht nur den Volkswillen, sondern auch das Amt Köstingers (immerhin firmiert sie als Nachhaltigkeitsministerin!) ad absurdum führt. Oder will sie den Beweis antreten, dass auch politische Dummheit nachhaltig sein kann?

Wer ohne Not eine Kleinigkeit zur Staatsaffäre aufbläst, die sich bei ein bisschen Willen mir nichts, dir nichts erledigen lässt (Fehler eingestehen, Antrag zurücknehmen, fertig), trägt den eigenen Anspruch Neu Regieren auf den Lippen, aber nicht im Herzen. Und schon gar nicht im Kopf, wo es am Wichtigsten wäre. Dem konsternierten Bürgerlein bleibt die Erkenntnis, dass er auch mit dieser Regierung offensichtlich eine Niete gezogen hat.

Ich seufze und will mir die Decke mindestens bis zum Ende dieser Legislaturperiode über den Kopf ziehen. Mit einem noch tieferen Seufzer stehe ich dann doch auf, um nicht auch noch Köstingers Ausführungen zur Umsatzsteueränderung in der Hotellerie ertragen zu müssen.

Jedoch gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer. Innenminister Herbert Kickl ließ mit einer Aussage aufhorchen, die ihm nur wenige zugetraut hatten: „Ich glaube, dass es nix Verbotenes ist, gescheiter zu werden.“

Also, jetzt alle zusammen, mit Inbrunst und im Chor: „DANN MACHT DOCH, BITTE!“

Feder

 

23. Februar 2018: Gottes bitteres Lachen

Wenn man über Dinge nicht weinen kann, soll man über sie lachen, heißt es im Volksmund. Irgendwann jedoch kommt der Moment, wo dieses Lachen im Hals stecken bleibt. Alle Wege, etwas mit dem Herzen zu erspüren, sind versperrt, und nicht einmal die Tränen bringen Erlösung. Sie schmecken nur noch bitter.

Es ist schwierig genug, die menschlichen Grausamkeiten zu ertragen, die jeden Tag auf der Welt geschehen. Tiefer noch trifft mich die augenscheinliche Unfähigkeit zur Läuterung, wie sie nach dem Amoklauf eines 19jährigen an einer Schule in Florida im Regionalparlament offenbar wurde.

Da beginnen Abgeordnete die Sitzung mit einem Gebet für die 17 Opfer, um danach mit 71 zu 36 Stimmen eine Verschärfung des Waffenrechts abzulehnen! Diese Ambivalenz (Falschheit ist der korrektere Ausdruck) ist mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen.

Wer Gottes Wort im Mund führt, jedoch dagegen handelt, für den hat der Herr wohl nur bitteres Lachen übrig.

Feder

 

22. Februar 2018: Aus der Grauzone, Teil 2

Vor etwa einem Monat wurde an dieser Stelle über eine Kolumne von Gerti Senger in der Sonntags-Krone berichtet, die der Chronist nicht so recht einzuordnen wusste. Es ging um Grauzonensex; das klang recht mystisch und geheimnisvoll, etwa wie 50 Shades of Grey auf österreichisch, blieb aber, was die wirkliche Bedeutung anging, im dichten Nebel der Unklarheiten verborgen. Vielleicht von der Redaktion gewollt? Falls nicht, war es mir als Textunterlage fürs Sonntagsfrühstück eindeutig zu hoch.

Gestern Abend hatte ich endlich die Gelegenheit, den aktuellen James-Bond-Film Spectre anzuschauen. Ich mag Daniel Craig, und Christoph Waltz als Böser wie auch die österreichischen Drehorte verhießen einiges. Fazit nach einer halben Stunde: na ja … Die Action war gediegen, aber Figuren und auch Handlung blieben irgendwie ungreifbar.

Später sitzt James mit einer ätherischen Blondine, der ständig die Angst in den Rehäuglein steht, beim eleganten Abendessen im Speisewagon einer Art Orient Express für Arme, er im weißen Smoking, sie im Traum aus Silber. Die zwei wollen gerade ihre Vodka-Martini-Gläser klingen lassen, als der ihnen von der obergeheimsten Geheimorganisation nachgeschickte Mann fürs Grobe so mir nichts dir nichts hereinplatzt, die traute Zweisamkeit unterbricht und mit Bond eine Keilerei anfängt, die sich gewaschen hat. Sie zerlegen das fahrende Restaurant zu Kleinholz, watschen sich durch Küche (seltsamerweise frei von Personal) und Lagerraum, bis es 007 und der Ätherischen endlich gelingt, den finsteren Gesellen mittels an einem Bierfass befestigten Stricks um den Hals aus dem Zug zu befördern. Schnitt.

In der nächsten Szene beobachtet das erstaunte Auge eine Keilerei der anderen Art. James und die Blondine schaffen es nicht einmal mehr bis in ihr Abteil. Sie rütteln heftiger aneinander als die Schienen an den Rädern des Zuges. Jeder normale Mensch würde nach den eingesteckten Hieben einen Monat im Streckverband liegen und danach mindestens ein halbes Jahr auf Kur gehen. Nicht so Bond, aber der werkt ja auch deshalb im Geheimdienst Ihrer Majestät. Kaum ist eine Sache erledigt, fokusiert er sich sogleich auf die nächste.

Plötzlich öffnet sich in mir eine Erkenntnis, schneller als ein Spezialfallschirm von Q: Genau das ist Grauzonensex! Entweder man liegt für alle Zeiten darnieder, oder das Adrenalin und die Hormone reißen einen derart heftig in die Höhe, dass man gleich von selbst wieder aufrecht steht, bestes Stück inklusive. Keine Frage, wofür sich Bond entscheidet; sein Pluspunkt ist allerdings, dass er immer irgendwas (oder besser: irgendwen) zur Hand hat, was die Entscheidung enorm erleichtert.

Wenn ich mich also das nächste Mal wie erschlagen fühle, versuche ich diese Methode zur Rettung aus der Grauzone. Sie könnte zwar in Ermangelung des erwähnten Pluspunkts scheitern, aber darum kümmere ich mich nach der Keilerei.

Nachbemerkung: Heute berichtet die Kronenzeitung auf Seite 17, den Österreichern sei ihr Smartphone bereits wichtiger als Sex. Jetzt ist klar, warum James Bond nie ein Handy dabei hat.

Feder

 

21. Februar 2018: Stürmische Zeiten

Leicht hat es Donald Trump, seines Zeichens seit 13 Monaten amtseingeführter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, derzeit nicht wirklich. Entweder wird über ihn geschimpft (Steuerreform, Waffengesetze) oder gelacht (Frisur, Selbstverständnis). Und wäre das nicht genug, wird auch noch gegen ihn ermittelt: Irgendein garstiger Sonderermittler behauptet, er hätte den Wahlkampf um das mächtigste Amt der Welt mit unlauteren Mitteln (manche sagen auch: mit russischer Hilfe) zu seinen Gunsten beeinflusst oder zumindest davon gewusst. Kein Wunder, dass sich Donald bei so viel Bösartigkeit gegen ihn schon am frühen Abend in sein Schlafzimmer verzieht, ein paar Cheeseburger futtert und Serien auf seinem Riesen-Flatscreen schaut.

Gerade als Trump glaubte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, wurde seine persönliche Wetterlage erst so richtig stürmisch. Eine Schauspielerin aus der Sparte Erwachsenenunterhaltung mit dem Künstlernamen Stormy Daniels, der den Ansprüchen dieser Bezeichnung durchaus gerecht wird (für die Wahrheitsfindung ist dem Kernölbotschafter keine Recherche zu … äh … mühsam), hatte kurzerhand beschlossen, den Begriff Schweigegeld nicht allzu wörtlich zu nehmen. Also plauderte sie aus dem Nähkästchen über eine kleine Affäre vor zehn Jahren mit dem damaligen Immobilienhai und heutigen Präsidenten. An die Auflage, für satte 130.000,-- Dollar nicht zu plaudern, fühle die Stürmische sich nicht mehr gebunden, weil es eh schon jeder wisse. Es dauerte auch nicht lange, bis ein weiteres Techtelmechtel aus jener Zeit publik wurde, diesmal mit einem Playboy-Model, als Trump zufällig in der Villa von Hugh Hefner vorbeigeschaut hatte und offenbar dem reichhaltigen Häschen-Angebot nicht widerstehen konnte.

Auch wenn Trumps Anwalt mit besten Absichten gehandelt hatte – auch er scheiterte mit dem Versuch, die Ereignisse unter den Teppich zu kehren. Das funktioniert nämlich nur, so lange der Teppich interessanter ist als seine Unterlage. Es ist anzunehmen, dass Stormy durch ihr offenherziges Geständnis ihren Marktwert steigern wird, wohl über die kassierte Summe hinaus.

Geschwiegen hätte auch besser Frau Dagmar Belakovitsch von der FPÖ. Da trommeln die Blauen seit Jahrzehnten für mehr direkte Demokratie, doch wenn ein Volksbegehren gegen ihre eigenen Ideen geht, ist es plötzlich  „politisch motiviert“ und daher abzulehnen, wie die Dame trotzig behauptet hat. Eine Gesundheitssprecherin, die gegen mehr Raucherschutz wettert – das allein verursacht einen Logikknoten im Gehirn. Alles nur, weil Parteichef Strache trotz seiner neuerdings zur Schau gestellten Staatsmännlichkeit nicht auf die Zigarette zum Espresso im Stammbeisl verzichten will. Und weil Kanzler Kurz geglaubt hat, ihm diesem kleinen Gefallen erweisen zu müssen. Aber wer Wind sät (siehe oben), wird Sturm ernten. Im Falle von Don’t Smoke hat der Sturm sogar kurzzeitig die Server im Innenministerium lahmgelegt, was die Schlangen auf den Gemeindeämtern verlängert und den Volkszorn noch weiter angefacht hat.

Stürmisch geht es auch über den Wolken zu. In einem holländischen Flugzeug hat ein Mann so heftig und anhaltend gepubst (eine geradezu nestroysche Wortwahl auf orf.at), dass er mit anderen Passagieren in Streit geriet und die Maschine deshalb in Wien zwischenlanden musste. Auch eine Möglichkeit, von luftiger Höhe auf dem harten Boden der Tatsachen zu landen.

Dies könnte auch den beiden anderen Protagonisten dieser kleinen Episode drohen – durchaus im Sinne der kritisch-aufmerksamen Allgemeinheit.

Feder

 

13. Februar 2018: Mein Goldberger-Effekt

Während ich bei der Kosmetikerin meines Vertrauens auf die Behandlung warte, knallt mir eine Titelschlagzeile auf dem Cover des Society-Magazins Steirerin entgegen: 50 ist das neue 30! Attraktiv, selbstbewusst, topfit: So cool geht 50+

Nicht mehr lange, und ich bin genau in der Zielgruppe, ist mein erster, nicht unbedingt schmeichelhafter Gedanke. Bei den Attributen kehrt jedoch rasch meine Zufriedenheit zurück, gewürzt mit einem Haucherl Stolz. Zwei von drei treffen absolut zu; ich überlasse die Wahl an dieser Stelle selbstverständlich meiner Leserschaft, im vollsten Vertrauen, sie werde je ein Kreuzerl beim richtigen Wort setzen.

Meine Überzeugung rührt auch von einem Kompliment her, das mir Freundin Christine vor kurzem bei einem Treffen angedeihen ließ. „Bei dir schlägt voll der Goldberger-Effekt durch“, meinte sie mit hörbarer Anerkennung in der Stimme.

„Und das ist?“, fragte ich ein wenig ratlos, weil mir ad hoc nichts einfiel, was ich mit dem ehemaligen Schispringer und Lieblingsschwiegersohn Österreichs gemein haben konnte.

„Na, jedes Mal, wenn ich dich sehe, schaust du jünger aus!“, rief Christine lachend. „Keiner kommt bei dir auf die Idee, du wärst Mitte 40.“

„Danke ergebenst“, erwiderte ich verschämt und spürte meine Ohren heiß werden. „Auch dafür, dass du das erste Grau an meinen Schläfen so geflissentlich übersiehst.“

„Komplimente sind dazu da, um angenommen zu werden“, wies sie mich mit leichtem Tadel zurecht und blinzelte bedeutsam. „Das gilt auch für Männer.“

Ja, richtig. Was außerdem für Männer gilt: Widersprich niemals einer Frau, schon gar nicht einer hübschen, die ehrlich meint, was sie sagt. Also prostete ich Christine zu und sagte: „Auf alle Komplimente!“, was sie mit dem typischen Blitzen in ihren Augen erwiderte.

Ich brauche also die Steirerin gar nicht, um offiziell bestätigt zu bekommen, dass ich auch noch mit 50- ein toller Hecht bin. (An topfit arbeite ich noch.) Wer jedoch glaubt, ich ginge zur Kosmetikerin, um meinem Goldberger-Effekt mittels schnöder Mittelchen und anderer Methoden der verschönernden Industrie nachzuhelfen, den muss ich leider enttäuschen. Priska und ihre Kolleginnen legen nur Hand an meine Zehennägel, die leider hin und wieder der unguten Art des schmerzhaften Einwachsens fröhnen. Das berührt meine Coolness nur insofern, als dass die Damen manchmal das Wasser für das Fußbad zu heiß einlassen.

Meine Attraktivität leidet nicht darunter. Nicht im Geringsten.

Feder

 

12. Februar 2018: 50% Rabatt auf Blödheit

Mit der durchaus praktischen Erfindung von E-Mails, die alsbald die schriftliche Post weltweit überflügelten, wurde huckepack eine weniger praktische Unterkategorie geliefert: die Spam-Mails. Zu Werbezwecken erfunden, verstopfen sie durch ihre schiere Menge sämtliche Posteingänge und erzeugen so ärgerlichen, weil unnötigen Mehraufwand für jeden Benutzer.

Hin und wieder sorgen Spams aber auch für Erheiterung. Manche Versender haben neben ihrer kriminellen eine ungewollt komische Ader und setzen sie unbewusst dafür ein, alles mögliche Zeug zu verkaufen, von riesigen Werkzeugkoffern um 50 Euro bis zu winzigen Pillen, die mannhafte Größe zum halben Preis vom Original versprechen. Sohin werde ich im Handumdrehen zum Heimwerkerkönig, und in der Nacht liegt das abgebildete, selbstredend superscharfe Model angesichts meiner befriedigenden Fähigkeiten erwartungsvoll in meinem selbstgehobelten Bett.

Aus dieser verlockenden Träumerei wecken mich zuverlässig die Finanzdienstleister unter den Spamern. Todsichere Investitionen an allen Ecken und Enden: Nigerianische Witwen, die das immense Vermögen ihres kürzlich verblichenen Gatten mit Hilfe meines Bankkontos außer Landes schaffen wollen und dafür Prozente weit jenseits der ortsüblichen Bankzinsen versprechen; sagenhafte Lottogewinne, für die ich nie ein Los gekauft habe; nicht zuletzt Kryptowährungen, die den persönlichen Geldspeicher schneller füllen, als es Dagobert Duck es jemals schaffen würde.

Aus der Gedankenwerkstatt Entenhausens stammt wohl auch  eine Mail, die vor wenigen Tagen eintrudelte. Der Text ließ mich erst stutzig werden und verursachte wenig später einen kaum zu entwirrenden Knoten in meinen mathematischen Ganglien.

Hallo! Einmalige Möglichkeit! NUR FÜR 24 STUNDEN! 50% Rabatt auf Bitcoin! Verdoppeln Sie Ihr Geld SOFORT!

Ich gebe zu, das System von Finanzwerten, die quasi aus sich selbst generiert werden, nie richtig verstanden zu haben. Aber der Verkauf eines Produkts zum halben Preis, das keine handfeste Ware ist, sondern nur eine von stark schwankenden Kursen beeinflusste Zahl? Das riecht doch zu sehr nach Beschiss. Da könnte ich auch gleich in mein Stammcafé gehen und zu meiner Lieblingskellnerin sagen: „Hallo Lisa, ich brauche dringend Kleingeld. Hier ist ein Zehner. Gib mir bitte zwei Zwanziger heraus.“ Schlagfertig, wie sie ist, würde sie antworten: „Täte ich gerne, Hannes, aber mir sind gerade die Münzen ausgegangen.“

Oder ist alles ganz anders? Könnte es sein, dass der künftige Verlust in diesem Angebot schon eingepreist ist? In Anbetracht des derzeit rasanten Wertverlusts der Kryptowährungen eine realistische Möglichkeit. Mir schwant, da will mich jemand abzocken. Jedenfalls lasse ich die Finger davon, sofortige Verdopplung meines Einsatzes hin oder her.

Wo war doch gleich die Mail mit den winzigen Pillen? Vielleicht bringt mir das superscharfe Model dieses Husch-pfusch-Viagra persönlich zum Testen vorbei, wenn ich genug davon bestelle. Man wird ja noch träumen dürfen.

Feder

 

2. Februar 2018: Die kürzeste Satire des Jahres

Jetzt haben wir gerade einmal ein Zwölftel von 2018 hinter uns gebracht, doch eine Meldung, die gestern aus Bildschirmen und Zeitungen gesprungen ist, hat tatsächlich schon jetzt das Zeug, zur kürzesten Satire des Jahres gewählt zu werden: Der US-amerikanische Präsident Donald Trump wurde für den Friedensnobelpreis nominiert.

Nach dem ersten Schock ist es nicht einfach, klaren Kopf zu bewahren. Der Chronist versucht es dennoch und listet die plausibelsten Gründe dafür auf, warum diese Nominierung Sinn macht, nach dem in Amerika so beliebten Hitparadenschema. Hier sind sie also, meine Top Five:

Platz 5: Donald Trump schafft Steuergerechtigkeit. Erst einmal nur für sich, aber das ist ein guter Anfang. Steuererklärung gibt er schon lange keine mehr ab. Wozu auch? Wenn irgendwann die Unternehmenssteuern auf Null gesenkt sind, kräht kein Hahn mehr danach, wie oft er mit seinen Firmen Pleite gemacht hat.

Platz 4: Donald Trump wirkt völkerverbindend. Die tiefen Gräben zwischen Weißen und Schwarzen in seinem Land sind schon lange ein Dorn im Auge des Präsidenten. Also lässt er weiße Polizisten so lange auf Schwarze schießen, bis das Problem nach der Mengenlehre gelöst ist und kein Politiker aus Dreckslochstaaten länger einen Grund hat, ihn als Rassisten zu beschimpfen.

Platz 3: Donald Trump liebt die Frauen. Er ist der mächtigste Mann der Welt, hat ein Topmodel an seiner Seite und noch dazu den allergrößten … Atomknopf. Kein Wunder also, dass sich die gesamte Damenwelt von einem so tollen Hecht liebend gerne betatschen lässt. Bei Trump ist das übrigens keine Belästigung, sondern der Beweis dafür, dass er Frauen noch mehr liebt als sie ihn.

Platz 2: Donald Trump rettet den Weltfrieden. Wer über ihn lästert, versteht ihn nicht. Sein Gezwitscher gegen Araber, Afrikaner, Europäer, Demokraten, Umweltschützer, Menschenrechtler und Nordkorea hat nur den Sinn, von den echten Gefahren der Welt abzulenken. Wer nicht daran denkt, fürchtet sich nicht. Und was Kim Jong Un angeht: Der hat ohnehin den Kleineren.

Platz 1: Donald Trump wird die beste Nobelpreisrede aller Zeiten halten. „Ladies and Gentlemen! Norwegen hat, im Gegensatz zu Europa, erkannt, dass ich der größte, tollste, stärkste Präsident of all time bin. Deshalb schlage ich vor, jede Menge Flüchtlinge von dort aufzunehmen. Unter einer Bedingung: Wenn ihr nächstes Jahr den Preis an Crazy Kim, den verrückten Koreaner, vergebt, müsst ihr mir versprechen, dass er kleiner ist als meiner. God save the Queen, God bless America!“

Dann bin ich aufgewacht und hoffte kurz, alles möge nur ein böser Traum gewesen sein. Doch weit gefehlt. Donald Trump wurde für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, bereits zum dritten Mal hintereinander. Nicht die kürzeste Satire des Jahres, sondern traurige Realität.

 Feder

Satiren des Tages - Jänner 2018

 

25. Jänner 2018: Nur die Burger sind gleich geblieben

Ein wohlbekanntes Bild bei der amerikanischen Fleischlaberlversorgungsstation des Vertrauens am Wochenende: Der Familienvater schleppt ein mit Juniormenüs schwer beladenes Tablett zu einem freien Platz, während ein, zwei oder mehr gerade noch nicht oder seit kurzem schon schulpflichtige Nachwüchsige aufgeregt neben ihm herhüpfen, aufgeregt plappernd, was sie sich für den zweiten Gang wünschen.

Diese Szene beobachtete ich auch vor wenigen Tagen höchstselbst, doch nahm sie, zumindest in meinem persönlichen Kopfkino, eine völlig überraschende Wendung. Als ich mich nämlich mit meinem Standardmenü Spicy Filet Wrap & Stilles Mineralwasser zwecks Verzehr desselben niederließ, fiel mein Blick auf die Rückenansicht eines solchen Familienvaters, dessen beide Töchter bereits selig kauend beschäftigt waren. Genauer gesagt, auf sein T-Shirt.

I AM DEATH! I AM ETERNAL DARKNESS!

In krakeligem Silber auf schwarzem Grund. Darüber fand sich ein runenähnliches Zeichen, wie es Rumms- und Schepper-Bands jeglicher Provenienz gerne auf ihre Tonträger malen, um das Böse ihres Auftritts noch einmal um ein paar Grad ins Dunkelböse zu steigern.

Diese Botschaft, die gar nicht der glücklichen Eintracht jener kleinen Familie entsprechen wollte, brachte mein Fantasiekarussell ordentlich in Fahrt. Gut möglich, dass der Mann früher Sommers auf diversen Heavy Metal-Festivals zwischen Nordkap und Süditalien heimisch war wie der landläufige Schlagerfan heute bei Helene Fischer oder Andi Gabalier. Von manchen brachte er eine textile Erinnerung mit nach Hause.

Doch irgendwann waren die wilden Zeiten vorbei. Headbanging wurde von Kuscheltanz abgelöst, Heavy Metal von Babygeschrei, Bier im Plastikbecher von Mineralwasser. Nur die Burger sind gleich geblieben. Und heute, als kein sauberes Oberhemd zur Hand war, fiel es ihm wieder in die Hände, das T-Shirt einer anderen Ära. Die Erinnerung sorgte für einen warmen Nachhall.

Und so schließt sich ein Kreis. Ich bezweifle aber, dass der Mann vor vielen Jahren seinen Imbiss nach einer durchrockten und durchzechten Nacht mit ähnlichem Glück verzehrt hat wie jetzt, wenn er auf seine beiden Engel schaut. Mir scheint, er ist dankbar dafür.

Feder

 

23. Jänner 2018: Wenn Männer Kaffee machen

Es ist nicht mehr als ein weit verbreitetes Gerücht ohne jeden Wahrheitsgehalt, dass Männer keine guten Gastgeber seien. Die Einladung gestern bei meinem Freund Martin zum Kaffee bewies wieder einmal eindrucksvoll: Alles nur eine Frage der geraden Kommunikation unter Männern.

Martin: „Magst du deinen Kaffee mit Milch und Zucker?“

Ich: „Nur Milch bitte.“

Martin: „Milch muss ich erst organisieren.“

Ich: „Dann trinke ich meinen Kaffee schwarz.“

Ganz anders Frauen: „Magst du einen Kaffee?“ – „Schon, aber extra für mich brauchst du keinen machen.“ Alles klar? Zum Glück wurde Nespresso erfunden. Eine Kapsel einwerfen, eine Taste drücken, fertig. Und mit ein bisschen Glück taucht George Clooney im Shop auf. What else?

Feder

 

21. Jänner 2018: Aus der Grauzone

Seit ewigen Zeiten schon hat in der kunterbunten Sonntagsbeilage der Kronenzeitung, die ihren Namen sohin mit allem Recht trägt, das Evangelium dieses Tages seinen Fixplatz. Und ebenso lange (zumindest gefühlt) interpretiert gleich daneben der katholische Oberhirte des Landes, Kardinal Christoph Schönborn, die Bibelstelle in gelehrter Art und Weise.

Wer aber heute nach erfolgtem Textstudium noch immer auf Erleuchtungssuche ist, dem wird diese nur wenige Seiten weiter zuteil. Das wahre Wort zum Sonntag findet sich diesmal in der Lust&Liebe-Kolumne von Frau Professor Doktor Gerti Senger. Es lautet – darauf würden Sie nie im Leben kommen – Grauzonensex.

Worum es dabei geht, mögen Interessierte selbst nachlesen; ich bin sicher, dass in der näheren Umgebung noch einige Zeitungsständer gut gefüllt sind und man sich nach einem kurzen Rundumblick ein Exemplar angeln kann. Den Euro, der gerade nicht in der Jackentasche vorrätig ist, kann man ja beim nächsten Mal guten Gewissens drauflegen.

Zweifellos sorgt jedoch schon allein das Wort für ausreichend Kopfkino und damit Stoff für spannende mediale Gefechte. Da ich an dieser Stelle nicht vorhabe, mich um Kopf und Kragen zu schreiben, behalte ich meine eigenen Interpretationen für mich. So verschieden Männlein und Weiblein nun einmal sind – manche Kommentare vermitteln derzeit den Eindruck, als hätte es diese Unterschiede bisher gar nicht gegeben –, wird die Bandbreite der Reaktionen von A wie Aufschrei bis Z wie Zustimmung reichen.

Jedenfalls ist zu hoffen, dass Frau Senger aus der Grauzone ein bisschen Farbe in die Diskussion bringt, wie es sich für ihr Medium gehört. In der Zwischenzeit warte ich auf den nächsten dichten Bodennebel und schaue, was passiert.

Feder

 

19. Jänner 2018: Prozentrechnen mit dem KAV

Wer ein gutes Beispiel dafür braucht, warum Österreich Milliarden für sein Gesundheitswesen ausgibt, aber die Gangbetten in den Spitälern trotzdem mehr statt weniger werden, findet dieses im Wirtschaftsteil der gestrigen Ausgabe der „Presse“. Der KAV (Wiener Krankenanstaltenverbund) hat 2006 eine Maschine zur automatischen Medikamentendosierung bestellt. Fetter Preis: eine Million Euro. Damit sollte alles schneller und somit billiger verteilt werden, hieß es damals – die Kosten wären also schwuppdiwupp wieder eingespielt.

Erstens kam es anders, zweitens teurer, als die Damen und Herren dachten. Das System funktionierte nämlich nie. Nochmals zum Mitschreiben: nicht zur Hälfte, nicht zu drei Viertel, nein, gar nie. Deshalb wurde das Projekt 2014 wieder eingestellt. Die Dauer dieser Farce rechnen Sie bitte selbst aus, mein Frustpotential ist längst aufgebraucht.

Doch es kommt noch schlechter. Im Zeitungsbericht stand weiters zu lesen, dass die Maschine, die (sagte ich das schon?) nie funktioniert hat, zuletzt an den Hersteller zurückverkauft wurde. Schlanker Preis: zehntausend Euro. Das bedeutet, der KAV hat dem Staat und damit jeder Steuerzahlerin und jedem Steuerzahler einen Verlust von knackigen 99 Prozent beschert. Mit allen Nebengeräuschen wie Wartung, Serviceverträgen und sinnlosen Reparaturen betrugen die Gesamtkosten laut Stadtrechnungshof sogar satte 1,63 Mille. Auf den Kaufpreis für einen Schrotthaufen wurden also noch einmal mit lockerer Hand knappe zwei Drittel draufgelegt.

Meine Tastatur ist schon so heiß vor Wut, dass ich mir gleich die Finger verbrennen werde. Also noch drei kurze Fragen an den KAV: 1. Wer schließt Verträge, die Zahlungen nicht mit der Funktionsfähigkeit des Kaufgegenstandes verknüpfen? 2. Wer prüft solche Verträge und gibt sie frei? Und 3., am Allerwichtigsten: Wer steht dafür gerade? Da die Geschichte nicht in Schilda, sondern ganz real in unserem schönen Lande spielt, dürften die Antworten bekannt sein – sie lauten für alle drei Fragen gleich: die anderen!

Bekannterweise handelt es sich nicht um einen bedauerlichen Einzelfall – das Chaos rund um den Neubau des Krankenhauses Wien Nord sei Interessierten zur Recherche empfohlen. Also muss sich sohin der gelernte Homo Austriacus nicht über Gangbetten wundern, sondern eher über die Tatsache, dass unser Gesundheitswesen überhaupt noch funktioniert. Aus dieser Perspektive steht jedes einzelne Gangbett halt noch immer auf einer Insel der Seligen namens Stadt Wien, die ihren Langzeitbürgermeister demnächst mit allen Ehren in die wohlverdiente Politikerpension entlassen wird.

Tu felix Austria!

Feder

12. Jänner 2018: Gottes Geschenk per Mail

Ein guter Tag beginnt mit einer guten Nachricht. Wenn diese Nachricht außerdem direkt ins persönliche Glückszentrum fährt, kann im Grunde überhaupt nichts mehr schiefgehen, oder?

Grüße, lieber Freund, Wie geht es dir und wie geht es deiner Familie? Mein Name ist Mavis Wanczyk aus den USA, am 24. August 2017, ich gewann $ 758.7 Millionen Powerball Jackpot Lotto. Mein Sieg war Gottes Geschenk an mich. Meine Wohltätigkeitsstiftung hat Sie als unseren glücklichen Begünstigten ausgewählt, die Summe von € 4.000.000,00 zu erhalten. Bitte kontaktieren Sie mich für alle Details …

Ist das nicht der Wahnsinn? Durch die Wohltätigkeit einer wildfremden Amerikanerin, die nichts anderes im Sinn hat als ihr ganz persönliches Glück mit mir zu teilen, ist die Erfüllung meiner (durchaus vorhandenen) materiellen Wünsche nur eine Mail entfernt.

Was mich einzig davon abhält, unverzüglich zu diesem Goldmariechen nach Trump-Land aufzubrechen und mich wie bei Moneymaker unter ihre Gelddusche zu stellen, ist die seltsame Tatsache, dass sie nicht die Erste ist, von der ich so verheißungsvolle elektronische Post erhalte. Würde ich alle Summen zusammenrechnen, die ich auf diesem Weg geschenkt, verdient, zugelost bekommen hätte, wäre ich heute schon zigfacher Mulitrillionär. Bis dahin aber hätten mich jene Summen, die ich vorab als „Bearbeitungsgebühr“ entrichten sollte, finanziell ruiniert.

Sohin wird es mit dem Geldsegen wohl noch ein Weilchen dauern. Als Liebhaber kleiner Geschenke würde ich mich schon über die Verbannung solcher Mails aus meinem Posteingang sehr freuen.

Eine Frage beschäftigt mich aber trotzdem: Wer hat dieser Singdrossel (Mavis, altenglisch) eigentlich gezwitschert, wann ich Geburtstag habe? Vielleicht schreibe ich ihr doch zurück.

Feder

 

10. Jänner 2018: Skandal um Heinzi

Wurde Heinz Christian Strache von Aliens entführt und durch eine Grinsekatze als Doppelgänger ersetzt? Dieser Schluss liegt nahe, wenn man jene Verwandlung betrachtet, die der FPÖ-Chef durchmacht, seit er Vizekanzler auf seinem Büroschild stehen hat.

Am Anfang war die Brille. Strache muss sich bei einem Blick in den Spiegel gedacht haben: „Das einzig Schneidige an mir ist nur noch mein Vornamenskürzel. Die Zeit als junger Oppositionshaudrauf ist wohl endgültig vorbei.“ Also beschloss er, ab sofort auf Staatsmann zu machen. Die Brille ließ ihn nicht nur älter, sondern auch seriöser wirken, was ihm schon bei den Koalitionsverhandlungen zugute kam. Dort war er auch nie der Gefahr verfänglicher Fotos ausgesetzt; statt drei Bier bestellte er nur noch ein stilles Wasser.

HC mäßigte auch seine Sprache. Sein politischer Instinkt machte ihm rasch klar, dass er als väterlicher Freund des juvenilen Kanzlers bei den Medien mehr reißt als durch das bloße Nachplappern einfältiger Kinderreime des Neo-Innenministers. Aus Daham statt Islam wurde sohin im Handumdrehen „Wir finden eine Lösung, die für unser Land am besten ist.“

Letzter Punkt auf der Verwandlungs-to-do-Liste: Der Vizekanzler nahm sich vor, sein Allgemeinwissen einige Stufen nach oben zu fahren. Unter dem Motto pimp my general knowledge surfte HC nächtelang durch Wikipedia-Seiten von A wie Alpenüberquerung Hannibals 218 v Chr. bis Z wie Zombiefilme. Bald danach war wieder ein Pressegespräch angesetzt, bei dem er mit seinem neu aufgeziegelten Hirnlexikon brillieren wollte. Kaum bekam der Vize vom Bundeskanzler das Wort zugeteilt, legte er schon los: „Wir machen es ab sofort in der Regierung wie die Spider Murphy Gang“, postulierte HC im Brustton der Überzeugung und setzte zitierend fort: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt.“

Ein paar ältere Journalistenhasen, die in deutscher Popgeschichte sattelfest waren, blickten einander irritiert an. Diese Zeile hatte doch eine andere Combo berühmt gemacht, aber welche bloß? Ein besonders findiger Schreiberling erinnerte sich gleich an den größten Hit der von Strache genannten Band und konstruierte daraus die halblustige Schlagzeile Skandal um Heinzi!

Filme und Liedtexte sind klassische Zitatfallen, über die man schon einmal stolpern kann; deshalb wird der neue Vizekanzler seinen Fauxpas auch nicht so tragisch nehmen. Viel wichtiger ist, dass die Bundesregierung trotz zahlreicher kerniger Querschüsse ihrem selbst verordneten Höhenflug treu bleibt. Sonst könnte ein kurzer Sturzflug mit nachfolgendem Totalschaden namens Neuwahlen die fatale Folge sein. Sämtliche Geier der Opposition warten nur darauf.

Geier Sturzflug – so heißt die deutsche Band. Danke, Heinzi!

Und hier die beiden Originale:
https://www.youtube.com/watch?v=RUdyqJuJOAs
https://www.youtube.com/watch?v=Qqp4y3mbkJo

 

Feder

 

9. Jänner 2018: Späte Erleuchtung

Der Preis für die Dummheit des Tages wurde heute schon früh vergeben. Um halb elf meldeten die Radionachrichten, eine Salzburgerin (39) hatte beim Abräumen ihres Christbaums drei nicht abgebrannte Wunderkerzen entdeckt. Dies bescherte ihr eine Idee, die in ihren Gedanken als perfekt gemaltes Weihnachtsbild erschien: Noch einmal den Geist von Heiligem Abend und Christkind auferstehen lassen! Sich im hellen Schein der Spritzkerzen etwas wünschen, das 2018 mit absoluter Sicherheit in Erfüllung gehen wird!

Nur Sekunden, nachdem die gute Frau ihren wunderbaren Einfall in die Tat umsetzte, trat tatsächlich Erleuchtung ein. Diese stammte jedoch nicht vom Stern von Betlehem, der sich spontan zu einem Wiederholungsbesuch entschlossen hatte. Vielmehr waren die nach über zwei Wochen doch schon recht trockenen Zweige des Nadelbaums aufgrund des unerwartet plötzlichen Temperaturanstiegs in unmittelbarer Nähe Feuer und Flamme, im wahrsten Sinne der Worte.

Was dagegen gesprochen hätte, die Wunderkerzen fürs nächste Weihnachtsfest aufzuheben oder einfach zu entsorgen, war dem Radiobericht nicht zu entnehmen. Nachdem die Entflammte durch die rasche Reaktion eines Nachbarn zum Glück nur leicht verletzt und auch ihr Haus gerettet wurde, lassen sich immerhin zwei interessante Schlussfolgerungen ziehen: 1. Wer vor Ideen nur so sprüht, möge die Gefahr ungewollten Funkenfluges ernst nehmen. 2. Wenn späte Erleuchtungen zu Feuer und Flamme werden, sollte ein Kübel Wasser stets in Griffweite sein.

Feder

 

4. Jänner 2018: Wenn zwei schwindeln

„Einen Schilling für jedes Mal, wenn du mich anschwindelst.“ Das Sprichwort aus meiner Kindheit kam mir gestern in den Sinn, als ich zwei Meldungen im Internet las, deren Verbindung sich erst auf den zweiten Gedanken offenbart. 1. Google hat 2016 durch Steuerschlupflöcher 6,1 Milliarden Dollar gespart. 2. US-Präsident Donald Trump hat seit seinem Amtsantritt genau 1.950 Unwahrheiten verbreitet. Er nennt das alternative Fakten, weil sein Intelligenzquotient offenbar nicht dafür ausreicht zu erkennen, dass sich diese beiden Begriffe gegenseitig ausschließen.

Ganz egal, denn für beide funktioniert es. Der Internetkonzern kommentierte lapidar, man halte sich in jedem Land an die geltenden Steuergesetze. Und Trump interessiert sich ohnehin nicht für Fakten, solange er den Größeren hat (Siehe die Tagessatire von gestern).

Zeit für eine kleine Milchmädchenrechnung: Für jede Lüge des mächtigsten Mannes der Welt sackt einer der mächtigsten Konzerne der Welt 3,128.205,13 Dollar an nicht bezahlter Steuer ein – Geld, das für Sozialausgaben fehlt. Fazit: Die Mächtigen erklären nicht nur die Lüge zur Wahrheit, wenn ihnen danach ist, sie verdienen noch dazu blendend damit. Auch ein Steuerschlupfloch ist nichts anderes als ein alternatives Faktum.

Schlechte Zukunftsaussichten für die Menschheit, wenn es 2018 und die Jahre danach so weitergeht. Es gibt aber Lösungen für das Schlamassel, das wir uns selbst aus purer Obrigkeitsgläubigkeit eingebrockt haben: 1. Weltweite Steuergesetze schaffen, die den Namen verdienen. 2. Beim nächsten Mal einen amerikanischen Präsidenten wählen, den das Amt verdient.

Feder

 

3. Jänner 2018: "Ich hab' den Größeren!"

Ich kenne kaum jemanden, der sich nicht gern an seine Kindergartenzeit zurückerinnert. Unbeschwerte Tage voll Lachen und Glückseligkeit, für die nur ein Glas Apfelsaft oder ein Tüteneis nötig war. Dazu das Entstehen eines Gefühls, das nicht benannt werden konnte und doch die Basis für ein gelingendes Leben legte: Freundschaft.

In der Sandkiste aber, da hörte die Freundschaft auf. Knallhart ging es darum, wer mit dem größeren knallroten Küberl mehr Sand aufhäufen und diesen danach mit dem größeren knallgrünen Schauferl plattklopfen konnte. Bei der Kampfausrüstung war ich durchaus ebenbürtig, nicht aber bei der Geschwindigkeit. Als die anderen Buben schon uneinnehmbare Trutzburgen errichtet hatten, lag vor mir noch immer ein unförmiger Sandberg.

Im Laufe der Jahre reifte in mir glücklicherweise die Erkenntnis, dass weder Küberlgröße noch Arbeitsgeschwindigkeit entscheidende Faktoren für Lebenserfolge darstellen. Vielmehr kommt es auf das Wie und das Was an – wofür setze ich meine Möglichkeiten am besten ein.

Nicht allen jedoch, und damit komme ich zum Punkt dieser Tagessatire, ist diese Entwicklung vergönnt. Das ist schade, denn außer dem Fokus auf das Wesentliche schenkt sie auch ein großes Maß an Gelassenheit. Und genau die fehlt dem mächtigsten Mann des Planeten.

US-Präsident Donald Trump wusste nichts Besseres, als auf die kindische Drohung von Babygesicht-Diktator Kim Jong Un aus Nordkorea („Der rote Knopf für die Atombomben ist immer auf meinem Schreibtisch!“) in gleicher Kindergartensprache zu antworten: „Dafür ist mein Knopf größer und auch viel mächtiger als deiner!“

Das Machogeplänkel zweier Egomanen, die einander wie stolze Pfauen ihre bunten Federn ins Gesicht halten, wäre amüsant, würde es sich nicht um zwei Militärführer von zumindest zweifelhafter geistiger Stabilität handeln. Wessen politischer Horizont nur dafür ausreicht, auf eine große Bombe mit einer noch größeren zu reagieren, dem sollte man wohl so rasch wie möglich die Codes für sein Lieblingsspielzeug wegnehmen. Ansonsten ist irgendwann alles Denken mit dieser einen Lösung ausgefüllt – und sie kommt zur Anwendung.

Ein Vorschlag zur Güte: Sämtliche Staatenlenker mit Atomwaffen vereinbaren einen gemeinsamen Termin in der Herrensauna. Dort wird unter notarieller Aufsicht überprüft, wer den Größten, Längsten, Dicksten hat. Eine weltweite Live-Übertragung des Events, in Deutschland moderiert von Florian Silbereisen und Helene Fischer, bringt bestimmt höhere Einschaltquoten als der Silvesterstadl und die Herrenabfahrt in Kitzbühel zusammen. Der Sieger darf sich obendrein mit Recht mächtigster Mann des Planeten nennen.

Dann ist vielleicht Ruhe – bis zur nächsten Wahl.

Feder

 

2. Jänner 2018: Déjà-vu für Aug' und Ohr

Wieder ein Jahr vergangen! Und noch dazu so schnell, dass ich meine Überzeugung, die erste Satire des Jahres 2017 könnte doch höchstens einen Monat alt sein, erst nach mehrmaliger Konsultation des aktuellen Datums als falsch akzeptierte.

Höchst bemerkenswert fand ich beim Stöbern in meiner satirischen Datenbank den Ort, an dem sich meine Eröffnungsgeschichte des vergangenen Jahres zugetragen hatte: beim McDonald’s in Feldbach. Vor allem deshalb, weil sich dort auch heute etwas beobachten ließ, das den Chronisten in die Tasten greifen lässt. Zudem weisen beide Episoden durchaus ähnliche Züge auf.

Zur Erinnerung: Vor einem Jahr beschwerte sich ein Pärchen im breitesten Südoststeirisch darüber, keine Ausgabe von Österreich im Zeitschriftenstand vorzufinden, einheimisches Zeugnis höchster Journalismus-Kunst. Heuer ging es ebenfalls um das Wort, jedoch um das gesprochene – sozusagen ein Déjà-vu für die Ohren.

Ich hatte gerade die formidable Schokosauce vom meinen Cappuccino krönenden Milchschaum gelöffelt, als drei Jungmänner um die Zwanzig mit ihren hoch beladenen Tabletts den Nebentisch anvisierten. Offensichtlich hatten sie mit mir – meine Ehrlichkeit zwingt mich zu dieser ironischen Spitze – nicht mehr gemeinsam als die Zugehörigkeit zur gleichen Spezies. Jeder einen beachtlichen Burgerfriedhof vor sich her schiebend, ließen sie ihre von Fastfood gestählten Luxuskörper auf den glücklicherweise stabilen Sitzmöbeln nieder, wickelten den erstandenen Kaloriennachschub geräuschvoll aus und begannen zu mampfen.

Der geneigte Leser mag an dieser Stelle zurecht einwenden, dass es sich bei der beschriebenen Szene um eine für den McDonald’s typische Alltäglichkeit handelt. Meiner deutschen Tastatur entweicht keinerlei Widerspruch; ich füge jedoch an, dass sich die Besonderheit schon wenige Sekunden später zu entwickeln begann. Kaum schlugen sich nämlich sechs Kiefer mahlend in von weitem als latschert erkennbare Weißbrothälften, fingen die drei zugehörigen Münder zeitgleich an, sich zu unterhalten.

Ich konnte es nicht glauben und noch weniger – in doppeltem Wortsinn! – verstehen. Sie redeten mampfend, antworteten mampfend, verneinten wortreich mampfend oder stimmten ebenso mampfend zu. Eine Sprache, die aus tiefstem Südoststeirisch und dem gleichzeitigen Genuss amerikanischen Schnellrestaurantfutters gebildet wird, hat bestimmt noch keinen Namen. (Vorschläge bitte an die Redaktion.) Und sie wurde bis heute, da bin ich mir absolut sicher, von keinem seriösen Wissenschaftler untersucht.

Meine Faszination endete in dem Moment, als der Anführer der eindrucksvollen Truppe (er versteckte den größten Bauch unter seinem knallroten Trainingsanzug, was ihm die Position des Alpha-Tiers verschaffte) in die kleine Runde blickte und verlauten ließ: „Üernoanaunanöra?“ Das Warten auf Antwort verbrachte er mit dem Verschlingen des letzten Bissens, dessen Größe zweifellos jedem Kuchenstück meiner Salzburger Lieblingskonditorei Tomaselli Konkurrenz machte. Beide Befragten stimmten zu; sohin erhob sich Knallrot schwerfällig und schritt breitbeinig zum Bestellterminal, um alsbald an der Budel die zweite Runde in Empfang zu nehmen.

Beinahe wehmütig erinnerte ich mich an das Pärchen von 2017, als ich Die Presse vor mir zuschlug, in wenigen Schlucken meine Kaffeetasse leerte und nach meiner Jacke griff. Auf der Tragödie zweiten Akt hatte ich keinen Appetit. Mir wurde klar, dass von nun an McDonald’s-Besuche akustisch sowie visuell von mampfenden Urlauten und ihren Verursachern begleitet sein würden. Jede Bestellung trug ab sofort ein grell leuchtendes Warnschild: „Hier geht’s zum Burgerfriedhof!“

Auch eine Form von Diät. Vielleicht die effizienteste aller Zeiten.

 

Feder

Butler

Begegnung auf Augenhöhe

Einer der Grundsätze, die mir das Leben mit meiner Krankheit erleichtern, lautet: Entweder erledige ich notwendige Dinge selbst, oder ich organisiere, dass sie passieren. Ein schönes Beispiel dafür war der Besuch eines Restaurants mit Selbstbedienung in Niederösterreich.

Da ich es für wenig sinnvoll halte, ein Tablett mit Teller, Besteck, Glas und Mineralwasserflasche selbst mühsam an die Kasse und dann an einen Tisch tragen zu wollen, nur um irgendwann doch das Gleichgewicht zu verlieren oder durch einen ungewollten Rempler einen ungewollten Aufruhr zu verursachen, bitte ich stets gleich am Anfang eine Angestellte, mir zu helfen. Die erfahrene Kellnerin, die ich ansprach, tat das ohne zu fragen, weil ihr ein Blick auf meine Beine wohl die Notwendigkeit dafür verdeutlichte. An der Kasse übergab sie das Tablett einer Kollegin, weil sie weggerufen wurde: „Trag das für den Herrn an einen Tisch.“

Sie schaute fragend drein, stellte sich jedoch ohne ein Wort mit mir in die Schlange. Da ertönte hinter uns eine weibliche Stimme: „Und nicht vergessen: Sie müssen für den Herrn auch das Fleisch schneiden!“

Bevor ich darauf antworten konnte, war ich schon an der Reihe. Ich bezahlte und hielt dabei nach einem freien Tisch am Fenster Ausschau. Gleich darauf ging die junge Dame wie angewiesen neben mir her. Ich setzte mich, sie stellte das Tablett vor mich hin und fragte: „Soll ich Ihnen das Fleisch schneiden?“

Ich war erstaunt – am meisten über den Klang ihrer Worte, in dem weder Arroganz noch ein Das kannst du nicht? mitschwang, sondern reine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft.

„Nein, die Frau hat vorhin nur einen Witz gemacht. Aber vielen Dank für das Angebot.“

Diese wunderschöne Begegnung auf Augenhöhe machte das Essen zu einem wahren Genuss.

Kernoel

Rede des Parteigründers der ÖKP

Ein Weinkeller irgendwo im Schilcherland. Vor großen Eichenfässern ist ein schlichtes Pult platziert, ein Mikrofon steckt in einem Zierkürbis. Der angekündigte Redner verspätet sich beträchtlich, doch die Wartezeit wird den Zuhörern mit großzügigen Kostproben der flüssigen Art verkürzt. Schließlich öffnet sich zwischen den Fässern eine Tür. Allgemeines Raunen erhebt sich, dann kehrt Ruhe ein.

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Vertreter der Medien und der Lügenpresse, liebe Ahnungslose vor den gebührenfinanzierten Sendungsempfangsgeräten des rotschwarzen Monopolfunks!

Hiermit erkläre ich nach langen Jahren erfolgreicher Tätigkeit als Kernölbotschafter fern meiner steirischen Heimat, dass die Zeit reif ist. Reif für eine neue Politik. Nein, für einen Neustart auf allen Ebenen. Nein, für eine neue Revolution! Deshalb gebe ich hier und jetzt die Gründung einer neuen Partei bekannt, die bei den kommenden Nationalratswahlen antreten wird. Der Name dieser Partei steht für alles, was in diesem Land seit ewigen Zeiten schmerzlich vermisst wird: Ehrlichkeit, Heimatverbundenheit, Fleiß und Zuversicht. Für all das tritt sie ein, die ÖKP: die Österreichische Kernölpartei!

Danke für den kräftigen Applaus, liebe Freunde. Ich sehe, Sie verspüren dieselbe Sehnsucht wie ich, die Sehnsucht nach Veränderung. Und genau diese Veränderung werde ich in meinem Parteiprogramm fordern. Als erstes starte ich ein steiermarkweites Volksbegehren gegen die schändliche Tatsache, dass nördlich des Semmering bereits mehr Kürbiskerne geerntet werden als bei uns, in der wahren Heimat des Schwarzen Goldes. Das geht gar nicht! Ich fordere hohe Einfuhrzölle gegen niederösterreichische Kürbiskerne. Ohne entsprechenden und bindenden Regierungsbeschluss darf der fesche Ex-ÖBBler weder TTIP noch CETA unterschreiben! Und sein Koalitionspartner kann bei dieser Gelegenheit gleich beweisen, wer bei den Schwarzen wirklich die Hosen anhat. Wenn Django Mitterlehner diesen für mich unverhandelbaren Beschluss nicht mitträgt, ist sofort klar wie Rindsuppe mit steirischem Wurzelgemüse, dass der Wind aus dem St. Pöltener Landhaus her weht.

Weitere Punkte des ÖKP-Parteiprogrammes werde ich rechtzeitig bis zu den Wahlen ausarbeiten und bekanntgeben. Es ist nicht anzunehmen, dass andere Parteigründer der letzten Wochen schneller sein werden. Nur Parteifarbe, Parteisymbol und Parteimotto stehen schon fest. Man wird die ÖKP an einem satten Schwarzgrün erkennen, an einem reifen Kürbis mit einem in die Zukunft weisenden Stängel und am Leitspruch, den ich wie das Licht der Erkenntnis vor mir her tragen werde: Salat ohne Kernöl ist wie ein Wiener Schnitzel ohne Panier. Und jetzt erheben Sie mit mir das Glas auf die neue Partei des Fortschritts, auf die ÖKP!

Zwei Stunden und noch mehr Gläser später ...

No zwa Sochn, die erschte an die Leit vu da Zeitung: Bittschei vawexlts mi net mit da KPÖ. Dei woan kuaz erfulgreich in Graz, owa nua duat. I wer alla in da Steiamoak a Grundmandat eifoahn, des is fix, sobold da Andi Gabaliä die Pateihymne eigsungan hot. Werds segn, die schiaßt vu null auf ans in die Tschards: Steiamoak, du stoakes Laund, rinnt as Wossa duach dei Haund wia des Kernöl in dei Maul, ba uns is kaner fia wos z'faul. Den Refrö hot a ma scho varrotn, da Andi.

Und as zweite geht an olle do: I suachat no a poa Leit fia vaschiedene Parteipostn. Bsunders da Finanzminister is no frei. I hob dreimol bam Frenk augfrog, oba sei Tochter, die Belinda, hot gmant, seit er as letzte Mol bam Settele im Auto gfoan is, traut er si in ka Vakehrsmittl mehr eisteign, net amol in sein Privatfliaga. A Übaweisung wiad er sicha mochn, oba des hot er scho friara vasprochn. Holt, des hot si jetzt greimt.

Draußn gibts no a Kernölblindvakostung. Wer darot, wölches Öl vu meim Sponsor is, kriagt fia a Untastützungserklärung an gaunzn Lita mit ham. Oiso pfiat eich, baba, untaschreibts und follts net!

Sudoku

Rätselhaftes beim Schachtelwirt

Im McDonald's beim Flughafen Graz, an einem Freitag knapp vor 18 Uhr. Es herrscht reger Betrieb, was auch daran abzulesen ist, dass alle lesbaren Tagesdruckerzeugnisse in Verwendung sind. Einzig fünf Österreich-Ausgaben stecken unberührt im Wandregal, daneben eine offensichtlich schon mehrmals gelesene, einsame KronenZeitung. Mit einem ergebenen Seufzer greife ich nach derselben, um wenigstens meine Schultermuskulatur mit zügigem Umblättern zu beschäftigen.

Mein Crispy Chicken Wrap hat schon zur Gänze den Weg seiner zerkauten Bestimmung gefunden, und ich will mich gerade dem Gartensalat zuwenden, als ich mitten in der für mich bisweilen diffizilen Aufgabe, das Balsamico-Dressing mehrheitlich auf dem Salat anstatt auf meiner Hose zu verteilen, abrupt innehalte. Auf genau der Anzeigenseite, wo neben automobilen, hellseherischen und horizontalen Angeboten auch die beiden Sudoku-Rätsel untergebracht sind, ist kein einziges der Kästchen durch eine Zahl entjungfert, nicht einmal durch einen senkrechten Strich, der den Versuch eines Anfangs andeuten könnte. Und das, obwohl fettige Burger- und Chicken-McNuggets-Finger überaus deutliche Spuren in der gesamten Zeitung hinterlassen haben. Das Sudoku wurde von niemandem angerührt.

Meine Irritation rührt von der Erfahrung her, zu so fortgeschrittener Stunde meist vollständig ausgefüllte Quadrate in der Krone vorzufinden. Zumindest der Schwierigkeitsgrad Amateur (den meine Mutter aufgrund der nicht vorhandenen Herausforderung stets verweigert, Anm.d.Chr.) ist fast immer gelöst, weil die Hürde selbst für die durchschnittlichen Rätselfans unter den durchschnittlichen Krone-Lesern nur die Höhe einer unterdimensionierten Treppenstufe aufweist und sohin unfallfrei zu überwinden ist.

Warum also hatte sich heute noch niemand dem Zahlen-Zeitvertreib gewidmet? Nachdem die Krone (traurig, aber leider nicht zu ändern) die auflagenstärkste Zeitung des Landes ist und gleichzeitig McDonald's der flächendeckendste Schnellimbiss, müsste logischerweise in jedem Lokal immer ein Leser des beliebten Kleinformats anwesend sein. Nimmt man nun auch noch alle Sudoku-Freunde in die Gleichung auf, ist die Chance, dass um 18 Uhr noch keines der quadratischen Rätsel gelöst ist, wohl verschwindend gering.

Während ich meinen Gartensalat samt Balsamico-Dressing gut durchschüttle (empfehlenswert ist hier die penible Prüfung, ob der Deckel fest auf der Plastikschale sitzt; sonst passiert das zuvor mühsam vermiedene Hosen-Malheur doch noch), schweift mein Blick durch das Lokal, auf der Suche nach einer visuellen Lösung für das knifflige Sudoku-Krone-McDonald's-Rätsel. Ich will schon aufgeben und mit Hilfe der kackbraunen Plastikgabel nach der einsamen Kirschtomate im Salat suchen, als ich der neuerdings eingeführten Bestellterminals angesichtig werde, die aussehen wie Smartphones aus dem Lande Brobdingnag, wo Gulliver den Riesen begegnet.

Auch ich war anfangs irritiert, als ich meine Bestellung nicht mehr einer hübschen Studentin diktieren durfte, die ihr karges Stipendium mit einem Nebenjob aufbessert. Die routinierte Bedienung dieses überdimensionalen Touchscreens bedarf einiges an Übung, wenn man nicht den falschen Burger, das falsche Wasser und das falsche Salatdressing an der ebenfalls neuen Ausgabetheke (jetzt steht die hübsche Studentin hier, wenigstens etwas) entgegennehmen will.

Angesichts der vielen schweren Entscheidungen, die man – angefangen von Hier essen oder Mitnehmen bis Mit Karte zahlen oder An der Kasse zahlen – treffen muss, erkenne ich im Bruchteil einer Sekunde, warum das Sudoku noch immer auf einen Zahlenkästchen-Kämpfer wartet. Für die durchschnittlichen Rätselfans unter den durchschnittlichen Krone-Lesern ist der Bestellvorgang am Riesentouchscreen eine spannende intellektuelle Herausforderung. Nach erfolgreicher Meisterung derselben ("Schatzi, heute hab' ich echt einmal bekommen, was ich gedrückt habe! Du auch?") sind die Grauen Zellen müde und müssen sich eine Weile ausruhen. Da reichen die Reserven nur noch für das Verarbeiten der Schlagzeile "Schlechte Noten für unser Bildungssystem!" und ein bisschen aktives Schultermuskeltraining.

War das jetzt höchste Satire oder tiefster Zynismus? Jede Meinung erkenne ich kritiklos an, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass noch Hoffnung besteht. Erinnern Sie sich an meine zu Beginn erwähnte Beobachtung von den unberührten Österreich-Ausgaben? Die KronenZeitung gehört beileibe nicht zu den höchsten Insignien journalistischer Schöpfung, doch erst wenn alle Exemplare jener blamablen Schundpostille, die mit ihrem Auftauchen vor zehn Jahren den ohnehin schon tiefen Boden des Niveaufasses mühelos durchschlagen hat, beim Schachtelwirt in Verwendung sind, sollten wir wirklich langsam nervös werden.

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