Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

 

29. Mai 2020: Herzensbeschwerde

Pünktlich wie die Uhr, der HG! So kennen und lieben dich deine wenigen Leserinnen und Leser. Und natürlich ich auch. Apropos Uhr: Hast zu zufällig mein Mobiltelefon gesehen? In der Eile gestern habe ich es wohl in der Redaktion vergessen ...-.

... und hast stattdessen das Firmenhandy mitgenommen. Hier ist deines.

Perfetto! Können wir jetzt fahren? Ich freue mich schon so auf Salzburg!

Einen Moment noch. Gibt es einen besonderen Grund, warum wir uns hier am Grazer Hauptbahnhof treffen?

Ich dachte, den findest du am Leichtesten, orientierungslos, wie du meistens in deinem Golf durch die Gegend irrst.

Naja, ich hätte dich auch bei deinem Hotel abgeholt, das wäre einfacher ...-

Du hast meine SMS gelesen, HG? Bist du wo ang'rennt? Sagt dir das Wort "Privatsphäre" etwas, klingelt es da bei dir?

Reg dich nicht künstlich auf. Ja, ich habe sie gelesen, weil eine gekommen ist, kaum dass du aus der Tür warst. Du solltest halt öfter dein Passwort ändern. Und nebenbei: "KBforever111" ist nicht sehr originell.

Sobald wir im Hotel sind, werde ich es ändern. Und du wirst sofort vergessen, was du gelesen hast!

Schon geschehen. Trotzdem darf ich noch anmerken, dass ich mich für dich freue.

Wirklich?

Wirklich. Du warst in der letzten Zeit so gut drauf; da hatte ich schon vermutet, dass "ein alter Freund" nicht der wahre Grund war, warum du einen Tag früher in Graz sein wolltest.

Wo wir gerade bei Geständnissen sind: Auch ich habe etwas von dir gelesen, das wohl nicht für des KBs Augen bestimmt war.

Mein PC-Kennwort kennst nicht einmal du! Ich bin schon froh, wenn ich es mir merke.

Aber dein WhatsApp ...-

Was ist damit?

Das habe ich gehackt.

Davon habe ich nichts bemerkt!

Das ist doch die Idee, du Blitzgneißer! Als die CIA das Handy von Mutti Merkel abgehört hat, bekam sie nach eigener Aussage auch nichts mit. Das heißt dann wohl: Mission gelungen!

Und wie lautete deine Mission bei meinen Nachrichten, werter KB?

Ach, nichts Besonderes. Ich war bloß neugierig.

Konnte ich deine Neugier befriedigen?

Durchaus. Genauer gesagt, sogar doppelt. Erstens: Du bist nicht nur ein Schöngeist, sondern auch ein Romantiker.

Und zweitens?

Dich braucht niemand zu verkuppeln, mein lieber HG. Du bist auf einem guten Weg.

Liebste Lea!
Das Bett ist viel zu groß ohne dich. Und doch - wenn ich darin nach Einsamkeit, Traurigkeit und Verlassenheit suche, finde ich sie nicht. Was ich finde, sind deine Augen, die mich klar und ohne Zweifel anschauen. Deine Hände, die zart über die empfindlichsten Stellen meines Körpers streichen. Deine Lippen, die mich nichts anderes als Glück und Gegenwärtigkeit fühlen lassen.
Dabei wollte ich dir heute sagen, dass ich in letzter Zeit zu viel Traurigkeit empfunden habe, wenn ich an dich dachte. Es ist etwas geschehen, dass ich immer zu verhindern suchte: Meine Wünsche haben sich selbstständig gemacht. Sie wollen mehr von dir als diese wunderschöne gemeinsame Zeit, die ich mit dir erleben darf. Sie wollen mit dir am Telefon plaudern, essen und ins Kino gehen. Mit dir eine Reise machen. Sie wollen erleben, wie du neben mir einschläfst und aufwachst.
Doch jetzt bist du da, herzlich wie immer, nah wie immer, zärtlich wie immer. Und plötzlich kommen mir meine Wünsche kleinlich und egoistisch vor. Als würde ich mein Schicksal dafür schelten, dich mir geschenkt zu haben. Nichts könnte ungerechter sein - in mir atmet alles, was ich bei der Erinnerung an unsere erste Begegnung empfinde, Freude und Dankbarkeit.
Ich werde lernen, mit meinen Wünschen zu leben. Dass meine Welt mit dir aus diesem paar Stunden besteht, nicht darüber hinaus. Dass du wie ein Schmetterling vorbeikommst, ein bisschen Glücksstaub auf mein Herz streust und wieder davonfliegst. Dass ich ein Recht auf Liebe habe, aber nicht auf deren Erwiderung.
Heute nach dem Aufwachen hat mein Denken vom Herzen verlangt, sich über dich zu beschweren. Doch wie du weißt, spricht das Herz immer die Wahrheit. Sohin lächelte es und sagte nur: “Das Bett ist viel zu groß ohne dich.“
Mit dieser Beschwerde will ich gerne leben.

Erkenntnis des Tages: Manchmal muss man nach dem Glück suchen, um es zu finden. Wenn dies geschieht, soll man es so lange wie möglich festhalten. Die gemeinsame Zeit mag begrenzt sein. Die freudvolle Erinnerung daran ist es nicht.

Zitat des Tages: "Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss!" (Ich hätte nie gedacht, dass ein Zitat vom KB es jemals ins Tagebuch schafft. Aber wo der Mann recht hat, hat er recht!)

Songs des Tages: There Must Be An Angel / Miracle Of Love (Dem britischen Duo Eurythmics ist etwas Außergewöhnliches gelungen: Annie Lennox und Dave Stewart haben sowohl eines der fröhlichsten als auch eines der traurigsten Liebeslieder geschaffen.)
https://youtu.be/RCdneDxFRYQ
https://youtu.be/yOGD1WkJJok

Feder

 

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