Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

 

13. Mai 2020: Auf einen Tee mit dem KB

Jo hallo, hier ist der Kernölbotschafter. Haben Sie mich vermisst? Ich mich auch. Ich meine, hier im Tagebuch habe ich mich vermisst. Aber es war schlicht und einfach Zeit für eine Auszeit. Hat mich der HG würdig vertreten? Ich fürchte, er stand auf jeder einzelnen Seite fest auf der Spaßbremse, dieser Schöngeist. Wobei ich zugeben muss, ganz so schlecht waren seine Beiträge ja nicht. Meinen konnten sie zwar eindeutig nicht das Kernöl reichen, aber im Rahmen seiner bescheidenen literarischen Möglichkeiten hat er so ziemlich das Beste rausgeholt.

In Kognito war es wirklich schön, danke der Nachfrage. Ich verrate Ihnen auch heute nicht, wo das genau liegt (wer ist schon wild darauf, von zahllosen feschen Mädels gestalkt zu werden?), kann aber so viel sagen: Einen illegalen Grenzübertritt musste ich für die Fahrt dorthin nicht riskieren. Ich habe viel geschlafen, gelesen und lange Wanderungen gemacht. Am Abend habe ich im Internet nach Verschwörungstheorien über die spanische Bierverkäuferin gesucht – das bringt mich noch mehr zum Lachen als Brust oder Keule, mein Lieblingsfilm mit Louis de Funes.

Und ich habe – Sie werden es kaum glauben – auf meine Ernährung geachtet. Viel Gemüse und Obst (Letzteres auch in veredelter Form, klaro!), kein Fleisch (einmal Ente mit Reis und scharfer Sauce beim Chinesen gilt als Ausrutscher, für den ich ohnehin mit einer … naja … windigen Nacht bezahlt habe) und am Allerwichtigsten, viel trinken. Ich habe eine Urlaubs-Reinigungs-finde-deine-goldene-Mitte-Fastenteekur hingelegt, die sich nur so gewaschen hat. Könnte ich in mich selbst reinschauen, fände ich mich inwendig sauberer als mein KB-Mobil außen.

Ehrlich: Ich bin jetzt so auf Tee eingeschossen, dass mir die Wiedereröffnung der Kaffeehäuser in zwei Tagen piepschnurzegal ist! Sollen sie doch dort hocken mit ihren duftenden Espressi und Cappuccini, ihren Verlängerten und Lattes. Ich werde frohen Mutes einen französischen Früchtetee bei Lisa bestellen und meine wiedergewonnene fernöstliche Gelassenheit feiern. Oooohhhhmmmm!

Die Teekanne macht den Tee – aber macht sie auch berühmt?

Als ich zum ersten Mal im Gasthof Kamml in Siezenheim bei Salzburg zum Frühstück kam und um schwarzen Tee statt Kaffee bat, brachte mir die Frühstückskellnerin eine bis an den Rand mit Wasser gefüllte Tasse und einen verschweißten Teebeutel.

„Wenn ich diesen Beutel in dieses Häferl hänge, haut es mich aus den Patschen“, verschönerte ich verbal meine Vermutung, dass die junge Dame, deren offene Heiterkeit ansteckend war, wohl selten Tee zum Frühstück serviert. „Hätten Sie vielleicht eine Kanne für mich?“

„Moment.“ Sie verschwand und tauchte wenig später mit einem kleinen, bauchigen, bunt geblümten Behältnis auf, das wie aus Großmutters Porzellanservice stibitzt aussah – oder aus dem Puppenhaus einer Riesenprinzessin. Schwungvoll stellte sie mir es auf einem Tablett samt frischer Tasse hin und sagte: „Das ist unsere letzte Kanne. Die anderen sind alle irgendwann kaputtgegangen.“ Die Kellnerin lachte hell und fügte hinzu: „Also gut darauf aufpassen.“

Seither begrüßt mich Frau Marleen bei jedem meiner Aufenthalte mit einem Lächeln – und mit „meiner“ Teekanne, die bereits zum Servieren bereit steht. Es ist ein Stück Vertrautheit, das aus einem Platz zum Schlafen, wie es in und um Salzburg Hunderte gibt, einen Ort des freudigen Ankommens, glücklichen Verweilens und dankbaren Abschieds werden lässt.

Ein paar Monate später brachte ich die Episode zu Papier und ließ sie Frau Marleen zukommen. „Bin ich jetzt berühmt?“, fragte sie daraufhin per Mail.

„Weil ich es nicht bin, wird es für Sie auch knapp nicht reichen“, fiel meine Antwort wenig ermutigend aus.

„Ihre Teekanne wartet bei uns trotzdem wieder auf Sie“, kam es heiter zurück.

Wer weiß, vielleicht wird aus mir irgendwann doch ein berühmter Schriftsteller. Jedenfalls werde ich versuchen, bis dahin durchzuhalten. Mindestens so lange wie meine Teekanne beim Kamml.

Die Rettung der Teekanne

Über zwei Jahre später steht meine Teekanne noch immer bereit, wenn ich in meinem Salzburger Lieblingshotel zum Frühstück komme. Die Kellnerinnen wechseln, das Behältnis für meinen Earl Grey bleibt gleich. Diesmal ist es Frau Jacqueline, die mich lächelnd mit „Hallo Herr Glanz, Ihr Tee kommt sofort!“ willkommen heißt. In der Zwischenzeit bediene ich mich am feinen Buffet und nehme gleich darauf mit einem zufriedenen Seufzer an meinem Lieblingstisch Platz.

Plötzlich dringt aus Richtung der Bar ein Klirren an mein im nächsten Augenblick entsetztes Ohr, gefolgt von einem langgezogenen „Maaaaahhh!“ Nicht viel später erscheint Frau Jacqueline wie üblich mit dem kleinen Tablett, doch ihr betretenes Gesicht verheißt Unheil, das auch sogleich sichtbar wird: Auf der von mir so geliebten geblümt-bauchigen Teekanne sitzt an Stelle des Deckels eine schnöde Untertasse.

„Sie ist mir hinuntergefallen“, gesteht die sonst so fröhliche junge Dame mit leiser Stimme ihr Missgeschick ein. „Ich hoffe, es geht auch so.“

Auch wenn mich die Wehmut ein klein wenig sticht, soll mir im Leben doch nie Schlimmeres widerfahren als zerbrochenes Porzellan. Sohin nicke ich Frau Jacqueline lächelnd zu, sehe aber, dass meine Worte „Der Tee schmeckt deshalb gleich gut“ nur ein schwacher Trost für sie sind.

In mein Frühstück und die Salzburger Nachrichten vertieft, bemerke ich den älteren Mann erst, als er neben mir steht und Frau Jacqueline breit angrinst. Das orange Kamel auf seiner ärmellosen Jacke weißt in als Angestellten des Hotels aus. Er hält seiner Kollegin die linke Wange hin und sagt mit leichtem Akzent: „Jetzt bekomme ich aber einen Kuss!“ Gleichzeitig öffnet er seine rechte Hand – darauf liegt der geblümte Porzellandeckel einer Teekanne. „War im Keller.“

Frau Jacqueline schenkt ihm die verdiente Belohnung und nimmt danach erleichtert die hässliche Untertasse von der Teekanne. Der helle Klang, als sie den Deckel einsetzt, ist Mozarts würdig.

Manche Dinge halten doch länger, als man gemein glaubt. Wie das Symbol echter Gastfreundschaft.

Erkenntnis des Tages: Die beiden kurzen Teekanne-Episoden habe ich in meinem Salzburger Lieblingshotel Kamml erleben dürfen. Sie drücken auf wunderbare Weise die Herzlichkeit aus, mit der ich in diesem Haus stets empfangen wurde – und sicher bald wieder werde. Wolferl, ich komme!

Werbespruch des Tages: „Unser Neuer – der UHUDLER-Tee!“ (Das steht auf ungefähr halbem Wege zwischen Stegersbach und Burgau auf einer Plakatwand. Wie die Burgenländer ihren Heckenklescher vermarkten, ist schon auch irgendwie genial, isn’t it?)

Song des Tages: It’s My Life (Ein passendes Tee-Lied habe ich nicht gefunden (Doris Day war mir dann doch zu kitschig). Aber dieser BonJovi-Song passt perfekt in unsere Zeit und ist noch dazu mit wunderschönen Salzburg-Erinnerungen verbunden – Freundin Karin weiß, wovon ich ich schreibe. 
https://www.youtube.com/watch?v=VUxIwnf_wZk

Feder

 

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